Rickman, Phil – fünfte Kirche, Die

_Inhalt:_

Merrily Watkins ist einigermaßen beruhigt, als nach den schockierenden Ereignissen um den letzten Bischof nun ein neuer ernannt worden ist: Bernie Dunmore ist über sechzig und ziemlich phlegmatisch. Er ist auch nicht sehr für Veränderungen, und so behält Merrily ihren Posten als Beraterin für Spirituelle Grenzfragen bei. Kurz gesagt, als Exorzistin.

Die Wogen waren schon hochgegangen, als eine Frau diesen Posten erhielt – und dann noch eine, die verhältnismäßig jung und hübsch ist. Langsam aber kristallisieren sich deutlich abgegrenzte Meinungen dazu heraus. Die des Wicca-Glaubens, also der Hexen, lautet dahingehend, dass Merrily anachronistischer Soldat eines Irrglaubens ist. Die Gegenseite aber, der charismatische Glauben, sieht sie als verweichlicht, übertolerant und vom Wege abgewichen. Diese Personen sind es, mit denen Merrily zu ihrem Entsetzen in einer Fernsehshow auftreten muss. Und während sie sich noch nach beiden Seiten hin verteidigt, wirft ihr jemand im Zorn einen Informationsbrocken vor die Füße, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Es geht um ein altes Kirchengebäude, das längst aufgegeben worden ist und sich in Privatbesitz befindet.

Und nun muss Merrily sich mit einem wachsenden Hexenzirkel mit undurchsichtigem Oberhaupt auseinandersetzen und mit einem flammenden Prediger, der die Wicca-Anhänger vertreiben möchte. Das Ganze findet statt in einem gruseligen kleinen Dorf im Grenzgebiet zwischen England und Wales, in dem die Menschen offenbar immer nach eigenen Regeln gelebt haben. Zu dieser explosiven Mischung kommt dann auch noch ein Umstand, der sie in ihrer Eigenschaft als Exorzistin auf den Plan ruft – und dann verschwindet plötzlich eine Frau.

In all diesem gefährlichen Hin und Her verliert Merrily immer mal wieder Jane aus den Augen, ihre sechzehnjährige Tochter, die gerade die erste Liebe erlebt – was sie aber keineswegs davon abhält, quecksilbrig zu entkommen, wenn sie gerade stillhalten soll, um überall dort aufzutauchen, wo sie nicht sein sollte.

_Kritik:_

Es sind unter anderem die Gegensätze, die die Merrily-Watkins-Bücher so reizvoll machen. Merrily selbst als moderne Pfarrerin, die irgendwie in ein uraltes Amt hineingerutscht ist, ist schon an sich voller Kontraste. Ihre Tochter Jane bildet einen weiteren Gegenpunkt, da sie die Kirche für veraltet hält und ihre eigene Spiritualität eher in Naturglauben auszuleben versucht, während sie gleichzeitig ihrer Mutter aufrichtig zugetan ist.

Der fanatische Prediger und der aalglatte Hexer ergeben eine Art Zwei-Komponenten-Sprengstoff, und dass das Böse mal auf dieser, mal auf der anderen Seite des rational Erklärbaren zu suchen ist, hat auch seinen ganz eigenen Reiz. Obwohl das Thema etwas abgehoben ist, wirkt die Umsetzung nicht unglaubwürdig. Rickman schafft es immer wieder, Jenseitiges mit so viel Banalität und Norm zu verquicken, dass es sich nahtlos einfügt und als Teil des Ganzen geschluckt wird. Mit Merrily und Jane Watkins hat er zwei interessante, sympathische und vielschichtige Charaktere erschaffen, die dem Leser schnell am Herzen liegen. Und wenn es auch immer wieder ein paar Seiten dauert, bis man sich in den kleinen Ort an der walisischen Grenze eingefunden hat, so zappelt man danach doch ebenso schnell wieder im rickmanschen Spannungsgewebe.

_Fazit:_

„Die fünfte Kirche“ ist Teil drei der Merrily-Watkins-Reihe, und wer die ersten beiden schon gelesen hat, wird sich über ein Wiedersehen mit den beiden Protagonistinnen freuen. Vor allem ist es schön zu sehen, wie Jane sich entwickelt, der naseweise Spatz.

Rickman schreibt stilistisch sicher und atmosphärisch dicht; er hat eine ganz besondere Gabe, Stimmungen zu beschwören, Bilder vor dem Leserauge entstehen zu lassen, die eindringlich sind und zusammen mit der Handlung des Romans tief wirken. Wer sich bisher das Vergnügen einer Bekanntschaft mit den Watkins-Frauen hat entgehen lassen, dem kann ich nur ans Herz legen, das nachzuholen. Hier hat man Krimi, Mystery-Thriller und Psychogramm direkt neben dem detailreich und liebevoll gezeichneten Bild einer hochmodernen Kleinfamilie: Spannend, gruselig, witzig, traurig und schön. Top!

|Taschenbuch: 560 Seiten
Originaltitel: A Crown of Lights
Aus dem Englischen von Nicole Seifert
ISBN-13: 9783499249075|
[www.rowohlt.de]http://www.rowohlt.de
[www.philrickman.co.uk]http://www.philrickman.co.uk

_Phil Rickman bei |Buchwurm.info|:_
[„Mittwinternacht“ (Merrily Watkins 2) 6067

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