Roberson, Jennifer – Wolfssohn (Cheysuli 2)

Band 1: [„Dämonenkind“ 4409

Der zweite Teil der Neuveröffentlichung von Jennifer Robersons |Cheysuli|-Zyklus umfasst die Bände „Das Vermächtnis des Schwertes“ und „Die Spur des weißen Wolfs“.

Die erste Hälfte des Doppelbandes erzählt von Donal, dem Sohn von Alix und Duncan. Carillon hat ihn geschickt, um Aislinn von der Kristallinsel abzuholen. Zu seinem Schrecken muss Donal feststellen, dass Aislinn nicht unbeeinflusst geblieben ist. Und das ist es nicht allein. Schon kurze Zeit später erreicht die Nachricht von Electras Flucht den Palast in Muhjara. Das bedeutet erneut Krieg mit Solinde. Und als wäre das noch nicht genug, hält Osric von Atvia die Zeit für gekommen, den Tod seines Vaters zu sühnen …

Die zweite Hälfte ist wieder in der Ich-Form geschrieben, aus der Sicht von Donals Sohn Niall. Zusammen mit seinem Halbbruder Ian bricht er nach Atvia auf, um seine Cousine Gisella zu heiraten. Die Reise verläuft nicht ohne Hindernisse. Doch als Niall Atvia schließlich erreicht, muss er feststellen, dass seine bisherigen Schwierigkeiten nichts waren im Vergleich zu dem, was ihn nun erwartet!

_Die Fortsetzung ist damit in die nächste Generation weitergegangen. _Donal ist seinem Gefühl nach eigentlich Cheysuli, das eine Viertel homanischen Blutes zählt für ihn kaum. Umso schwerer ist es für ihn, sich in die homanische Welt einzufügen. Das fängt schon damit an, dass er um der Prophezeiung willen Carillons Tochter Aislinn heiraten muss, die für ihn eher wie eine Schwester ist, und das, obwohl sein Herz der jungen Sorcha gehört, die ihm bereits zwei Kinder geboren hat. Abgesehen davon, dass Donal mit einigen von Carillons Entscheidungen hadert, kommen auch massive Selbstzweifel dazu. Carillon ist bereits zu seinen Lebzeiten eine Legende, und Donal fürchtet, Carillons Fußstapfen könnten ihm viel zu groß sein. Es dauert eine ganze Weile, bis Donal bereit ist, tatsächlich Carillons Nachfolge anzutreten.

Aislinn ihrerseits hat schon als Kind gewusst, dass es in ihrem Leben niemals einen anderen Mann geben wird als Donal. Umso härter trifft sie die Erkenntnis, dass sie Donal mit Sorcha teilen soll. Doch Aislinn ist, obwohl nicht direkt mit Alix verwandt, mindestens genauso stur. Abgesehen davon ist sie eine starke und stolze junge Frau, und sie hat nicht die Absicht, eine Nebenbuhlerin zu dulden. Dies – zusammen mit der Tatsache, dass sie ihrer Mutter sehr ähnlich sieht und Electra sie massiv beeinflusst hat – wird zur schwerwiegenden Belastungsprobe für ihre Beziehung zu Donal, der sich davor fürchtet, ihr zu vertrauen.

Hatte Donal schon seine Probleme damit, Carillons Thron erben zu müssen, so hat Niall dieses Problem erst recht, denn im Gegensatz zu seinem Vater sieht er dem verstorbenen König auch noch ausgesprochen ähnlich! Und seine Mutter Aislinn lässt keine Gelegenheit aus, ihn an sein homanisches Erbe zu erinnern. Dabei wäre Niall viel lieber Cheysuli als Homaner, beneidet seinen Halbbruder Ian um dessen Aussehen und die unbewusste, wilde Anmut seiner Bewegungen. Vor allem aber leidet er darunter, dass er keinen Lir besitzt, obwohl er schon längst erwachsen ist, und dass ihm viele Cheysuli-Krieger deshalb die Anerkennung verweigern.

Doch das alles scheinen Kleinigkeiten im Hinblick auf die Ihlini. Denn auch hier hat es einen Generationenwechsel gegeben: Strahan ist Tynstars Sohn. Und obwohl er noch verhältnismäßig jung ist – für einen Ihlini! -, steht er seinem Vater in Grausamkeit und Intriganz in nichts nach. Lillith ist Tynstars Tochter und Strahans Halbschwester. Und sie kann ihrem Bruder locker das Wasser reichen.

Insgesamt ist die Charakterzeichnung genauso intensiv geraten wie die des Vorgängerbandes. Interessant fand ich außerdem einige Äußerungen von Tynstar und vor allem von Lillith in Bezug auf den Überlebenskampf der Ihlini. Zum ersten Mal wird hier eine Andeutung von Licht wahrnehmbar, das die andere Seite des Konflikts beleuchtet. Das macht Lillith nicht weniger gefährlich und weniger bösartig. Aber es leitet eine Entwicklung ein, die letztlich zwingend notwendig ist.

Denn die Prophezeiung verlangt ja nicht nur, dass vier Krieg führende Nationen sich vereinen müssen, sondern auch zwei verfeindete Völker. Und damit können nur Cheysuli und Ihlini gemeint sein. Vorerst scheint allerdings keines der beiden Völker an einer solchen Vereinigung auch nur annähernd interessiert. Kein Wunder bei den Vertretern, die die Ihlini bisher vorgeschickt haben. Aber das wird sich ändern. Und die Behutsamkeit, mit der die Autorin diese Veränderung einleitet, dürfte die Entwicklung realistisch halten.

_Was die Handlung betrifft_, so konzentriert sich die Autorin auch hier wieder hauptsächlich auf die inneren und zwischenmenschlichen Konflikte ihrer Figuren. Die Kriege mit Solinde und Atvia werden auch diesmal lediglich gestreift, Höhepunkte bilden da eher Donals Flucht von der Kristallinsel und Nialls Reisen nach Atvia und Valgaard. Die glaubwürdige Charakterzeichnung verhindert aber, dass es außerhalb der Actionszenen langweilig wird, zumal die Herausforderung, der Niall sich mit seiner Heirat stellt, einen ziemlich extravaganten Beigeschmack hat. Das Netz, in das er da hineingestolpert ist, ist schon ausgesprochen bösartig geknüpft!

Obwohl dieser zweite Band mit seinem Vorgänger problemlos mithalten kann, war ich zugegebenermaßen gelegentlich doch ziemlich ungehalten. Schon im ersten Band und noch weitaus mehr im zweiten empfand ich es als ziemlich unfair, dass die Cheysuli in Gegenwart eines Ihlini nicht auf ihre Magie zugreifen können, die Ihlini dagegen schon. Vor allem aber zwingt diese Prophezeiung Menschen derart rücksichtslos ihren Willen auf, dass es schon diktatorisch zu nennen ist, vor allem, da die Waffen so offensichtlich ungleich verteilt sind. Natürlich dient das dazu, die Leistung der Protagonisten nur umso heldenhafter erscheinen zu lassen. Ich find’s trotzdem unfair!

Dafür habe ich festgestellt, dass der von mir monierte Fehler in der Geographie gar keiner war. Denn Solinde liegt nicht südlich von Homana, sondern westlich davon, Solinde und Homana haben folglich beide Anteil am Gebirge im Norden. Tja, auch ein Rezensent ist nicht unfehlbar, und wer Karten lesen kann, ist klar im Vorteil!

_Bleibt zu sagen_, dass ich die Neuauflage dieses Zyklus durchaus begrüße. Er mag zwar nicht viel Neues bieten, wie kürzlich jemand dazu meinte, aber das muss ein Buch, das bereits zwanzig Jahre alt ist, auch nicht wirklich. Auf jeden Fall ist es einfallsreich und spannend erzählt und kann meiner Ansicht nach noch immer locker mit dem Gros an Neuerscheinungen mithalten. Angenehm ist auch, dass |Heyne| den nächsten Band bereits im Juni unter dem Titel „Die Tochter des Löwen“ in die Buchläden schickt, sodass der Leser bis zur Fortsetzung nicht schon wieder die Hälfte vergessen hat.

_Jennifer Roberson_ studierte englische Geschichte und war zunächst als Journalistin tätig, ehe sie Bücher zu schreiben begann. Der |Cheysuli|-Zyklus war ihr erstes Werk, seither hat sie eine ganze Reihe von Zyklen, Einzelromanen und Kurzgeschichten geschrieben, darunter die |Schwerttänzer|-Saga sowie die Historienromane „Lady of the Forest“ („Herrin der Wälder“, dt. 1996) und „Lady of Sherwood“ („Die Herrin von Sherwood“, dt. 2002). Die Autorin lebt mit einem Rudel Hunde und Katzen in Flagstaff/Arizona.

|Originaltitel: Chronicles of the Cheysuli: Legacy of the Sword; Track of the White Wolf, 1986/87
943 Seiten
Aus dem US-Englischen von Karin König|
http://www.cheysuli.com
http://www.heyne.de

Siehe ergänzend dazu auch die ausführliche [Rezension 4798 von Michael Matzer.

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