Price, Susan – Heer der Toten, Das (Elfling 2)

_Der |Elfling|-Zyklus:_

Band 1: [„Der Erbe der Krone“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6590
Band 2: _“Das Heer der Toten“_

_Wg. „Blutadler“: Craig Russell, mach Platz!_

Elfling ist von unmenschlicher Schönheit und zieht alle in seinen Bann, denn seine Mutter war eine Elfenfrau. Doch er ist auch der Sohn eines englischen Königs, und jetzt hat Elflings sterbender Vater ihn zu seinem Erben bestimmt. Doch Elfling hat Brüder, die als legitime Kinder des Königs bei Hofe aufgewachsen sind. Kein dreckiges Elfenbalg wird sie ihres Geburtsrechtes berauben! Sie glauben, mit ihm leichtes Spiel zu haben, doch er hat eine Verbündete, eine Kriegsmaid aus der Schar von Wodens Walküren.

In Band 1 hat Elfling die Krone errungen, doch der wichtigste Widersacher ist entkommen; Unwin, der älteste der legitimen Söhne von König Eamund. Nun hebt dieser im Schutz der christlichen Kirche unter Waliser, Sachsen und Dänen ein Heer aus, um sein Erbe zurückzuerobern. Er hat der Teufelsbrut Elfling einen grausamen Tod geschworen. Und er ist sogar bereit, den heiligen Frieden des Julfestes zu brechen, um seinen Schwur zu erfüllen … (abgewandelte Verlagsinfo)

_Die Autorin_

Susan Price, hat in Großbritannien 50 Bücher, meist für jüngere Leser, veröffentlicht. Sie wurde v.a. bekannt durch ihren Roman „Die Starckarm-Saga“ (The Sterckarm Handshake, 1998), der den renommierten Guardian Children’s Fiction Award erhielt und für die Carnegie Medal nominiert wurde. Mit „The Ghost Drum“ errang sie dann die begehrte Carnegie Medal. Sie lebt in den westlichen Midlands.

Serien:

|Ghost World|
1. „The Ghost Drum“ (1987)
2. „Ghost Song“ (1992)
3. „Ghost Dance“ (1993)

|Olly Spellmaker|
„Olly Spellmaker and the Hairy Horror“ (2004)
„Olly Spellmaker and the Sulky Smudge“ (2004)
„Elf Alert!“ (2005)

|Odin-Trilogie|
1. „Odin’s Voice“ (2005)
2. „Odin’s Queen“ (2006)
3. „Odin’s Son“ (2007)

_Handlung_

Elfling, der uneheliche Sohn von König Eamund, hat nach dessen Tod trotz allen Widerstands die Krone gewonnen – die Krone eines Elfengeborenen. Eine Walküre hat ihm erheblich dabei geholfen, den Widerstand der drei legitimen Königssöhne Unwin, Hunting und Wulfweard zu überwinden. Dabei tötete er Hunting, bekehrte Wulfweard und vertrieb Unwin ins dänische Exil.

Doch um das Leben des schwer verwundeten Wulfweard jat Elfling ein folgenreiches Opfer gebracht: Er hat seinem Liebes- und Kampfbund mit der Walküre entsagt und sich in die Hände Wodens, des Obergottes gegeben. Denn Woden hat bereits die Seele Wulfweards für sich beansprucht. Als Elfling auf Unwins Anwesen eintrifft und es für sich beansprucht, kann Wulfweard hier genesen. Die Hausherrin und Unwins Ehefrau, die Königstochter Kendidra, pflegt den Prinzen zusammen mit Elfling gesund. Sie ist erstaunt, dass der neue König sie und ihre Kinder am Leben lässt. Und er scheint wirklich nicht der Unmensch oder Teufel zu sein, als den ihn ihr Mann hingestellt hat. Nur ihr Sohn Godwin lehnt die „Elfenbrut“ von vornherein ab. Er wünscht sich seinen Vater zurück.

|Unwin Eamundssohn|

Und Woden, der nichts anbrennen lässt, kümmert sich bereits um Unwins Rückkehr. Schließlich hat Woden Aussicht auf viele Seelen von Kriegern, die er nach Walhalla rufen kann. In der Gestalt eines einäugigen Harfners begibt er sich an König Loverns nordsächsischen und vor allem christlichen Thron. Hier wartet Unwin auf seine Gelegenheit.

Sie scheint endlich gekommen zu sein, als der dänische Jarl Ingvald, der Bruder der dänischen Geisel Ingvi, überlegt, ob sich in diesem Land Beute machen ließe. Ingvald ist jedoch extrem vorsichtig, auch in seinen Tributzahlungen an Lovern. Doch kaum hat Woden seine Harfe erklingen lassen und sein Lied gesungen, als alle Herzen wie betäubt zur Schlacht streben. Und König Lovern, so scheint es, gibt frohgemut seinen Segen zum Kriegszug Unwins. Hinterher wundert sich der König allerdings, ob er all dies selbst gesagt hat …

|Die Insel|

Unwin brandschatzt und verwüstet Elflings Land, bis er nach Kingsborough gelangt, eine Stadt, die dem König selbst Pacht zahlt – daher ihr Name. Auch hier massakriert er sämtliche Männer und plündert die Vorräte. Es ist hier, wo Elflings Angebot eines Waffenstillstands ihn erreicht. Auf einer Flussinsel handeln Unwin, die Dänen und Elflings Sachsen die Bedingungen des Waffenstillstands aus, den Elflings unbedingt braucht, damit seine Männer die Ernte einbringen können. Tun sie dies nicht, droht eine Hungersnot. Er lässt sich neben der Geldforderung auf eine ungewöhnliche Bedingung Unwins ein: Dass er am Julfest in Julburg am Grab seiner Mutter Ealdfrith, einer Heiligen, beten darf. Elfling willigt ein. Der Harfner sieht es zusammen mit seiner Begleiterin, der wahnsinnigen Ebba, mit Genugtuung.

|Das Julfest|

Invi und Ingvald erkennen mit Entsetzen, dass Unwin ein für sie bislang unvorstellbares Verbrechen begehen will: den heiligen Frieden des Julfestes durch Waffengewalt zu brechen und den König zu ermorden. Er fühlt sich nicht an die Schwüre, die er einem Heiden gegenüber geleistet hat, nicht gebunden. Doch die beiden Dänen haben Unwin den Treueid geleistet und müssen nun mitmachen, ob sie wollen oder nicht.

Der Harfner Woden und Ebba, die wahnsinnige Prophetin, haben mitgeholfen, dass sich die Tore der Halle, in der Kendridas Leute das Julfest feiern wollen, unter dem Ansturm von Unwins Kriegerns öffnen. Woden hat Elflings Wachen in den Schlaf gesungen. Nun hofft er auf reiche Beute unter den Kriegern der nichtsahnenden Sachsen. Die Bluternte ist mehr als reichlich. Doch wo ist der König?

|Das Gräberfeld|

Es ist eine klirrend kalte Dezembernacht, als sich Elfling und Wulfweard, sein Bruder, der wie sein Zwilling aussieht, auf dem Gräberfeld hinter Unwins Brug einfinden. Sie entkleiden sich, um die ehrenvollen Toten zu ehren, wie es zu Jul bei den Sachsen Brauch ist. Nackt tanzen sie den Schwerterkampf, damit ihr Blut die Toten nähre.

Doch diesmal ist alles anders. Das gaffende Volk wird unversehens von hinten angegriffen und niedergemacht. Selbst vor dem Onkel des Königs macht Unwins Hass keinen Halt. Am Schluss stehen Elfling und Wulfweard, zwei nackte Männer, gegen einen ganzen Trupp Krieger. Was können sie schon ausrichten? Und doch wagt es Unwin nicht, sie selbst anzugreifen, wie die beiden Dänen verächtlich bemerken. Unwin hat geschworen, Elfling durch den Blutadler sterben zu lassen, doch selbst Hand anzulegen, dafür ist er sich zu fein. Auch hier muss Woden mit seiner Zauberharfe auftreten und Elfling mit den Runen der Macht bezwingen.

So kommt es, dass die beiden letzten Überlebenden des Gräberfeldes lebend gefangengenommen werden. Doch dies ist noch längst nicht das Ende vom Lied …

_Mein Eindruck_

Dieser Roman ist völlig anders aufgebaut als sein Vorgänger. Wo dort eine episodische Darstellung vorherrscht, bei der der Blickwinkel hin und her springt sowie zwischen den Episoden erhebliche Zeitunterschiede sichtbar werden, gibt es hier eine homogene Entwicklung. Das führt zu zwei Wirkungen: Die Katastrophe entfaltet eine viel stärkere Wucht, aber wir müssen lange darauf warten und geduldig sein.

|Frauenperspektive|

Wie zuvor sehen wir das Geschehen häufig aus der Perspektive von Frauen. Die „verrückte“ Prophetin Ebba, die Elfling liebend verehrt und daran verzweifelt, tritt auch hier wieder auf und begleitet den Gott Woden, der als Harfner auftritt, bei dessen magischem Treiben. Die Gegenfigur ist Unwins Frau Kendrida, die sich nach dem Verlust ihres geflohenen Mannes um Leib und Leben nicht nur ihrer selbst, sondern vor allem ihrer Kinder sorgt. Wir folgen ihrem Schicksal durch die ganze Geschichte hindurch, und es ist wahrlich kein leichtes Schicksal, das Woden und Unwin für sie vorgesehen haben. Unwin will alles Heidnische mit Stumpf und Stiel ausrotten. Weil Kendrida am Glauben ihrer Ahnen festhält, schwebt sie in Gefahr.

|Hauptfiguren|

Neben diesen langsamen Entwicklungen ist es unerlässlich, die Wandlungen der Hauptfiguren zu verstehen. Elfling hat seiner Walküre entsagt und sich in die Hand Wodens gegeben, um auf diese Weise Wulfweards Seele vor Walhalla retten zu können. Wulfweards Körper, durch Elflings Heilkunst am Leben gehalten, genest mit Hilfe der wiedergewonnenen Seele. Wir müssen verstehen, warum Elfling so viel für einen Bruder riskiert, den er nie zuvor gesehen hat: Er will einen Seelengefährten, der ihm in der Not beisteht. Dieser Wunsch setzt aber auch das sagenhafte Bild der Zwillingsbrüder Wodens um, die einander schützen. In der Stunde der Not zeigt sich, dass Elfling völlig im Recht ist.

Dieser Roman hält am heiligen Julfest Szenen größten Frevels ebenso wie größter Brutalität bereit. Das Massaker an den Bewohnern Julburgs ist schon schlimm genug, aber dann muss Elfling auch noch den Tod durch den Blutadler erleiden. Beim Blutadler werden die Rippen gebrochen und die Lungen auf den Rücken gezerrt, als wären sie Flügel. Das Opfer stirbt qualvoll. Elfling widerfährt dieses Schicksal, und er sieht dabei aus wie Woden selbst, der neun Tage an der Weltenesche hing.

Doch dann folgt wie bei Woden auch Elflings Wiederauferstehung. Wodens göttliche Magie beherrscht nämlich nicht nur das Leben, sondern auch den Tod. Als Elfling an der Spitze eines Heeres der Toten aus dem Gräberfeld und an Wulfweards Seite vor Unwin erscheint, scheint die Welt den Atem anzuhalten …

|Jesus vs. Woden|

Die Parallelen zur christlichen Mythologie vom Opfertods des Gottessohns und seiner Wiederauferstehung sind unübersehbar. Auch Elfling weiß wie Jehoschua von Nazareth, dass die Stunde und Weise seines Todes vorbestimmt ist und es ihm nichts nützt, sich dagegen zu wehren. Der Leser fragt sich unwillkürlich, ob sich Wodens oder Christie „Magie“ als stärker erweisen wird, wenn es darum geht, den Glauben der Sachsen festzulegen. Die Autorin hat sich dafür entschieden, dass Christi Verfechter Unwin nicht nur ein Frevler, sondern ein blutiger Verbrecher ist, der ganz besonders gegen Frauen und Kinder keine Gnade walten lässt – ganz im Gegensatz zu Elfling etwa.

|Todesmagie|

Dem Anhang ist zu entnehmen, dass Wodens Runenmagie, die Elfling wiedererweckt, in der Lieder-Edda zu finden ist. Aber die Erweckugn der Toten, die Wodenssohn Elfling vornimmt, ist Folkmusic-Freunden recht bekannt: Es ist das alte englische Volkslied von John Barleycorn (wie es z. B. die Gruppe TRAFFIC so schön interpretierte). John Barleycorn ist der Gerstenmann, und er wird natürlich zur Gerstensaft, also Alkohol verarbeitet. Als in John Barleycorn ist eine ältere Gottheit verewigt, nämlich Ing, der sächsische Gott der Fruchtbarkeit und der Jahreszeiten. Und an Jul, seinem Feiertag, kehren die Toten zurück – diesmal buchstäblich …

_Die Übersetzung _

Der Übersetzer hat nun gewechselt. War es zuvor Edda Petri, heißt er nun Marco Bülles. Das macht die Sache nicht besser. Bülles hat Probleme mit den alten Vergangenheitsformen von Verben wie „erschallen“. Auf Seite 96 schreibt er deshalb „erschall“ statt „erscholl“ und auf Seite 208 „verborg“ statt „verbarg“.

Auf Seite 130 lässt er ein Wort weg, vermutlich erschien es ihm überflüssig. „Er (…) nur hier, um seinen Vater zu sehen.“ Es ist anzunehmen, dass das fehlende Wort „war“ lautet.

Offensichtlich unbekannte, weil längst in Vergessenheit geratene Ortsbezeichnungen werden nicht erklärt. „Miklagard“ auf Seite 133 etwa war der Wikingername für Konstantinopel. Solche Dinge hätten in die Anmerkungen aufgenommen werden sollen.

_Unterm Strich_

Der Folgeband schließt die Duologie um den Elfling ab. Der Aufbau ist völlig anders als der des ersten Bandes, organischer und harmonischer. Deshalb mag so mancher Actionfreund das langsame Tempo des ersten Drittels bedauern, und so erging es auch mir. Doch die Wende im zweiten Drittel wird sorgfältig vorbereitet und wirkt deshalb sowohl wuchtiger als auch nachhaltiger. Gewalt, Blut und Empörung mischen sich in der Eroberung von Julsburg. Das Finale bildet dann den Ausgleich zu diesem negativen Tiefpunkt im Schicksal der Titelfigur: Der Gerechtigkeit wird mit Hilfe der Götter zum Recht verholfen.

Viele kleine Glanzpunkte machen diesen Roman sogar noch besser als seinen Vorgänger. Allerdings verlangen die metaphysischen Szenen, die uns die Autorin hier präsentiert, eine Offenheit des Geistes, zumal gegenüber der nordischen Mythologie und Religion. Hier ist der Obergott Woden kein Herrscher jenseits der Wolken, sondern ein aktiv Mitwirkender und Lenkender, der nicht nur seinen Schützling erst umbringt, sondern ihn dann auch noch wiederbelebt und zurück in die Welt schickt. Die Parallelen zum Christentum sind unübersehbar, die Botschaft ebenfalls: Wenn ihr schon einen Erlöser finden wollt, dann braucht ihr nicht nach Palästina fahren, um ihn zu suchen – es gab ihn schon lange in Skandinavien und Germanien (denn dort kamen die Sachsen her).

Im finalen Duell zwischen Unwin und Elfling stehen sich auch zwei Religionen gegenüber. Leider schneidet der christliche Vertreter nicht nur nach Punkten viel schlechter ab als sein „heidnischer“ Kontrahent: Unwin verliert wortwörtlich den Kopf. Solche Details wie abgeschlagene Köpfe und der gefürchtete Blutadler – denn wir aus Craig Russells gelichnamigem Thriller kennen – machen die Lektüre erst ab 14 Jahren geeignet.

|Taschenbuch: 304 Seiten
Originaltitel: Elfking (1995)
Aus dem Englischen von Marcel Bülles
ISBN-13: 978-3404206254|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de

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