Reichs, Kathy – Blut vergisst nicht

_Die |Temperance Brennan|-Serie:_

Band 01: „Tote lügen nicht“
Band 02: [„Knochenarbeit“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1229
Band 03: [„Lasst Knochen sprechen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1479
Band 04: „Durch Mark und Bein“
Band 05: „Knochenlese“
Band 06: „Mit Haut und Haar“
Band 07: [„Totenmontag“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=937
Band 08: [„Totgeglaubte leben länger“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2083
Band 09: [„Hals über Kopf“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4806
Band 10: „Knochen zu Asche“
Band 11: „Der Tod kommt wie gerufen“
Band 12: „Das Grab ist erst der Anfang“
Band 13: _“Blut vergisst nicht“_

[„Bones – Die Knochenjägerin: Tief begraben“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3355

Die verflixte 13 – man mag den Aberglauben nicht zu stark heraufbeschwören, doch angesichts der jüngsten Entwicklungen in den „Tempe Brennan“-Romanen von Kathy Reichs ist es nicht ganz abwegig, dass die insgesamt bereits 13. Ausgabe um die forensische Anthropologin eine Schlüsselrolle in der einst so erfolgsverwöhnten Karriere der Bestseller-Autorin einnehmen wird. Denn gerade in den letzten beiden Episoden musste man Reichs einen gewissen Hang zum Infotainment, nicht jedoch zur überzeugenden Thriller-Kunst attestieren. Und genau diesen Schritt gedenkt Reichs in ihrem aktuellen Roman zu intensivieren – weshalb „Blut vergisst nicht“ nicht ganz zu Unrecht wieder ins Kreuzfeuer der Kritik gerät.

_Story:_

Ein sechzigjähriger Taucher kommt bei einem Unfall unter Wasser auf tragische Art und Weise ums Leben. Kein ungewöhnlicher Fall für die Anthropologin Tempe Brennan, die lediglich Ungeschick und Unglück beim Verlust des Schnorchels als Grund für den unerwarteten Tod des betagten Mannes vermutet. Als die das Team der Spurensuche bei einer Routineuntersuchung jedoch herausfindet, dass es sich bei dem Verstorbenen um James ‚Spider‘ Lowry handeln soll, nimmt der Fall eine unverhofft komplexe Wendung an. Lowry wurde nämlich Ende der Sechziger als Opfer eines Hubschrauberabsturzes schon einmal als tot beklagt, sodass die Genanalyse des verstorbenen Tauchers für die beteiligten Beamten ein undurchschaubares Rätsel ist. Brennan setzt sich mit der Behörde zur Auffindung vermisster Kriegsopfer auf Hawaii in Verbindung und erreicht hierbei die Exhumierung eines weiteren Absturzopfers von 1968. Doch statt einer Klärung des Sachverhalts kommt es zu weiteren verschachtelten Aussagen, die den Widerspruch des zweifachen Todes immer weiter forcieren. Hinzu kommen merkwürdige Verbindungen in die lokale Drogenszene, die Brennans Ausflug in das Inselparadies alsbald zu einer gefährlichen Angelegenheit machen – die nicht gerade dadurch erleichtert wird, dass ihre beziehungsgestresste Tochter sowie ihr Ex-Liebhaber Ryan ebenfalls aufkreuzen und auch das private Umfeld der Anthropologin zu einem echten Pulverfass machen …

_Persönlicher Eindruck:_

Nehmen wir die positiven Fakten vorweg: Die Story fußt auf einigen brillanten Ideen, ist in ihrem Grundstock auch wirklich schön ausgearbeitet und hat auf der Spannungsebene ein Potenzial, welches problemlos mit den bisherigen Highlights aus dem Reichs/Brennan-Katalog mithalten kann. Hinzu kommen viele geschickte Wendungen, die den Leser auf immer neue Fährten führen und zudem auch den Handlungskomplex um viele Nuancen erweitern, von denen der Plot schlussendlich auch profitieren kann. So weit, so gut also. Allerdings ist die eigentliche Aufarbeitung der Story, analog zu den Entwicklungen der vorherigen Romane, nunmehr noch hektischer und inzwischen darauf fokussiert, Brennans Fachwissen bzw. generell die Arbeiten der Gerichtsmedizin und unzähliger anderer Organisationen näher darzustellen und dies als Basis des Romans zu nutzen. Dem entgegen ist der Ansatz, eine Geschichte zu erzählen, in die man schließlich besagte Facheinrichtungen einführt und deren Bedeutung im Rahmen der Spannungsaufbaus klärt, scheinbar nur noch ein Relikt älterer, berechtigt erfolgreicherer Tage.

Reichs genießt offenkundig ihre eigene Recherchearbeit und streckt die Beschreibungen von Örtlichkeiten, Begebenheiten und Institutionen weit über jenes Maß hinaus, welches man von einem temporeichen Thriller erwartet – und ertragen möchte. Dass die Handlung schließlich immer suspektere Züge annimmt und in vielen Passagen überhaupt nicht mehr authentisch wirkt, ja Reichs nicht nur einmal bereit ist, die Fäden aus der Hand zu geben, damit ihre Abhandlungen über den Vietnamkrieg oder die Organisation zur Identifikation von Kriegsopfern auch genügend Raum bekommen, ist stellenweise erschreckend, da schlicht und einfach nicht mehr viel von der Klasse übrig bleibt, die seinerzeit Werke wie „Knochenarbeit“ oder „Durch Mark und Bein“ auszeichneten. Wo sind die inhaltliche Tiefe, die prickelnden Momentaufnahmen und vor allem diese subtile Spannung hin? Diese Frage keimt im Verlauf des Buchs mehr als nur einmal auf.

Doch statt die Sache wieder ins Lot oder vor allem die durcheinander gewürfelten Elemente wieder in Reihe zu bringen, wird die Autorin immer mehr zum Opfer ihrer eigenen Hektik. Plötzlich drängen weitere Nebenspielwiesen in die Story, die zwar den losen Zusammenhang zu den vorherigen Büchern herstellen – nämlich die Techtelmechtel mit Ryan bzw. ihre eigene Familiengeschichte – die aber bei der Überfrachtung der Erzählung alles andere als produktiv sind. So ist zum Beispiel die Liebelei von Brennans Tochter völlig belanglos und unnötig in den Plot eingebunden und bekommt hierbei Freiheiten, die man lieber für den eigentlichen Fall hätte nutzen sollen. Ähnlich gestaltet es sich bei den sehr faktischen Darstellungen diverser Behörden, die zwar als Randnotizen relativ interessant sind, aber die Geschichte auch nicht derart auf Trab bringen, wie der schlichte, kompaktere Ansatz.

Die Schwerpunktverschiebung ist schließlich auch das größte Dilemma in „Blut vergisst nicht“. Kathy Reichs berichtet stellenweise mehr, als dass sie erzählt und scheint sich selber nicht so ganz sicher, ob sie nun herausforderndes Entertainment oder nüchternes Infotainment betreiben möchte. Beide Sparten werden in diesem Roman abgedeckt, doch da weder die Prioritäten ersichtlich sind, noch ein konkreter roter Faden im Spannungsaufbau bestätigt werden kann, verrennt sich die einstige Garantin literarischer Gourmetware wieder einmal in den vielen Facetten, die ihr Buch abdeckt. Kompakter hätten wir es gerne gesehen, den Fokus mehr auf das gerichtet, was den Kern des Inhalts ausmacht. Denn dann hätte „Blut vergisst nicht“ jene überragende Erzählung werden können, die in der objektiven Inhaltsangabe suggeriert wird. Aber mit derartigen Hypothesen kann und will man sich eben nicht zufriedengeben – nicht einmal als nicht ganz so kritischer Liebhaber der bis dato zwölf veröffentlichten „Brennan“-Romane!

|Hardcover: 384 Seiten
Originaltitel: Spider Bones
ISBN-13: 978-3896673244|
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