Reiss, R. Scott – Todesspiel

Der eigenen Regierung sollte man eigentlich vertrauen können. Die Betonung liegt auf „sollte“, denn der Brasilianer Rubens, die Hauptfigur in R. Scott Reiss‘ Thriller „Todesspiel“, macht die gegenteilige Erfahrung.

Von denen, die ihn schützen sollten, gelinkt und verraten, flüchtet er zusammen mit seiner Tochter, der Teenagerin Estrella, nach Amerika. Doch das nicht ohne Hintergedanken. Er war früher Leibwächter für den Präsidenten, dessen Regierungsstil einigen lokalen Gruppierungen nicht gefallen hat. Als dieser bei einem getarnten Anschlag ums Leben kommt, steht der loyale Rubens alleine da. Seine Gegenspieler glauben, er hätte wichtige Informationen, und setzen sein Haus in Brand. Dabei stirbt seine Frau Rosa und er beschließt, ihren Tod zu rächen.

Einen Anhaltspunkt hat er bereits. Er vermutet, dass der New Yorker Honor Evans seine Finger im Spiel hat. Also versucht er den Mann ausfindig zu machen, ohne dass seine geliebte Tochter etwas davon mitbekommt. Als ihm dies gelungen ist, muss er mitanhören, wie Honor und seine Familie grausam niedergemetzelt werden. Er erfährt, dass sein eigentlicher Feind nicht Evans, sondern ein Phantom namens Nestor ist. Nestor hat alles, was Rubens nicht hat: Ansehen, Macht und Einfluss. Der ehemalige Leibwächter hingegen ist nur ein weiterer illegaler Einwanderer in den überfüllten Stadtvierteln New Yorks. Doch er ist clever – und er hat Freunde …

David gegen Goliath – R. Scott Reiss erzählt keine neue Geschichte in seinem Buch. Er greift auf bekannte Themen zurück wie den Drogenhandel in Südamerika oder die Verwicklungen großer Unternehmungen in illegale Nebenaktivitäten. Es gibt genug Autoren, die aus Altbewährtem noch eine spannende Geschichte stricken können, doch Reiss gehört nicht dazu. „Todesspiel“ ist ein gut konstruierter Thriller mit solider Spannung, dem es an dem Besonderen fehlt. Die Handlung ist zwar meistens nicht vorhersehbar, aber richtig in Fahrt kommt sie trotzdem nicht.

Es ist insgesamt sehr schwierig, in „Todesspiel“ die Spreu vom Weizen zu trennen. Der Autor macht seinen Job gut. Die sprachliche Ausarbeitung ist sauber, flüssig und ohne Längen. Er gestaltet seine Geschichte lebendig und berichtet ausführlich, aber nicht ausschweifend über Gefühls- und Gedankenwelt seiner Hauptperson. Er geht gerade so tief ins Detail, dass man Rubens gut folgen kann. Trotzdem fällt es schwer, mit ihm warm zu werden. Er ist gut ausgearbeitet, aber einen Tick zu eindimensional. Er wirkt austauschbar und der Beweggrund seiner Handlungen – der Tod von Rosa – hätte ruhig etwas dramatischer dargestellt werden können.

Doch eine misslungene Figur ist Rubens deswegen nicht. R. Scott Reiss hat es in „Todesspiel“ einfach nicht geschafft, Handlung, Hauptperson und Sprache so lebendig werden zu lassen, dass man das Buch nicht zur Seite legen kann. Es ist folglich kein schlechter Thriller, sondern nur einer, der nicht wirklich zünden möchte.

|Originaltitel: The Animal Game
Aus dem Amerikanischen von Charlotte Breuer und Norbert Möllemann
ISBN-13: 978-3-548-26963-4
395 Seiten, Taschenbuch|
http://www.ullstein-taschenbuch.de

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