Ambrosius ist ein Zauberer, der mit seiner berufstätigen Frau Penthesileia auf einem Schloss in einem undurchdringlichen Gebirge Deutschlands lebt. Oft sind es ganz alltägliche, persönliche oder auch anrührende Dinge, die den Zauberer beschäftigen, doch in seinem langen Leben macht er auch Bekanntschaft mit illustren Persönlichkeiten und ihren Frauen, die unter leicht verfremdeten Namen auftreten, wie der Geheimdienstgeneral Markus Wolf, C.G. Jung, ein deutscher Physiker der Frühromantik namens Ritter oder gar Goethe.
Mit diesem erlauchten Kreis spricht Ambrosius über Gott und die Welt – im Sinne des Wortes. Was mit der rituellen morgendlichen Fütterung der anspruchsvollen Hauskatze und eifersüchtigen Bedenken des Zauberers wegen seiner schönen Frau beginnt, weitet sich bald zu einem Diskurs über naturromantische Vorstellungen von einer Belebtheit in der Physik sowie Überlegungen zu Staatstheorien, Gott und Christentum aus.
_Der Autor_
Der verheiratete Physiker Dr. Christian Rempel (1953) arbeitet für eine Berliner Hightech-Firma. In seinem Vorwort schreibt er, sein Buch wäre aus in einem Zeitraum von drei Jahren geschriebenen, lose zusammenhängenden Aufsätzen über den Zauberer Ambrosius entstanden.
_Ein netter Plausch mit Goethe, Markus Wolf und C.G. Jung_
Die fiktive Zusammenführung interessanter Persönlichkeiten ist es, was „Ambrosius“ auszeichnet. Der Autor hat dem Zauberer Ambrosius offensichtlich viele seiner eigenen Ansichten, Charaktereigenschaften und vielleicht auch einige seiner kleineren Schwächen mitgegeben. Diese Geschichten beruhen sowohl auf profundem geschichtlichem Wissen als auch realen persönlichen Erfahrungen und vermischen diese miteinander. Die erste Geschichte „Der Morgen“ schildert das frühmorgendliche, fast abergläubische Ritual der Fütterung der anspruchsvollen Hauskatze durch Ambrosius, was sehr humorvoll und für Katzenfreunde nachvollziehbar beschrieben ist. Hier sollte man aber nicht der Versuchung erliegen, „Ambrosius“ für eine liebe und nette Sammlung von humorigen Alltagsgeschichten zu halten, denn bereits in der nächsten Geschichte „Der Zauberer und der General“ stellt Rempel die Weichen für weitere Episoden seines Zauberers und anspruchsvolle, komplexe Themen.
Ausgezeichnet ist dabei die Präsentation dieser Gedanken in Dialogform. Das ungezwungene Gespräch des über ihre Frauen bekannten Generals und des Zauberers über die Frage eines gewissen Physikers namens [Ritter]http://de.wikipedia.org/wiki/Johann__Wilhelm__Ritter über seine Entdeckung von vermeintlich in sowohl der lebenden als auch toten Natur geltenden Prinzipien, von General Agnus alias Markus Wolf als „Disziplin“ bezeichnet, klingen so überzeugend und natürlich, als hätten diese Gespräche wirklich stattgefunden. Dies ist insbesondere köstlich, wenn der unter seiner Eifersucht leidende Ambrosius zu seinem Psychiater C.G. Althaus geht – und als Patient seinem Psychiater vielmehr eine Gralsgeschichte erzählt denn von ihm therapiert wird! Mit Prinzessin Diana über die Monarchie zu reden, hat auch seinen Reiz, mein persönliches Highlight ist jedoch das Gespräch von Ambrosius als Fuzzy4@world.de mit Johann.Andreä@schwaben.de, dem vermutlichen Autor der |Confessio Fraternitatis| und |Chymischen Hochzeit| der legendären Rosenkreuzer, das in Form eines Mailaustauschs erfolgt, bei dem die Antworten Andreäs in auf Altdeutsch getrimmter Sprache und passend verschnörkeltem Zeichensatz abgedruckt sind.
Obwohl Rempel betont, dass seine Aufsätze über einen längeren Zeitraum entstanden sind, fügen sie sich jedoch zu einem harmonischen Ganzen zusammen, Figuren und Gedanken aus älteren Geschichten treten oft erneut auf und werden weiterentwickelt. Dabei fallen störend einige Erzählungen auf, die nicht so ganz in den Rahmen passen und mir fast wie Lückenfüller in den ansonsten so konzentriert geschriebenen und gelungenen 170 Seiten des Buchs vorkommen. Etwas mehr Stringenz und weniger Abschweifung von den anspruchsvolleren Thematiken des Buches hätte hier gut getan; auch wenn der Autor zugesteht, eine dichterische und romantische Neigung zu haben die sich in positiver Weise auch im Buch widerspiegelt, wirken Dinge wie das Herbeizaubern eines Hamsters als Ersatz für den verstorbenen eines Kindes oder die oft etwas zu gefühlsduselnde Verehrung Ambrosius für seine Frau eher bremsend und deplatziert. Das Buch sollte am besten in kleinen Dosen gelesen werden, ein oder zwei Geschichten pro Tag reichen völlig aus, denn sie erfordern Konzentration und ein gewisses historisches Wissen und Interesse, regen zum Nachdenken und zur Diskussion an. Das Buch enthält zudem zwölf Illustrationen, die interessanterweise allesamt in gräulichen Erd/Naturfarben gehalten sind. Ihre Qualität schwankt leider sehr stark, einige gefielen mir sehr gut, andere hingegen gar nicht. Positiv aufgefallen ist mir die stärker als gewöhnliche Textnähe, die Illustrationen unterstützen so die Wirkung des Textes und stehen nicht, wie man es leider zu oft erlebt, als Einzelkunstwerke mit recht entferntem Bezug verloren im Text.
_Fazit:_
Amüsante Unterhaltung mit Anspruch. Die meisten Geschichten konnten mich überzeugen und sogar begeistern. An der vermeintlichen Kürze der zwölf Geschichten (170 Seiten) sollte man sich nicht stören, denn sie sind sehr gehaltvoll und bilden ein harmonisches Ganzes. Trotzdem, ein abschließendes Ende vermisse ich dennoch; „Ambrosius“ schließt offen und ein wenig unbefriedigend. Allerdings weckt es auch Hoffnungen auf einen weiteren Band über einen Tag aus dem Leben seiner Frau Penthesileia. Vielleicht geht diese noch einen Schritt weiter als „Ambrosius“ und bietet eine durchgehende Handlung – „Ambrosius“ ist eher geeignet für Freunde von knackigen Kurzgeschichten, die jedoch akzeptieren müssen, dass es sich empfiehlt, in Sequenz vom Anfang bis zum Ende zu lesen, da viele für das bessere Verständnis nötige Zusammenhänge zwischen den einzelnen Geschichten vorhanden sind.