Pierre, DBC – Bunny und Blair

DBC Pierre hat sich mit seinem Debüt „Vernon God Little“ (Deutsche Übersetzung: [„Jesus von Texas“) 1336 eine große Anhängerschaft erschrieben, die er hofft, mit „Bunny und Blair“ bei Laune halten zu können.

Erneut setzt er auf sehr schräge Charaktere, denn die beiden im Titel erwähnten Brüder sind getrennte, siamesische Zwillinge, die in einem Heim leben. Sie haben die dreißig bereits überschritten, als sie das erste Mal aus Albion herauskommen und bei einer Art Projekt für eine Weile zu zweit in einer Wohnung in London leben dürfen.

Blair, der Stärkere von beiden, hofft, sich in der großen Stadt endlich seine sexuellen Träume erfüllen zu können, während der schwächliche Bunny am liebsten den ganzen Tag in der Badewanne sitzt, Alkohol trinkt und seinen Bruder mit dreisten Sprüchen aufstachelt. Blair, der ein wenig naiv ist, fällt auf die großherzigen Versprechen seines Chefs herein, was darin endet, dass er sich in das Bild einer jungen Kaukasierin verliebt, das von einem schmierigen Heiratsvermittler ins Internet gestellt wurde. Blair glaubt, das Mädchen seiner Träume gefunden zu haben, und macht sich mit seinem protestierenden Bruder und einem Bündel von Cocktailpulverpäckchen, die ähnlich wie Viagra wirken, auf den Weg zu Ludmilla.

Diese ist dem Leser bereits bekannt, denn zusammen mit den beiden ungleichen Brüdern bestreitet sie das Buch. Es wird erzählt, wie sie ihren aufdringlichen Großvater umbringt, indem sie ihm einen Handschuh in den Rachen schiebt, und wie sie hierauf von ihrer bitterarmen Familie in die nächste Stadt geschickt wird, wo sie mit ihren Englischkenntnissen etwas verdienen soll. Sie landet in der Bar eines windigen Heiratsvermittlers, der ihr auf die Pelle rückt, doch mit ihrer direkten, bäuerlichen Art hat sie dieses Problem sehr schnell im Griff.

Auf verschlungenen Wegen begegnen sich die drei Protagonisten und im Haus von Ludmillas Familie kommt es schließlich zum blutigen Showdown …

Eines vorweg: Wer schon „Jesus von Texas“ als Zumutung empfand, dem wird „Bunny und Blair“ auch nicht gefallen. Pierre kopiert die Geschichte zwar nicht, aber die Mittel bleiben die gleichen: ein paar schräge Vögel von Charakteren, ein politisch nicht ganz korrekter Schreibstil und eine Handlung zwischen echter Spannung, Verwirrung und Ratlosigkeit.

Besonders die Handlung ist ein wenig das Sorgenkind. Lange Zeit besteht sie hauptsächlich aus Wortgeplänkeln zwischen Bunny und Blair oder zwischen Ludmilla und ihrer Familie. Ziemlich langsam kommt Schwung in die Geschichte, wobei sie sich leider manchmal an ihren eigenen Kapriolen verschluckt. DBC Pierre hat ohne Frage ziemlich viel Fantasie, aber er schafft es nicht immer, sie auch in verständliche Bahnen zu lenken. Manchmal sind Sprünge im Plot, die der Leser nicht ganz nachvollziehen kann, und manchmal ist die Handlung so abgehoben, dass man sie beim besten Willen nicht mehr verstehen kann.

Tatsächlich ist das aber das kleinere Übel. Viel besorgniserregender ist, wie bereits erwähnt, der zähe, meterlange Vorspann, in dem einfach nichts passieren möchte. Wortgeplänkel und gelegentliche, banale („banal“ für DBC Pierre’sche Verhältnisse) Ereignisse sind nun wirklich kein Ersatz für einen durchkomponierten und zielorientierten Handlungsaufbau.

Die Charaktere dagegen begeistern, weil sie einfach unglaublich originell und urkomisch sind. Alleine schon die Wahl der Protagonisten – eine osteuropäische Landpomeranze und zwei ehemalige siamesische Zwillinge – ist schon derart ausgefallen, dass daraus nur Gutes erwachsen kann. Und tatsächlich. Unglaublich schillernd und individuell zeichnet Pierre die Personen, wobei er dabei oft auf Klischees zurückgreift und diese schlitzohrig übertreibt. Besonders Osteuropa hat es ihm in diesem Fall angetan, denn neben der Bauernschläue und der Dumpfbackigkeit, die er diesem Volk andichtet, bastelt er ihm auch eine ureigene Sprache. Begriffe wie „Mach die Futterluke dicht!“ oder „Sperr die Lauscherchen auf!“, „Du Ganter!“ oder „Klatsch deinen Kuckuck!“ sorgen dafür, dass man einen sehr guten Eindruck davon bekommt, wie Pierre sich die Bewohner von Ubil vorstellt. Ob das politisch korrekt ist, sei dahingestellt. Lustig ist es allemal und ein paar Lacher tun der transusigen Handlung ganz gut.

Pierres größte Stärke ist aber nach wie vor sein fantastischer Schreibstil. Wild und ungebändigt toben die Worte zwischen den Buchdeckeln herum und formen sich zu grandiosen Bildern und Metaphern. Über allem thront ein skurriler schwarzer Humor, der sich für nichts zu fein ist. Je dreckiger desto besser, und Pierre hat definitiv keine Berührungsängste, wenn es darum geht, Schimpfwörter zu benutzen. Empfindliche Gemüter mögen sich daran stören, aber tatsächlich passt dieser derbe Humor zu dem Buch und seinen Person wie die Faust aufs Auge.

Was Pierres Schreibstil neben dem Witz am meisten auszeichnet, ist sein Umgang mit der Sprache. Er biegt sie sich immer so zurecht, dass alles passt, das heißt, dass er Begriffe zweckentfremdet, seinen Personen eine sehr eigentümliche Sprache in den Mund legt oder sogar selbst Begriffe erfindet. Ein großes Lob gilt an dieser Stelle dem Übersetzer Henning Ahrens, der es geschafft hat, die Atmosphäre, die in Pierres englischsprachigen Büchern herrscht, ins Deutsche zu übertragen.

„Bunny und Blair“ hat durchaus seine Höhepunkte. Die originellen Charaktere und der Schreibstil sind ziemlich einzigartig in der Literaturwelt und machen das Buch, trotz schwacher Handlung, zu einem humoristischen Genuss. Trotzdem, Mister Pierre, das nächste Mal bitte mit etwas mehr Substanz! Dann wird es eines Tages ein Klassiker.

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