Remes, Ilkka – Ewige Nacht

Ilkka Remes ist der meistgelesene Autor in Finnland. Sein Name ist Garant für hochkarätige Spannungsliteratur von internationalem Format. Mit „Ewige Nacht“ erscheint nun erstmals ein Thriller von ihm in Deutschland.

Remes wurde 1962 im südostfinnischen Seengebiet geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften in London und war in Finnland und im Ausland im Medienbereich tätig. Remes‘ erster Thriller „Pääkallokehrääja“ („Der Totenkopffalter“, 1997) wurde auf Anhieb zum Bestseller. Seiher setzen sich seine Bücher regelmäßig an die Spitzen der Verkaufslisten.

_Story_

Als Anführer der militanten Öko-Organisation G1 arbeitet der deutsche Ralf Denk, der Sohn der RAF-Agentin Renate Kohler, schon lange an einem großen Plan. Nach dem Scheitern bei einer Demonstration in Genua muss er sein geheimnisvolles Vorhaben mit seiner neuen Komplizin Noora für eine Weile aufschieben. Zwei Jahre später scheint dann der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein. Er überfällt einen Geldtransporter auf dem Weg von Finnland nach Russland und trifft sich anschließend in einem Wald hinter der Grenze mit zwei russischen Komplizen, die ihm eine Kernladung besorgt haben. Denk tötet die beiden ‚Freunde‘ noch vor Ort und macht sich mit dem Sprengkörper wieder zurück auf den Weg nach Finnland. Den Fahrer des Transports bringt er aus Sicherheitsgründen nach dem erneuten Passieren der Grenze ebenfalls um.

Als die finnische Polizei von dem brutalen Raubmord erfährt, setzt sie den beleibten Terror-Spezialisten Timo Nortamo auf die Sache an. Nortamo ist Mitglied einer europäischen Spezialeinheit, die insgeheim auch als die modernere Version von Interpol gilt. Als er sich zusammen mit seinem Sohn in die Wahlheimat Brüssel begibt, soll er auf der Fähre nach Travemünde die dort befindlichen Gangster observieren. Doch sein Sohn, der vom mysteriösen Gerede seines Vaters fasziniert ist, vermasselt die Sache, indem er zu offensichtlich in der Nähe der Globalisierungsgegner herumschnüffelt. Timo und sein Sohn Aaro werden von Denk kurzerhand außer Gefecht gesetzt, und dieser weiß nun, dass man ihm auf der Spur ist.

Denk und seinen Helfern gelingt es schließlich zu fliehen, doch schon bald wieder taucht er wieder auf: erst als Entführer der Agentin Heidi Klötz, die mit ihrem unvorsichtigen Vorgehen den Selbstmord von Ralfs Bruder Theo einleitet, und dann in den Gemächern des Papstes, den er mit einem unentdeckten Virus, einer Mutation von Ebola, infiziert, um so ein Exempel zu statuieren. Doch die Motive seines Verbrechens bleiben weiterhin unklar, und erst als Timo und die TERA mit weltweiter Unterstützung mehr über die Vergangenheit von Ralf Denk in Erfahrung bringen, wird ihnen klar, welchen Plan Denk mit der gestohlenen Atombombe umsetzen möchte. In kürzester Zeit reist Timo Nortamo um die halbe Welt bis in den Kongo, der ehemaligen belgischen Kolonie, die sich laut eines frühen Bekennerschreibens von Denk als perfekter Zündort für die Bombe eignet. Für den Sicherheitsexperten Nortamo beginnt ein schonungsloser Wettlauf gegen die Zeit, der im weiteren Verlauf noch Wahrheiten ans Tageslicht bringen soll, die Timo sich nicht einmal in seinen grausamsten Träumen hätte vorstellen können …

_Meine Meinung_

„Ewige Nacht“ beginnt wie ein ganz normaler Krimi, der sich lediglich von anderen Sparten-Romanen darin unterscheidet, dass die Ermittlungen sich auf internationales Gebiet erstrecken. Ansonsten ist alles wie gehabt: Ein Geldtransport wird ausgeraubt, die Täter flüchten und die Polizei jagt ihnen her. Da Ilkka Remes zugleich auch noch von Anfang an beide Seiten schildert und man die Verbrecher noch vor dem eigentlichen Helden kennen lernt, ist die Befürchtung, dass die Spannung hierunter leiden wird, zunächst recht groß – aber das erweist sich zum Glück als Irrtum!

Schon nach kurzer Zeit stellt sich nämlich heraus, wie komplex die Geschichte eigentlich ist bzw. was Remes alles bedacht hat, um die Handlung mit immer neuen Wendungen zu versehen und so die Spannung ins Unermessliche zu steigern. Die große Frage nach dem ‚Warum‘ steht fortan im Vordergrund, und da holt der Wirtschaftsexperte Remes auch immer weiter aus. Im Mittelpunkt steht dabei das Land Belgien und dessen militante Vergangenheit während der Kolonialzeit. Ständig blickt der Autor in die grausame Zeit von König Leopold II. zurück, der damals gegen jegliche Menschenrecht verstieß, gegen die man nur verstoßen konnte, das Land beraubte und seine Menschen versklavte. Über diese landeseigene Geschichte entwickelt sich auch schließlich immer mehr das Verständis für das Handeln der Globalisierungsgegner. Denk, selber in Afrika aufgewachsen, hat lange Jahre als Molekularbiologe gearbeitet und sich dabei vor allem mit der Wirkung verschiedener Viren auseinandergesetzt. Auch im Bereich von Bio-Waffen kennt sich der Mann bestens aus, was ihm in den Achtzigern verschiedene Verbindungen in die Sowjetunion eingebracht hat, wo man damals schon mit einzelnen Bio-Waffen experimentierte. Schließlich hat man dort eine Waffe entwickelt, mit deren Hilfe gezielt bestimmte Rassen und Arten komplett ausgelöscht werden konnten. Dieses Wissen hat sich der Mann schließlich zur Hilfe gemacht, um seinen grausamen Plan in die Wirklichkeit umzusetzen. Nach zähem Hin und Her gehen die Ermittler daher auch davon aus, dass Denk mit der dem Papst injizierten Krankheit die gesamte kaukasische Rasse auslöschen und die Atombombe quasi als ‚Verteiler‘ nutzen möchte.

Doch wie passt dies in die Logik dieses Menschen? Warum sollte er ausgerechnet im Kongo eine Bombe zünden, die durch die nukleare Detonation wohl auch einen großen Teil der geliebten afrikanischen Bevölkerung töten würde? Dieses für die Ermittler wie Leser absonderliche Rätsel ist das Hauptmotiv des Romans und wird auch erst am Schluss gelüftet. Ebenso dauert es auch bis zum Ende, bis man die komplexen Verstrickungen der Vergangenheit der G1 durchschaut hat. Hierbei zeichnet sich Remes vor allem durch umfassendes Wissen in Bezug auf die Hintergründe der Herrschaft von König Leopold II. im Kongo aus und glänzt auch mit sehr vielen Fakten aus der Zeit des kalten Krieges bis hin zum Ende der Sowjetunion. Der Autor weiß, wovon er spricht und bindet reichlich Faktenwissen in die Story ein; lediglich die Figur des Papstes und natürlich die Akteure des Romans bleibt fiktiv, ansonsten orientiert sich Ilkka Remes an der aktuellen Politik mitsamt ihrem Kampf gegen das weltweite Terrornetzwerk.

Und was kann schon förderlicher sein als treffend angebrachtes, fundiertes Hintergrundwissen, wenn man die Intention hat, eine Story an die Realität anknüpfen und so authentisch wie möglich erscheinen zu lassen? Im Falle von „Ewige Nacht“ zeigt sich dies jedenfalls als äußerst wertvoll und kreiert aus dem ohnehin schon sehr lebendigen Werk einen mitreißenden Roman.

Andererseits hat Remes aber auch eine ganze Menge Gesellschatskritik hineingepackt. Gerade das durch die Kindermord-Skandale geplagte Belgien kommt in der Geschichte nicht sehr gut weg, denn der Autor bezieht schon sehr klar Strellung zu der menschenverachtenden Vergangenheit des Landes. Alleine deswegen weiß man im Laufe des Buches auch nie so recht, welche Position man nun einnehmen soll: Sowohl die Globalisierungsgegner um ihren Kopf Ralf Denk als auch die Ermittler der Terrororganisation kann man verstehen, wobei die Brutalität, mit der die G1 vorgeht, natürlich bei der Entscheidung zugunsten Nortamos und der TERA hilft. Aber ein nicht gerade kleines Fünkchen Wahrheit steckt schon in den Überlegungen des G1-Anführers, und darüber lohnt es sich auch über den Roman hinaus nachzudenken.

Das letzte wichtige Kriterium sind die zwischenmenschlichen Beziehungen in diesem Thriller. Da wäre zum einen die schüchterne Noora, die Denk blind folgt und ihm immer wieder vertraut, obwohl sie gar nicht weiß, welche Ziele er genau verfolgt. Doch sie lässt sich von dessen schicksalhafter Vergangenheit blenden und wird so leicht zum Spielball des Öko-Verfechters, der selbst vor unnötigen Mordanschlägen nicht Halt macht. Als sie ihm jedoch endlich in die Karten schaut, ist es bereits zu spät …

Auf der anderen Seite steht dann Timo Nortamo, der genau wie seine Frau ein absoluter Karrieremensch ist, dies aber bisweilen immer wieder bitter bereut. Sein Sohn kommt viel zu kurz und die Beziehung zu seiner Frau Soile leidet ebenfalls darunter, dass sich die beiden so selten sehen. Gerade als er sich vorgenommen hat, seinem Sohn in Brüssel etwas mehr Zeit zu schenken, wird er zu den Ermittlungen im Falle ‚Denk‘ abgestellt und muss feststellen, dass sich sein Beruf und seine Rolle als Vater einfach nicht vereinbaren lassen.

Tragische Helden, eine bittere Vergangenheit und eine ungewisse Zukunft – Ilkka Remes hat in seinem aktuellen Thriller eine perfekt abgestimmte, sehr wechselhafte und sich stetig wendende Geschichte erschaffen, die uns auch im Nachhinein noch zu fesseln vermag und auch einigen Grund zum Nachdenken gibt. Beim Gedanken an den letzten Satz eines jeden Kapitels bekomme ich jetzt noch immer eine Gänsehaut, und damit hat der finnische Star-Autor wohl auch sein Ziel erreicht. „Ewige Nacht“ ist einer der spannendsten Romane, die zurzeit auf dem Markt sind, und führt hoffentlich dazu, dass auch die übrigen Romane von Remes in deutscher Sprache veröffentlicht werden. Mein Fazit: Unbedingt empfehlenswert!

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