Poehl, Henning – Popeln

_Wer anderen in der Nase bohrt …_

… hat selbst nichts drin. Für so manch einen gibt es nicht Ekelhafteres und Abstoßenderes als die ständige Popelei im Riechkolben. Egal ob in der Schule, im Aufsichtsrat oder bei Gesellschaftsspieleabend – immerzu hat man jemanden in der Nähe, der sich diesem versteckten Hobby widmet, ohne dabei auf seine direkte Umwelt zu achten. Henning Poehl hat aus dieser Not eine Tugend gemacht. Er fand im „Popeln“ die perfekte Inspiration für ein neues Kartenspiel, das sich ausschließlich mit der vollkommen verpönten Angewohnheit beschäftigt. Und dabei hat er vor nichts und niemandem haltgemacht …

_Die Ernte der Nasenkoteletts_

In „Popeln“ geht es darum, so viele Innereien aus der Nase zu fischen, wie es eben geht. Allerdings lässt sich nicht jedes Kotelett problemlos aus den beiden Öffnungen ziehen. In „Popeln“ bedarf es nämlich gewisser Erfordernisse, um überhaupt seinen Finger in die Nase stecken zu können. Breite, Länge und Krümmungswinkel müssen angemessen sein, um die Ernte der Popel antreten zu können. Aber auch hier gilt: Je größer der Inhalt, desto schwerer seine Befreiung. Jedoch fragt sich bei den wirklich fiesen Illustrationen des Naseninneren, ob es nicht manchmal besser wäre, die punktetechnisch lukrativeren, großen Popel in der Nase zu lassen – denn wenn eines fest steht, dann dass „Popeln“ aus zeichnerischen Perspektive betrachtet definitiv nichts für sanfte Gemüter ist!

_Spielmaterial_

• 5 doppelseitig bedruckte Nasenkarten
• 21 Popelkarten in drei Größen
• 40 Nasenbohrkarten mit unterschiedlich langen, breiten und krummen Fingern
• 6 Erkältungskarten
• 2 grüne Popelwürfel

Nun, am Spielmaterial werden sich die Geschmäcker sicherlich scheiden, denn die Abbildungen der ‚Titelhelden‘ sind schon ziemlich eklig. Allerdings vermitteln sie somit auch ein sehr authentisches Gefühl, denn was könnte fieser in der Hand liegen als ein Popel. Aber alleine der Anblick der unterschiedlich großen Kügelchen verdirbt einem sofort den Appetit und macht das Ganze für all diejenigen, die sowieso schnell eine Gänsehaut bekommen, zu keinem echten Vergnügen. Ein wenig Auflockerung vermitteln diesbezüglich die recht skurrilen Fingerdarstellungen sowie die zehn unterschiedlichen Nasenformen, bei denen man vom Riechkolben eines Tattergreises bis hin zum typischen Boxerprofil alles entdeckt, was sich dem eigenwilligen Spielkonzept anpassen kann.

Man muss die Spielmaterialien letztendlich jedoch überwiegend auf Spielbarkeit und Stimmigkeit mit dem Hauptthema prüfen, und gerade darauf bezogen passen die Abbildungen zum inhaltlichen Background wie die Faust auf die Nase.

_Spielaufbau_

Bevor das Spiel beginnt, werden die unterschiedlichen Kartentypen voneinander getrennt und jeweils durchgemischt. Vier der fünf Nasen werden ausgewählt und anschließend in die Tischmitte gelegt. An der rechten Seite jeder Nase befindet sich eine Würfelsumme, die, mit den anderen Nasen addiert, zu Beginn des Spiels nie größer als acht sein darf. Weiterhin wird nun an jede Nase zur Rechten eine Popelkarte angelegt. Die Nasenbohrkarten werden nach dem Mischen an die Spieler aufgeteilt. Jeder bekommt fünf Karten, der Rest geht auf den Nachziehstapel. Hat jeder seine Karten in der Hand, kann das Spiel beginnen.

_Spielverlauf_

„Popeln“ ist in insgesamt fünf aufeinander folgende Phasen untergliedert, die Runde für Runde durchexerziert werden müssen, um schließlich die wertvollen Naseninhalte zu ergattern. Der Aufbau einer Runde sieht dabei wie folgt aus:

|1.) Nasen begutachten|

Zu Beginn des Spiels liegen die vier Nasen in einer bestimmten Anordnung offen auf dem Tisch. Allerdings kann diese Struktur jederzeit durchbrochen werden. Sollte man zum Beispiel mit der aktuell aufgedeckten Nase nicht zufrieden sein, besteht die Möglichkeit, in dieser Phase die Rückseite aufzudecken – und das bei beliebig vielen der vier Nasen. Hierbei sollte man stets berücksichtigen, welche Karten man auf der Hand hat und inwiefern diese nun unter neuen Bedingungen eingesetzt werden könnten.

|2.) Karten ausspielen|

In dieser Phase muss man mindestens eine seiner Nasenbohrkarten ausspielen. Es ist jedoch erlaubt, so viele Karten wie möglich auszuspielen. Jene Nasenbohrkarten zeigen jeweils eine Eigenschaft des darauf abgebildeten Fingers an. Es handelt sich dabei entweder um Länge, Breite oder Krümmung. Will man nun eine seiner Karten an die Nasen anlegen, ist darauf zu achten, dass die Werte der Karten kleiner oder gleich groß wie die der Nase sind, denn nur dann kann man sie auch anlegen. Ein Finger mit Länge 3 kann zum Beispiel nicht an eine Nase mit Länge 1 angelegt werden. Anders verhält es sich mit Sonderkarten. Einen Spezialfinger kann man jederzeit an jede Nase gesondert anlegen. Bei der späteren Ermittlung über den Gewinn von „Popeln“ kann dies entscheidend sein, da die Chancen mit solchen Mitteln definitiv größer sind. Wer indes eine Erkältung innehat, tauscht diese gegen einen weiteren Popel in einer Nase nach Wahl und erhöht somit die späteren Chancen, an dieser Nase erfolgreich zu ernten. Hat man schließlich keine Karten mehr, die man spielen möchte, geht es nun ans Popeln.

|3.) Popeln|

Nun geht es ans Eingemachte. In jeder Nase, die an allen Seiten bestückt ist (soll heißen mit Karten zu Länge, Krümmung und Breite des popelnden Fingers), darf man einmal bohren. Inwiefern man dabei erfolgreich ist, erfährt man durch die Würfel. Sowohl auf den Popelkarten als auch auf den Nasenkarten sind Würfelzahlen angegeben, die nun bei den entscheidenden Würfen in ihrer Summe nicht überschritten werden dürfen. Bonuspunkte gibt es allerdings, wenn die drei Werte der Finger mit denen der Nase übereinstimmen. Für jeden gleichen Wert erhält man beim Würfeln einen Bonuspunkt, ebenso beim Einsatz von Spezialfingern. Sollte das Resultat an einer Nase schließlich kleiner oder gleich groß sein wie der Nasenwert, dann erhält man den Popel und damit auch eine bestimmte Anzahl Popelpunkte. Anschließend muss man bei erfolgreichen Bohrereien an der betreffenden Nase einen Finger entfernen. Spezialfinger, die vorab platziert wurden, verschwinden hingegen in jedem Fall, selbst wenn die Popelei erfolglos war. Nachdem man schließlich an allen ‚vollständigen‘ Nasen gepopelt hat, ist der aktive Part der Runde nun beendet.

|4.) Nasen auffüllen|

Sobald jemand an einer Nase erfolgreich gepopelt hat, wird ein neuer Popel nachgelegt, sofern nicht noch übrige Popel dort abgelegt wurden. Dies geschieht nun in dieser Phase.

|5.) Karten nachziehen|

Bevor man nun an seinen linken Mitspieler übergibt, füllt man seine Kartenhand wieder auf fünf Karten auf. Damit ist der eigene Zug beendet

_Spielende_

Im Folgenden wird nun permanent weitergebohrt und -gepopelt, bis schließlich alle Nasen befreit sind und kein Popel mehr übrig ist. Sobald dies der Fall ist, werden die Finger wieder eingesteckt und die Schlusswertung wird eingeleitet. Jeder Popel hat, je nach Größe, einen bestimmten Punktewert. All diese Punkte zusammen ergeben das persönliche Endresultat. Wie gehabt gewinnt derjenige, der hier am besten abschneidet.

_Persönlicher Eindruck_

Nun, die ersten Eindrücke dieses merkwürdigen Spieltitels sind auch nach mehreren Runden nicht abgeklungen. „Popeln“ ist fies, abstoßend und ekelhaft und rein grafisch betrachtet wohl alles andere als ein Leckerli. Andererseits ist die Spielidee einfach klasse und mutig, darüber hinaus aber vor allem innovativ. Wer bitte schön hat sich denn schon mal damit auseinandergesetzt, was geschieht, wenn man den Finger in anderem Krümmungswinkel in die Nasenlöcher befördert? Und wem war bewusst, wie unterschiedlich die Techniken und Hindernisse beim Hinausbefördern des Naseninhalts tatsächlich sein können? Henning Poehl respektive der |Sphinx|-Verlag haben sich diese abstrusen Gedanken zu Eigen gemacht, um ein prinzipiell simpel strukturiertes, rein spieltechnisch jedoch rundum überzeugendes Konzept zu erstellen, das inhaltlich zwar geschmackliche Grenzen überschreiten mag, gerade deswegen aber so unheimlich interessant ist.

Dabei hat der Autor definitiv alle Scheuklappen abgelegt und auch vor krasseren Abbildungen nicht Halt gemacht, was jedoch nachgewiesen dem etwas ungewöhnlichen Humor des Ideengebers und des Spiels zugute kommt. Auch wenn man sich zu Beginn davor ekeln mag, die einzelnen Popelkarten überhaupt nur anzufassen, so muss man schlussendlich zugestehen, dass diese Authentizität erst den Reiz am Spiel ausmacht und man bedingungslos von einer sehr gelungenen Umsetzung des seltsamen Themas sprechen muss.

Der abstoßende Effekt wirkt indes nur bei den ersten Partien, genauer gesagt bis zu dem Zeitpunkt, an dem die strategische Komponente die visuelle aussticht. Doch selbst dann bleibt dieses Kartenspiel eine sehr unterhaltsame Sache, die man zu jeder Gelegenheit – na gut, vielleicht nicht gerade vor oder direkt nach den Mahlzeiten – auf den Tisch bringen kann. Ich kann jedenfalls nur dazu raten, die nächste Messe in Essen zu nutzen, um das Nasenhandwerk mal zu testen und ggf. auch abzugreifen!

http://www.sphinxspiele.de/

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