Pekearo, Nicholas – Wolfsrache

„Wolfsrache“ ist kein normaler Debütroman. Vielmehr handelt es sich um das erste und vermutlich auch einzige Buch des jungen New Yorkers Nicholas Pekearo. Dieser wurde 2007 bei seiner ehrenamtlichen Arbeit bei der Polizei erschossen. „Wolfsrache“ erscheint nun dank seines Lektors posthum.

Marlowe „Marley“ Higgins lebt in der amerikanischen Kleinstadt Evelyn und verbringt seine Zeit mit seiner Arbeit als Koch und mit Wirtshausschlägereien. Er ist als Rauf- und Trunkenbold verschrien, als Krimineller, doch niemand weiß, wie gefährlich er wirklich ist. Denn Marley hat ein dunkles Geheimnis: Jeden Monat zu Vollmond verwandelt er sich in einen Werwolf und muss einen Menschen umbringen, um das Biest in ihm zufrieden zu stellen.

Da alle Versuche, das Biest zu vertreiben oder die Verwandlung zu unterdrücken, fehlgeschlagen sind, hat er sich mit seinem Problem arrangiert und eine Tugend daraus gemacht. Wenn der Wolf ihn ruft, zieht er los, um Menschen zu töten, die es verdient haben: Mörder und Vergewaltiger. Eines Tages findet man in Evelyn die Leiche eines jungen Mädchens, wenig später die einer Prostituierten. Der Rosenmörder, wie er genannt wird, treibt sein Unwesen. Er hat wahllos Frauen in ganz Amerika getötet und ihnen dann Rosen in die leeren Augenhöhlen gesteckt. Marley beschließt, diesem Treiben beim nächsten Vollmond ein Ende zu setzen, doch etwas geht schief. Das Biest kann keine Fährte aufnehmen und tötet stattdessen einen Unschuldigen …

„Wolfsrache“ ist, trotz des Titels, mehr ein verdammt guter Thriller als ein Dark-Fantasy-Buch. Das merkt man schon daran, dass Marley das einzige übernatürliche Wesen im Buch ist und auch er ist noch ziemlich menschlich. Das Biest ist kein Teil von ihm, sondern mehr oder weniger ein unliebsamer Parasit, der einmal im Monat seinen Tribut fordert. Im Vordergrund steht deshalb die Suche nach dem Mörder. Marley ermittelt auf eigene Faust und das durchaus spannend. Er findet immer wieder interessante Zusammenhänge mit Hilfe Danny Pearces, dem Polizisten im Ort und seinem einzigen Freund. Allmählich steigert sich die Geschichte und deutet nach einer langen Strecke der Unwissenheit auf den Täter. Der Aufbau des Romans ist in dieser Hinsicht geradezu klassisch. Unterbrochen durch kurze Abrisse aus Marleys Vergangenheit und wenige, aber wichtige Nebenhandlungen baut sich eine konsistente Spannung auf, die zusätzlich durch die Figur des Marley aufrecht erhalten wird.

Marley Higgins als Figur ist der sprichwörtliche einsame Wolf. Ruppig, aber nicht herzlos, stets auf der Suche nach Trouble, aber zu intelligent für einen Proleten – Marley ist eine verkrachte Existenz, die mit den erotischen Lebemännern aus ähnlicher Literatur rein gar nichts zu tun hat. Er fügt einem Genre, das momentan stark weiblich besetzt ist, eine sehr männliche Perspektive hinzu, was unglaublich erfrischend ist. Da er aus der ersten Person berichtet, spielen seine Gedanken, Gefühle und Erinnerungen eine tragende Rolle. Sie helfen nicht nur dabei, seine Persönlichkeit in all ihren Facetten zu verstehen, sondern verleihen Marley als Figur und „Wolfsrache“ als Buch eine ungewöhnliche Tiefe.

Pekearos Schreibstil passt perfekt zu seinem Protagonisten. Lakonisch, humorvoll, intelligent, gleichzeitig aber auch derb, denn Marley ist nun mal keine besondere Frohnatur. Anschaulich und mit vielen expliziten Begriffen sowie ansprechenden Metaphern und anderen Sprachbildern erzählt der Autor und rundet damit das Gesamtpaket ab.

Man muss kein Fan des Dark-Fantasy-Genres sein, um Pekearos Debüt zu mögen, denn „Wolfsrache“ ist ein spannender Thriller mit einem etwas ungewöhnlichen Protagonisten. Das Buch verdient nicht nur Aufmerksamkeit wegen der tragischen Geschichte seines Autors, sondern vor allem wegen seiner literarischen Qualität.

|Originaltitel: The Wolfman
Deutsch von Bernhard Kleinschmidt
379 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3499252518|

http://www.rowohlt.de

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