Read, Cornelia – Schneeweißchen und Rosentot

Wer Lesestoff ein wenig abseits ausgelatschter Krimipfade sucht, der sollte einen näheren Blick auf Cornelia Reads Debütroman „Schneeweißchen und Rosentot“ werfen. Mit Madeline Dare hat Read eine eher ungewöhnliche Krimiheldin geschaffen, die ihren Fall erfrischend anders löst:

Madeline Dare ist eine Tochter aus ehemals gut betuchtem, alteingesessenem New Yorker Hause. Vom Glanz und Reichtum vergangener Tage ist in großen Teilen der Familie nur noch wenig übrig geblieben, auch wenn man gerne noch den Anschein wahren möchte. Zu ihrem eigenen Leidwesen lebt Madeline aber nicht mehr in New York, sondern ist ihrem Mann in das ländliche, langweilige Syracuse gefolgt. Während Ehemann Dean oft wochenlang in Kanada als Schienenschleifer arbeitet, schreibt Madeline für die „leichten“ Seiten der örtlichen Lokalzeitung Rezepttipps, Buchkritiken und Reiseempfehlungen.

In Syracuse passiert nicht viel Spektakuläres, und so berichtet man in Deans Familie immer wieder gerne von den Leichen zweier junger Mädchen, die vor neunzehn Jahren hier gefunden wurden. Der Fall wurde niemals gelöst. Stolz wird Madeline dann eines Tages bei einer gemütlichen Familienzusammenkunft auf der Farm von Deans Eltern ein Beweisstück präsentiert, von dem die Polizei nichts weiß. Madeline klappt bei dem Anblick die Kinnlade herunter, schließlich kann sie das Beweisstück ganz eindeutig ihrem Lieblingscousin Lapthorne zuordnen.

Und so ist Madelines Neugier entfacht. Sie muss unbedingt herausfinden, ob Lapthorne etwas mit den Morden zu tun hat, sonst hat sie keine ruhige Minute mehr. Sie fängt an, ein wenig nachzuforschen und Informationen zusammenzutragen. Doch offenbar macht sie das nicht unauffällig genug, denn plötzlich gibt es eine weitere Leiche. Obendrein offenbart sich ein beängstigender Zusammenhang zwischen den Morden: Alle Opfer werden wie Illustrationen zu bekannten Märchen inszeniert …

Wie eingangs bereits erwähnt, ist „Schneeweißchen und Rosentot“ kein Krimi von der Stange. Der Roman hat eine ausgeprägte belletristische Ader; der Krimiplot kommt erst ganz gemächlich in Fahrt, denn Read widmet sich erst einmal ausgiebig der Hauptfigur Madeline und ihren Lebensumständen. Bis die neunzehn Jahre zurückliegenden Morde überhaupt zu einem akuten Thema werden und Madeline ernsthafte Nachforschungen anstellt, dauert es eine ganze Weile.

Dass dennoch keine Langeweile aufkommt, ist vor allem Cornelia Reads unterhaltsamem Erzählstil zu verdanken. Sie erzählt ganz locker drauflos und offenbart dabei einen wunderbar trockenen Humor, der auch jene Passagen, die ohne viel Krimispannung auskommen müssen, unterhaltsam gestaltet.

Der Reiz der Geschichte liegt obendrein darin, dass Madeline eher zufällig in die ganze Sache hineinschliddert. Sie will gar keinen Mord aufklären und ist alles andere als eine knallharte, abgebrühte Investigativjournalistin. Alles, was sie will, ist die Gewissheit, dass ihr Lieblingscousin kein Mörder ist.

Dass ihr die Ermittlungen dann im weiteren Verlauf keine Ruhe mehr lassen und sie den Fall nun doch aufklären will, wird ihr teilweise selbst ein bisschen unheimlich. Doch da macht sich auch der Druck ihres Chefs bemerkbar, der mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen würde, dass Madeline nicht abgebrüht genug dafür ist, diese Geschichte bis zum Ende zu verfolgen. Und so bleibt Madeline doch am Ball. Unverhoffte Unterstützung bekommt sie dabei von ihrer alten Freundin Ellis. Und so schlingern die beiden als etwas chaotisches Ermittlerduo durch den Fall und sorgen schon durch ihre Art, die Sache anzupacken, für einige Spannung.

Es dauert zwar eine Weile, aber dafür entwickelt „Schneeweißchen und Rosentot“ sich dann im weiteren Verlauf umso spannender. Der Plot nimmt an Fahrt auf, Hinweise werden ausgestreut und der Leser kann miträtseln, wer hinter den Morden steckt. Das Ganze gipfelt in einem rasanten, nervenaufreibenden Finale, das man anfangs kaum für möglich gehalten hätte.

Protagonistin Madeline bringt man recht schnell Sympathien entgegen. Obwohl sie aus gutem Hause abstammt, ist sie überraschend bodenständig. Sie fühlt sich im eher provinziellen Syracuse zwar nicht besonders wohl, findet sich aber aus Liebe zum ihrem Mann Dean damit ab – zumindest solange Aussicht auf einen in nicht all zu ferner Zukunft anstehenden Ortswechsel besteht.

Dean stammt aus einfachen Verhältnissen. Seine Familie bewirtschaftet eine Farm, auf der Dean immer mal wieder aushilft und wo auch Madeline daher häufiger zu Besuch ist. Das scheint der alteingesessenen New Yorkerin aus guten Hause aber sympathischerweise eher wenig Bauchschmerzen zu verursachen. Ihre Herkunft spielt in ihrem gegenwärtigen Alltag kaum eine Rolle, und mit dem Upper-Class-Gehabe, das viele ihrer Verwandten an den Tag legen, kann sie eher wenig anfangen. Und so kann Madeline eben auf der Sympathieskala punkten.

Unterm Strich ist Cornelia Read mit „Schneeweißchen und Rosentot“ also ein außerordentlich vielversprechendes Debüt geglückt. Sie weiß mit einer sympathischen Protagonistin zu überzeugen und legt einen lockeren Schreibstil voll trockenen Humors an den Tag. Der Krimiplot kommt zwar aufgrund der ausgeprägten belletristischen Ader des Romans eher gemächlich in Gang, aber das mindert keinesfalls das Lesevergnügen. Der sich im Laufe des Romans entfaltende Krimiplot ist gut komponiert und entwickelt eine Spannung, die man in Anbetracht des eher gemütlich Starts kaum für möglich halten mag. Alles in allem ein erfrischender Krimispaß, der Lust auf weitere Bücher von Cornelia Read macht.

http://www.dtv.de

Schreibe einen Kommentar