Perplies, Bernd – Für die Krone (Magierdämmerung 1)

_Die |Magierdämmerung|-Reihe:_

01 _“Für die Krone“_
02 „Gegen die Zeit“ (Februar 2011)
03 – nur angekündigt –

Weit draußen im Meer, am mittelatlantischen Rücken, ist ein Tauchboot unterwegs. Es ist auf der Suche nach dem versunkenen Atlantis. Der „Professor“, der das Unterseeboot quasi gemietet hat, verfolgt allerdings ein gänzlich anderes Ziel als nur profane Forschung. Er sucht nach etwas, das die gesamte Welt verändern wird … und wird fündig!

Der junge Journalist Jonathan Kentham dagegen hat vorerst ganz andere Probleme. Er zerbricht sich gerade den Kopf darüber, ob er den mächtigen Abgeordneten Holbrook wohl irgendwie davon überzeugen kann, dass er, Jonathan, ein passender Schwiegersohn wäre. Bis er auf dem Heimweg vom Theater das Opfer eines Mordanschlages „findet“. Plötzlich ist er neuer Besitzer eines silbernen Ringes … und damit mächtiger Magie!

Zur gleichen Zeit sieht sich ein junges Mädchen namens Kendra durch eine Verkettung ungünstiger Umstände gezwungen, ihr bisheriges Zuhause in den schottischen Highlands zu verlassen. In Begleitung ihres Großvaters macht sie sich auf den Weg nach London. Doch schon bald stellt sich die Reise als äußerst schwierig heraus.

_Der Akteure gibt es viele:_

Da wäre zunächst einmal Jonathan zu nennen, grundanständig, ein wenig schüchtern und nahezu frei von Abenteuerlust. Aber neugierig ist er, wenn auch nicht gerade mit übermäßigem, detektivischem Spürsinn gesegnet. Und nachdem er erst einmal in diese Sache hineingestolpert ist, stellt er sich auch als durchaus mutig heraus.

Kendra ist ein burschikoser Wildfang, der seine Zeit am liebsten damit verbringt, durch die Wildnis zu schweifen, was im Hinblick auf die restliche Dorfbevölkerung nicht allzu verwunderlich ist. Der einzige Mensch, mit dem sie etwas verbindet, ist ihr Großvater, doch der mag sie offenbar nicht. Aber Kendra ist auch ein Dickkopf, was bedeutet, dass sie sich von dem brummigen Alten nicht einfach abweisen läßt.

Der alte Giles wiederum ist weit mehr als nur brummig. Er ist gewitzt, zäh und vor allem stark. Und er scheint eine ganze Menge mehr zu wissen als die meisten anderen.

Der schillerndste Charakter aber ist ein Magier. Ein lebhafter Mann von sprühender Intelligenz mit einer ausgeprägten poetischen Ader, allerdings dem Alkohol und den Drogen ein wenig zu sehr zugeneigt, launisch, überspannt, exzentrisch. Das Einzige, was bisher fehlt, sind die Depressionen. Vielleicht kommen die noch. Sein Name ist Holmes. Jupiter Holmes.

Der Bösewicht der Geschichte wirkt dagegen ein wenig blssß. Der distinguierte, elegante ältere Herr namens Wellington ist Lordmagier des Ordens des silbernen Kreises und seit Langem erbitterter Gegner des Ersten Lordmagiers Dunholm. Wellington ist mit der Rolle der Magier in der Welt nicht zufrieden. Und auch nicht mit ihrem magischen Potential. Ob er allerdings die Gründe, die er für sein Vorgehen nennt, tatsächlich selber glaubt, ist eher zweifelhaft. Der Mann will einfach so viel Macht, wie er nur irgend bekommen kann.

Einen unerwarteten Hauch von Farbe erhält die Seite der Antagonisten durch einen Killer, den alle nur „Franzose“ nennen. Das Einzige, was für den nahezu gesichtslosen, weil ziemlich vermummten Magier zählt, ist die Erledigung seines Auftrages. Mehr erfährt der Leser nicht über diesen Mann, sodass die Gegner zumindest ein Geheimnis zu bieten haben.

Alles in allem fand ich die Charakterzeichnung abwechslungsreich und ziemlich gelungen. Abgesehen von Wellington, der gern noch ein wenig mehr Charisma entwickeln darf, als er bisher zeigte, waren alle Personen, auch die Nebenfiguren, sehr lebendig geraten. Vor allem Jonathan ist in seiner zutiefst britischen Art sehr gut getroffen, und der alte Giles dürfte noch für eine Menge Überraschungen gut sein. Am besten aber gefiel mir Holmes.

Der Grund dafür liegt nicht allein in der literarischen Vorlage. Die Art und Weise, in der Bernd Perplies Doyles berühmte Figur für sein eigenes Buch sozusagen entliehen hat, kommt mit einem gewissen Augenzwinkern daher, so zum Beispiel in der Erklärung, wo Holmes stets so überraschend all die Informationen über Leute herhat, denen er nie zuvor begegnet ist. Und wenn Holmes selbst erklärt, dass er keineswegs dem berühmtesten Detektiv der Weltliteratur nacheifere, sondern im Gegenteil für die besagte Figur Pate gestanden habe, und gleichzeitig zugesteht, dass sein alter Freund Doyle ihn tatsächlich sehr gut getroffen habe, dann zeugt das von so viel charmanter Dreistigkeit, dass man dem Autor einfach nicht böse sein kann. Zumal Perplies‘ Holmes letztlich vor allem eines ist: eine Hommage an den Erfinder des Meisterdetektivs, Sir Arthur Conan Doyle. Gleiches gilt auch für die |Nautilus|.

Im Übrigen finden sich über das Buch verteilt immer wieder kleine Anspielungen auf andere Werke, zum Beispiel die „Schatzinsel“ oder Poes „The Raven“. Perplies spielt ganz offen mit diesen kleinen literarischen Details, da er sie aber großteils als Bestandteil seiner Geschichte einbaut, verleiht er ihnen damit gewissermaßen Realität und seinem Buch dadurch eine gewisse Note.

Aber auch ohne diese Würze der besonderen Art ist dem Autor die Darstellung seines Hintergrundes hervorragend gelungen. Frei von epischer Weitschweifigkeit, beinahe nebenbei, hat er das Leben in London kurz vor der Jahrhundertwende ausgesprochen treffend skizziert: Theaterbesuche, der Empfang des französischen Botschafters, Spaziergänge auf der Promenade, die Mischung aus Kutschen und frühen Automobilen gehören ebenso dazu wie dunkle Gassen, Schlachthöfe, Kneipen und Schlupflöcher von Verbrechern in verrufenen Vierteln.

Selbst den phantastischen Aspekt hat er passenderweise in einer Geheimloge angesiedelt. Die Magie wird als leuchtende Fäden beschrieben, die alles – je nach Lebenskraft unterschiedlich stark – miteinander verbinden. Man kann sie bündeln, umlenken, voneinander lösen oder miteinander verknüpfen, je nach Bedarf. Eine recht praktische und leicht nachvollziehbare Art und Weise, Dinge ohne sichtbare Beeinflussung zu bewerkstelligen, und wunderbar geeignet für alle möglichen Arten von magischen Duellen.

Dieser Umstand wird auch ausgiebig genutzt. Gleich dreimal, den Showdown nicht eingerechnet, kommt es im Laufe der Handlung zu magischen Handgreiflichkeiten. Und wenn gerade mal nicht gekämpft wird, wird Detektivarbeit geleistet. Beide Aspekte sind nahtlos und fließend miteinander verbunden, und im Falle der Detektivarbeit auch höchst vergnüglich erzählt. Details über das Wesen der Magie und ihre Auswirkungen finden sich in den Gesprächen zwischen Kendra und ihrem Großvater sowie in dem dünnen Handlungsfaden, der im Prolog seinen Ausgang nimmt und dann erst zum Showdown wieder an Bedeutung gewinnt. Im Gegensatz zu diesem feinen Nebenstrang sind die Ereignisse um Kendra ebenfalls mit den Ereignissen in London verknüpft, und auch hier sind die Nahtstellen sauber und glatt gestaltet.

So wirkt die Handlung insgesamt abwechslungsreich und lebhaft, sie ist frei von Längen, Durchhängern oder logischen Brüchen. Gegen Ende nimmt das Erzähltempo noch zusätzlich Fahrt auf, auch der Spannungsbogen wird an dieser Stelle spürbar straffer. Der Showdown schließlich würfelt die Personenkonstellation einmal gehörig durcheinander und schafft eine interessante neue Ausgangssituation für den nächsten Band.

_Um es endlich auf den Punkt zu bringen:_

Dieses Buch war durchweg ein gelungener Wurf. Die Charaktere sind glaubhaft und fast ausnahmslos jenseits des Klischees, die Beschreibung des Hintergrundes lebendig und facettenreich, die Handlung eine spritzige Mischung aus Krimi und Fantasy. Das Ganze gewürzt mit einer Prise Weltliteratur sowie einem Schuss Ironie, und fertig ist der unterhaltsame Lesegenuss. Da stört es auch nicht, dass Jonathan und seine Begleiter auf dem Weg vom Drury Lane Theater zum Trafalgar Square einmal in die falsche Richtung abgebogen sind. Das konnte ich, die ich noch nie in London war, überhaupt nur anhand der sehr gut lesbaren Karte im hinteren Buchdeckel feststellen.

Bernd Perplies studierte Germanistik und Filmwissenschaften und arbeitet seither als Redakteur für filmportal.de sowie als Übersetzer. Bereits mit seiner |Tarean|-Trilogie hatte er großen Erfolg. Die Fortsetzung zu seinem neuen Zyklus |Magierdämmerung| unter dem Titel „Gegen die Zeit“ soll im Februar nächsten Jahres erscheinen.

|Taschenbuch: 439 Seiten
ISBN-13: 978-3802582646|
[www.bernd-perplies.de]http://www.bernd-perplies.de

_Bernd Perplies bei |Buchwurm.info|:_
[„Tarean – Sohn des Fluchbringers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=5678 (Tarean Band 1)

Schreibe einen Kommentar