James Patterson – Das Pandora-Projekt (Maximum Ride 1)

Bewegend: Aufstand der Mutantenkinder

Die Tierärztin Frances O’Neill entdeckt eines Tages in Colorados Wäldern ein genmanipuliertes Wesen, das aussieht wie ein Mädchen mit Engelsflügeln. Tatsächlich kann Maximum, so nennt sich diese Kombination aus Mensch und Vogel, fliegen, wie man sich das von Engeln vorstellt. Der Haken dabei ist natürlich, dass es sich bei Max um das Ergebnis verbotener Experimente eines illegalen Genlabors handelt, das den Decknamen „Die Schule“ trägt. Und dass Max und ihresgleichen enorm wertvolle Organismen darstellen, die entsprechend gejagt werden. Frances gewährt Max und ihren Freunden Unterschlupf und Schutz, wodurch sie selbst in die Schusslinie gerät.

Nachdem Frances O’Neill und ihr FBI-Freund Kit Brennan mit ihren sechs Schützlingen, den engelsgleichen Wesen aus den illegalen Versuchslabors „der Schule“ vier unbeschwerte Monate in einem Refugium namens „Lake House“ verbracht haben, nimmt man ihnen die liebgewonnenen Kinder wieder weg. Diese gewinnen ihre Freiheit wieder zurück, doch um den Preis gefährlichen Wissens. Es gibt nicht nur „Engel“, sondern auch „Eraser“, die gezüchtet wurden, um „Engel“ zu vernichten. Damit die Welt nie von ihrer Existenz erfährt.

_Der Autor_

James Patterson, geboren 1949, ehemaliger Besitzer einer Werbeagentur, ist der Autor von zahlreichen Nummer-1-Bestsellern (inklusive diesem Buch). Allerdings sind es vor allem seine Alex-Cross-Thriller, die den Leser berühren. Folglich war Alex Cross bereits zweimal im Film zu sehen: „Im Netz der Spinne“ und „… denn zum Küssen sind sie da“ wurden beide erfolgreich mit Morgan Freeman in der Hauptrolle verfilmt. Für Einsteiger sei gesagt, dass Alex Cross ein sympathischer schwarzer Polizeipsychologe ist, der mit seiner Familie in Washington, D.C., lebt.

Patterson ist extrem fleißig. Sein letzter Solo-Roman in Deutschland hieß „Ave Maria“,  ein Alex-Cross-Roman. Davor erschienen neue Alex-Cross-Romane mit den Titeln „The Big Bad Wolf“ und „London Bridges“. Im Original sind bereits „Cross“ und „Double Cross“ erschienen. Seit 2005 sind weitere Patterson-Kooperationen veröffentlicht worden, darunter „Lifeguard“ sowie „Judge and Jury“; am 3. Juli 2007 erscheint die Kooperation „The Quickie“. Aktuelle Infos finden sich unter http://www.twbookmark.com und http://www.jamespatterson.com. Patterson lebt mit seiner Familie in Florida.

Mehr zum Flügelmädchen Maximum findet sich auf der Website http://www.maximumride.com.

Max erscheint bislang in folgenden Romanen:
1) Wenn der Wind dich trägt (When the Wind blows)
2) [Das Ikarus-Gen 2389 (The Lake House)
3) Das Pandora-Projekt (Maximum Ride: The Angel Experiment)
4) Das Zerberus-Experiment (Maximum Ride: School’s out forever, dt. Juni 2007)

Und wie uns die Pressemitteilung des Verlags verrät, planen die Filmemacher bereits die „Verfilmung der Geschichten um Max und ihre Geschwister“.

_Die Sprecherin_

Marie Bierstedt, Jahrgang 1974, trat ab Mitte der 80er Jahre in TV-Serien wie „Praxis Bülowbogen“ oder „Ein Heim für Tiere“ auf. Sie ist u. a. die deutsche Stimme von Kirsten Dunst, Kate Beckinsale und Natalie Portman. Sie ist vielen Deutschen auch als Stimmbandvertretung von Alyson ‚Willow‘ Hannigan in „Buffy“ vertraut. Ihr Vater, der Schauspieler Detlef Bierstedt, ist übrigens die deutsche Stimme von George Clooney, Bill Pullman, Jonathan ‚William Riker‘ Frakes und Robert ‚Freddy Krueger‘ Englund.

Der Text wurde von Antje Seibel gekürzt, Regie führte Kerstin Kaiser und für den guten Ton sorgte Horst-Günther Hank. Die akustischen Motive stammen von ihm und Dennis Kassel.

_Handlung_

Die Ich-Erzählerin ist die vierzehnjährige Max, ein Hybridwesen aus Mädchen und Vogel, mit vier Metern Flügelspannweite – und sie ist noch nicht mal ausgewachsen. Sie und ihresgleichen wurden in den Laboren der SCHULE mittels Gen-Spleißen erschaffen. Doch in wessen Auftrag und zu welchem Zweck? Sie kennen alle ihre Eltern nicht mehr.

Max und die anderen Vogelwesen, die der SCHULE vor zwei Jahren entkommen sind, werden von anderen Hybridwesen namens „Eraser“ gejagt: Wolfsmenschen, die der SCHULE als Wachen, Polizisten und Henker dienen. Sie wurden auf die sechs Angehörigen von Max‘ Familie angesetzt. Ihr Anführer heißt Ari.

Die Familie bzw. der Schwarm besteht aus:
Max, 14, weiblich, „Mutter“ des Schwarms, Telepathin;
Gazi alias Gasman – weil er unter Blähungen leidet -, 8, männlich, kann jedes Geräusch & jede Stimme nachmachen;
Angel, 6, weiblich, Telepathin, Gasmans Schwester;
Nudge, 11, weiblich, hieß früher Monique;
Iggy, männlich, blind, hört dafür gut;
Fang, 14, männlich, stark und schweigsam.

Bei einem unerwarteten Angriff der Eraser auf die Berghütte der Familie können alle den Häschern entkommen, alle außer Angel. Die Eraser bringen sie wahrscheinlich ins 600 Meilen entfernte Kalifornien, um sie in der SCHULE zu untersuchen und alle möglichen schrecklichen Experimente mit ihr anzustellen. Max beschließt sofort, ihrer Spur zu folgen, um sie zu befreien.

Iggy und Gasman, die „kleinen“ Jungs, sollen daheim bleiben. Als Jungs können sie natürlich nicht untätig bleiben: Sie beginnen damit, Bomben und Zünder zu bauen und sie an strategisch günstigen Stellen zu verstecken. Wenn die Eraser wiederkommen, werden sie eine böse Überraschung erleben.

Max trennt sich von ihrer Vierergruppe und spielt mal wieder Supergirl. Sie rettet ein Mädchen namens Ella vor zudringlich gewordenen Jungs, doch diese holen ihre Kanonen heraus und beschießen Max. Die verletzte Max kann sich zwar vor ihren Verfolgern retten, doch nun kann sie nicht mehr fliegen. Bald findet sie das Haus, das Ellas Mutter gehört. Diese ist Tierärztin und kann sich um Max‘ Verletzung kümmern. Schon bald stößt Dr. Martinez auf die abweichende Anatomie des Vogelmädchens, aber sie will Max trotzdem helfen – schließlich hat Max ihrer Tochter geholfen.

In der Tierklinik röntgt Dr. Martinez Max und stößt in ihrem Arm auf ein seltsames Objekt. Es handelt sich um einen Mikrochip, offenbar ein Sender. Sie kann ihn nicht entfernen, weil er zu tief sitzt. Jetzt weiß Max, warum die Eraser ihre Familie immer so leicht gefunden haben. Zudem können Ari und seine Schergen sie überall aufspüren, wenn sie sich der SCHULE nähern. Einen Tag später kann Max wieder losfliegen.

Als sie einen Canyon am Lake Mead überfliegt, erspähen ihre scharfen Vogelaugen vier Artgenossen unter den Habichten, die die Thermik an der Canyonwand ausnutzen. Es sind Fang, Nudge, Iggy und Gasman. Die beiden Jungs haben jede Menge zu erzählen, wie sie den bombengeschädigten Erasern entkommen sind. Und Nudge erzählt, wie sie ihre Eltern in Tibisco besucht hat, aber von Aris leuten vertrieben wurde.

Im nächsten Ort klauen sie ein Auto und beschaffen sich Geld. Doch als sie im McDonald’s einkehren, um endlich wieder zu Kräften zu kommen, merken fast zu spät, wie sie von jungen Männern eingekreist werden. Doch Max ist nicht auf den Kopf gefallen und hat die Lage immer unter Beobachtung. Sie gibt Zeichen, sich auf ein Signal hin zum Notausgang durchzuschlagen. Die Eraser merken zu spät, was ihre vermeintlichen Opfer vorhaben …

_Mein Eindruck_

„Das Pandora-Projekt“ ist ein Science-Fiction-Thriller, der für Jugendliche geschrieben wurde, und zwar von einem Routinier des Fachs. James Patterson ist vielen Lesern durch seine verfilmten Romane „… denn zum Küssen sind sie da“ und „Das Netz der Spinne“ bekannt. Schon zweimal hat er über die künstlich im Labor geschaffenen Rekombinanten geschrieben (siehe oben), nun führt er die unterhaltsame und erfolgreiche Reihe fort, aber in einem anderen Markt: dem für Young Adults, also Jugendliche. Wenn sie so alt sind wie die Hauptfigur, nämlich 14, dann ist das ideal.

|Science-Fiction?|

Ob diese Reihe wirklich Science-Fiction vom Kaliber eines „Raumschiffs Enterprise“ ist, bezweifle ich allerdings. Jeder weiß, dass Genexperimente durchgeführt werden, und zwar nicht nur an Pflanzen, sondern auch an Lebewesen. Dabei hat die Wissenschaft auch Mischwesen geschaffen, Schimären, so etwa aus Schwein und Ziege. Dass solche Schimären auch aus menschlichem Erbgut geschaffen werden könnten, liegt nahe, aber es wirklich zu tun, wäre ein schwerer Verstoß gegen wissenschaftliche Ethik und einschlägige Gesetze. Aber was, wenn es dennoch geschähe?

Pattersons Garn für Jugendliche ist im Grunde eine Warnung vor solchen Experimenten, hebt aber nicht den Zeigefinger, sondern schildert mit erzählerischen Mitteln, wie man sich die Folgen eines solchen Experiments für die Betroffenen vorzustellen hat. Die herrlichen Gefühle bei einem Flug im Schwarm stehen den Ängsten gegenüber, die die Hybriden bei den Angriffen durch die Menschen und ihre Wachhunde, die Eraser, ausstehen müssen.

|Mutanten|

Der Autor nimmt sich die in der SF üblichen Freiheiten bei künstlich geschaffenen Menschen oder Mutanten heraus. Er verleiht ihnen besondere Eigenschaften, die „normale“ Menschen nicht besitzen, so etwa die telepathische Verständigung und Beeinflussung anderer Personen. Philip K. Dick hat zahlreiche Geschichten und Romane über Telepathen und andere Psi-Fähige geschrieben, so etwa über Präkogs in [„Minority Report“. 142 So weit geht Patterson jedoch keineswegs. Bei ihm sind Max‘ Schwarmmitglieder nicht auf Verbrechensaufklärung aus, sondern von Motiven beseelt, die alle Waisenkinder haben: Sie suchen ihre Eltern und wollen herausfinden, warum diese sie alleingelassen haben.

|Cliffhanger|

Max erlebt bei ihren diesbezüglichen Ermittlungen immer wieder Überraschungen. Und jede Überraschung erfolgt am Ende eines der 135 Kapitel, die das Buch hat. Diese Cliffhanger-Methode ist ein erprobtes Stilmittel und Erfolgsrezept des Autors. Es funktioniert immer. Max wundert sich beispielsweise, warum sie eine Stimme in ihrem Kopf hört und Bilder empfangen kann. Dass diese Stimme behauptet, sie werde die Welt retten, glaubt Max, die ja schon einiges erlebt hat, keine Sekunde lang. Aber was, wenn etwas dran wäre? Der Autor bringt den Leser bzw. Hörer dazu, auch den nächsten Roman (s. o.) zu kaufen, um die Antwort auf diese Frage herauszufinden.

|Die Sprecherin|

Wenn man an Natalie Portman, Kate Beckinsale und Kirsten Dunst denkt, so hat man schon einen guten Eindruck von Marie Bierstedts Stimme im geistigen Ohr. Die Frau ist ja kein unbeschriebenes Blatt, sondern hat schon an unzähligen Hörspielproduktionen teilgenommen, häufig neben Detlef Bierstedt.

Nach ein paar Anfangsschwierigkeiten gelangt Bierstedt schnell in ruhiges Fahrwasser, in dem sie ihre Routine ausspielen kann. Sie hat auf dieser Aufnahme eine recht hohe und nicht besonders kräftige Stimme. Sie flüstert und faucht, ruft laut und kiekst auch mal sehr hoch. Max, die Ich-Erzählerin, ist sehr kräftig und kann durchaus sehr energisch klingen.

Ganz besonders geeignet ist ihre Stimme, wenn Maximum in der Ich-Form liebevoll und zärtlich von ihren Erlebnissen mit den Kids erzählt, und dann, wenn die Kinder unter sich sind. Die Vogelkinder befleißigen sich dann einer mitunter kindlichen, aufgeregten Ausdrucksweise, die Bierstedt auch mal zärtlich vorzutragen weiß.

Ich konnte nur einen einzigen Lesefehler feststellen, was bei einem so langen Text sehr wenig ist. Der Schwarm fliegt nach New York City und besucht dort an der Ecke Central Park und Fifth Avenue das weltbekannte Spielwarenkaufhaus F.A.O. Schwartz. Allerdings buchstabiert die Sprecherin es falsch, nämlich A.F.O, natürlich in Englisch.

Übrigens liest die Sprecherin die Kapitelüberschriften selbstverständlich nicht vor, sondern die Kapitel gehen ineinander über. Es sei denn, es findet einer der zahlreichen Szenenwechsel statt. Dem Hörer wird einiges an Aufmerksamkeit abverlangt. Doch mittlerweile scheint das Publikum kein Problem damit zu haben, bis zu vier Handlungssträngen parallel zu folgen. Hier sind es maximal drei.

|Die Musik|

Ein vom Piano betontes Intro und Extro umschließt die Lesung wie eine Klammer. Das Intro stimmt mit romantisch-dramatischen Kadenzen, die dezent in Percussion und eine schöne Basslinie übergehen, auf die Geschichte ein, und das Extro entlässt den Hörer wieder in die schnöde Wirklichkeit. Geräusche gibt es keine.

_Unterm Strich_

Für jugendliche Hörer ist „Das Pandora-Projekt“ ein spannendes Abenteuer mit interessanten Figuren, die eine faszinierende Eigenschaft haben: Sie können wie Vögel ohne Hilfsmittel fliegen. Dennoch sind sie Außenseiter, und da sich so mancher Pubertierender ebenfalls wie einer fühlt, dürften Max und Co. viel Sympathie ernten. Erwachsene Hörer könnten die Handlung vielleicht für etwas zu trivial halten, bloß weil Kinder darin vorkommen.

Aber auch Kinder werden ausgenutzt, in aller Welt. Sie werden versklavt und missbraucht, denn ihnen werden allzu häufig keine Rechte zugestanden. Der Autor warnt vor Kindesmissbrauch im Dienste der Wissenschaft, denn Profitjäger dürfte es auch unter den Weißkitteln geben. Und wenn denen dann auch noch ein Mutant unters Messer kommt, ist es mit den Menschenrechten gleich Essig. Mutanten stehen in der Welt, die Patterson schildert, auf einer Stufe mit Tieren.

Der Autor vertritt also unterschwellig berechtige Interessen für die Opfer solcher illegalen Praktiken und warnt vor den Folgen, wenn Experimente an Menschenkindern durchgeführt werden. Die Produkte der SCHULE sind genetisch labil und müssen feststellen, dass sie nur eine begrenzte Zeit zu leben haben. Die psychologischen Folgen einer solchen Entdeckung sind naturgemäß verheerend.

In die spannende Unterhaltung hat der Autor also ernste Themen gewoben, und dies hebt wohl das Buch ein wenig aus der Masse der Bücherflut heraus, die jährlich für jugendliche Leser produziert wird. Da Patterson ein Routinier ist, kann man sich darauf verlassen, dass er sein Garn ausgezeichnet zu spinnen versteht.

|Das Hörbuch|

Marie Bierstedt spricht den Text einfühlsam und mit Engagement, wobei sie besonders die Ich-Erzählerin Maximum Ride flexibel stimmlich in Szene setzt. Auf jeden Fall ist ihre Stimme angemessener für diese Geschichte für Jugendliche als die eines männlichen Sprechers – mit Ausnahme von Rufus Beck natürlich.

350 Minuten auf 5 CDs
Originaltitel: Maximum Ride: The Angel Experiment, 2005
Aus dem US-Englischen von Edda Petri
http://www.luebbe-audio.de