Picoult, Jodi – In den Augen der Anderen

_Aus dem Inhalt_

Zum Inhalt des Buches ist besser nicht zu viel zu verraten. Jacob ein 18-Jähriger, der am Asperger Syndrom leidet, liebevoll und doch auch nervig von seiner Mutter Emma umsorgt, gerät unter Verdacht, eine junge Frau ermordet zu haben, die zuvor von Emma verpflichtet worden war, sich wöchentlich einmal mit ihm zu befassen, und da diese Studentin gerade eine Masterarbeit über besagtes Syndrom schrieb, kam ihr das sehr zu pass.

Ein Kennzeichen dieser vor noch nicht allzu langer Zeit entdeckten Krankheit ist aber, dass man sich selbst zwar nicht sonderlich vertrauenswürdig verhält, wenn man auch stets bei der Wahrheit bleibt, aber diese und unbedingtes Vertrauen einfordert. Überhaupt sind viele Dinge im Umgang mit Asperger Leidenden zu beachten, die einem als Marotte erscheinen können, aber krankhaft sind.

Theo sein jüngerer Bruder, der durch die Krankheit Jacobs doch als der Ältere fungiert, liebt und hasst seinen Bruder von ganzem Herzen. So hat Jacob noch nie einem Menschen je ein Geschenk gemacht. Selbst das muss Theo für seinen Bruder übernehmen. Auch Theo hat eine Marotte entwickelt und logiert in fremden Häusern, die zeitweilig leerstehen und abzuschließen scheint dort keiner.

Die Familie wurde vom Vater verlassen, der es nicht ertragen konnte, dass sein Sohn anders ist. Die Mutter, nun ganz allein auf sich gestellt, gestresst und finanziell am Limit angelangt, versucht beiden Söhnen gerecht zu werden. Als Jacob dann unter Mordverdacht steht, verliert sie den Blick auf ihren jüngeren Sohn und tut alles, um die Unschuld Jacobs zu beweisen. Jedoch regen sich selbst bei ihr immer wieder Zweifel, ob er wirklich unschuldig ist.

Zu den Passionen des Asperger Geplagten gehört auch eine detektivische Tätigkeit. Er hatte sich schon einmal in die Ermittlungen der Polizei eingeschaltet und die Sachlage genial interpretiert, so dass sich seine Version des Falles als zutreffend herausstellte. Das ist natürlich ideales Material für so etwas wie einen Kriminalroman.

Doch jetzt steht Jacob selbst unter Mordverdacht und vom scheinbar hilfsbereiten Inspektor umgarnt, geht die Mutter auf dessen Bitte ein, Jacob ins Polizeipräsidium zu bringen, was sich schnell als Fehlentscheidung herausstellt, denn die Methoden der Rechtsfindung nehmen wenig Rücksichten auf Jacobs Leiden. Derart hintergangen vom Gesetz, sucht die Mutter Hilfe bei einem jungen Anwalt, der sich jedoch im Strafrecht noch gar nicht so auskennt, sich aber stark engagiert. Mit viel Mühe und Aufopferung vertritt er den Angeklagten und findet nebenbei auch noch den Schlüssel zu Emmas Herzen.

_Erzählperspektiven satt_

Man kann nicht ein Buch nach dem anderen lesen, es braucht bei manchen Zeit, das Gelesene zu verarbeiten. Mit diesem Buch und überhaupt mit der Droge „Jodi Picoult“ ist es so.

Befremdend erscheint, sofern man dieses Buch von ihr als Erstes liest, dass man die Handlung aus der Sicht von sechs Personen erzählt bekommt. Jeder für sich bringt dem Leser seine Perspektive dessen nahe, was er erlebt. Sei es die von Jacob selber in der Hauptrolle oder seiner Mutter oder die seines Bruders. Noch weitere Personen tragen zum Inhalt dieses fesselnden Romans bei.

Dabei gebricht es keinem der Erzähler an Selbstbewusstsein, die Mutter vielleicht ausgenommen, die als Identifikationsfigur für die Leserinnen gedacht ist, die trotz quälender Zweifel wie eine Löwin um ihre beiden Söhne kämpft, je näher denen die Gefahr, desto größer ihre Energie. Am wenigsten Zweifel hat der Asperger Patient, der es für völlig selbstverständlich hält, dass sich die Welt und insbesondere seine Mutter völlig um ihn dreht.

Es scheint etwas durch von der Überlegenheit der Gehandicapten, die für jeden, der so etwas noch nicht erlebt hat, immer wieder eine Überraschung darstellt. Jacob kennt seinen IQ genau und weiß, dass dieser weit über dem Durchschnitt liegt. Die zu solchem Umgang notwendigen Nerven lässt man lieber bei der Lektüre, als das hautnah zu erleben.

_Fazit_

Wie immer, exzellent recherchiert, bringt uns die Autorin hier ein Syndrom nahe, das heute nicht mehr so selten ist, auch wenn noch nicht so lange als Krankheit eingestuft. Teilweise bringt es bei den Betroffenen Fähigkeiten mit sich, die erstaunen, aber die Anforderungen an die Umwelt sind immens. Das darin liegende Potenzial für eine Story und die Identifikationsmöglichkeiten mit den Angehörigen werden meisterhaft ausgeschöpft.

|Hardcover: 688 Seiten
ISBN-13: 978-3431038415|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de

_Jodi Picoult bei |Buchwurm.info|:_
[„Beim Leben meiner Schwester“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1736
[„Bis ans Ende aller Tage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3210

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