Roche, Charles (Zeller, Bernd) – Trockenzonen

_Vorsicht: Parodie mit Ekel- und Gähnfaktor!_

„Feuchtgebiete“ war für Mädchen. „Trockenzonen“ ist für Männer. Echte Männer. Schluss mit Schönheitswahn, Waschzwang und Duft-Terror! Männer müssen wieder Männer sein – und auch so riechen! (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Charles Roche ist ein Pseudonym. Dahinter verbirgt sich der vielfache Buchautor und frühere „Pardon“-Herausgeber Bernd Zeller.

_Der Sprecher_

Oliver Korittke, 1968 in Berlin geboren, trat schon als Sechsjähriger in der „Sesamstraße“ auf. Nach ersten Bühnen-Engagements folgte schließlich der endgültige Sprung zum Film. Bis heute hat er in über 50 Filmen mitgewirkt. Im Jahr 2000 erhielt er den Adolf-Grimme-Preis. (Verlagsinfo).

Regie führte Margrit Osterwold. Die Aufnahme erfolgte im Eimsbütteler Tonstudio, Hamburg.

_Inhalt_

|Vorwort|

Der Autor bezieht sich auf das Buch von Charlotte Roche und erklärt sein (satorisches) Gegenprogramm: „Nur ein Mann, der auch riecht, ist wirklich einer.“

|Das Hauptprogramm|

Helen aus „Feuchtgebiete“ macht die Bekanntschaft des neuen Patienten, der uns nie seinen Namen verrät und als Ich-Erzähler auftritt. Helen imponiert ihm mordsmäßig, weil sie Staub ohne Höschen, sondern mit dem Po wischt. Sie lehnt die Tyrannei der Hygiene bekanntlich ab, genau wie er. Er hat von Kindesbeinen an Parodontose gehabt, dass das Zahnfleisch blutete. Er schluckte das Blut natürlich. Das Zahnfleisch sieht jetzt aufgequollen wie eine Artischocke aus: seine Gesichtsmuschi. Doch jetzt steht eine Notoperation an: Auch seine Stoßzähne müssen raus. Und weil er schon mal dabei ist, entfernt ihm der Chirurg auch gleich den ungehinderten Bartwuchs.

Schon als Baby wäre er am liebsten gleich wieder ins Fruchtwasser zurückgeglitten und pinkelte stattdessen ins Badewasser. Zähneputzen und Unterhosetragen kam ebenso wenig infrage wie Abschütteln beim Pinkeln. Gelobt sei der Pissfleck. Daheim legt er sich in seine Trockenzone: eine Badewanne voll Moos und Dreck, den er sich extra von der Straße gesaugt hat. Sowohl das Geschirr in der Spüle wie auch das Moos im Flur bilden eine Feuchtbiotop, das gerne von Fröschen genutzt wird, die den Fliegen nachstellen.

Nachdem er einen Toleranzkurs an der VHS besucht hat, begibt er sich auf Mission, um die hygieneunterdrückten Männer seines Volkes zu befreien. Er muss sie vom Waschzwang befreien, damit sie richtige Männer sein können. In erstaunlich kurzer Zeit hat er es von Klubs und dem Rathausfoyer bis in die Talkshows und Trendmagazine geschafft. Botschaft: „Du bist dein eigenes Deo!“

|Bonusmaterial|

A) Fundstücke aus der Presse

– Riechen wie die Stars;
– Das aktuelle Interview mit Dr. Axel Fußpilz, einem Seifenforscher;
– Mode: Interview mit Yves St. Paint wider die Zweitunterhose;
– Abstimmung über die ultimative Geruchsquelle, moderiert von G. Jauche;
– Infos über die größten Hygieneirrtümer;
– Trendberichte über Dirk Bach und Amy Winehouse;
– In- und Out-Liste
– Tier und Mensch: In- und Out-Liste; Mega-in ist der Moschusochse;
– Lyrikecke mit einem Text von Charlotta Roche-Grünbein;
– Leser fragen, Experten antworten

B) Service: Was tun im Schwimmbad?

C) Verbrauchertipp: Shapoorückrufaktion durch alle Hersteller

D) Buchtipp: „Schmuddel-Ich“ von Constanze Ölich. Plot: Eine Frau bekennt sich, nach anfänglichen Vorbehalten, zu ihrem ungewaschenen Mann, die Kommunikation läuft ja jetzt nonverbal, und zu guter Letzt bauen sie ihr Bad zu einem Hobbyraum um.

_Mein Eindruck_

Man sollte sich immer vor Augen halten, dass dieser Text a) nicht ernst gemeint ist und b) eine Antwort auf Charlotte Roches Buch „Feuchtgebiete“ sein soll. Wer also den Text für bare Münze nimmt UND zugleich „Feuchtgebiete“ NICHT kennt, steht auf verlorenem Posten und darf sich mit einem Sechser im Klassenbuch setzen. Oder als Esel in die Ecke stellen, um sich zu schämen.

Ich rief mir zwar ins Gedächtnis, dass der Schreiber dieser Texte – sie kommen ja aus unterschiedlichen Verwendungsbereichen – von einer Satire-Zeitschrift kommt, doch was er mir dann vorsetzte, schlug auch mir gehörig auf den Magen: blutendes Zahnfleisch, Sperma, Kotze und dergleichen mehr, was ich gar nicht aufzählen will. Das Leben des Ich-Erzählers mutet dann schon eher putzig an: Feuchtgebiete und Trockenzonen.

Etwas bissiger fand ich dann schon die ironischen Angriffe des Autors auf die Mediengrößen hierzulande. Der Geruchsmissionar wird zum Politpromi, wie es ja schon mehreren Leuten widerfahren ist. Reinhold Beckmann erklärt sich solidarisch, ebenso Klaus Wowereit und Oskar Lafontaine. Nur Katja Riemann wagt es bei Johannes B. Kerner, Vorbehalte gegen den ungewaschenen Mann zu äußern, wird aber zur willkommenen Front, an der sich der Rebell mit dem Fußpilz profilieren kann. Was wäre ein Revoluzzer ohne seine Feinde? Eben: nichts.

Diesem amüsanten Teil schließen sich die obligatorischen Fingerübungen eines Parodisten an. Wer so etwas schon kennt, wird nicht überrascht werden. Und auch sonst bietet das Bonusmaterial wenig Überraschungen, vom Ekelfaktor ganz zu schweigen.

|Der Sprecher|

Oliver Korittke ist ja schon als Schauspieler nicht gerade eine Offenbarung, als Sprecher bietet er in dieser Hinsicht keine Überraschung. Er schafft es gerade mal, den Text fehlerfrei vorzutragen, ohne sich ständig zu verhaspeln. Aber von ihm dann auch noch zu erwarten, unterhaltsam und sogar WITZISCH zu sein, das wäre wirklich daneben.

Immerhin gelingen ihn ein paar emotionale Darstellungen, so etwa der schmerzerfüllte Ausdruck eines Türstehers, dem der Ich-Erzähler seine ungewaschenen Füße präsentiert. Auch die demagogischen Sprüche des Missionars der Antihygiene kommen so gut zur Geltung wie das laut johlende Volk seiner Jüngerschaft. Am besten sind noch der französisch näselnde Modeschöpfer Yves St. Paint und der ernst und tief daherdozierende Experte Dr. Axel Fußpilz.

Es gibt weder Musik noch Geräusche, was für eine solche Miniproduktion wahrscheinlich auch ein Overkill wäre.

_Unterm Strich_

Der Haupttext verschießt sein Pulver bereits in der ersten Viertelstunde, danach kommt nichts mehr, das den Ekelfaktor und Einfallsreichtum dieses Anfangs noch toppen kann. Die Missionarstour kennt man von etlichen Weltbekehrungswerken her. Über eine individuelle Psychologie, die über das Antibild, welches der ungewaschene Mann abgibt, hinausginge, kann man wohl kaum sprechen. Wieso er sich überhaupt auf eine Mission begibt, ist völlig unmotiviert.

Was entschieden fehlt, ist die Integration der Helen in einer menschlich interessanten Beziehung. Hier hätte es einen Konflikt geben müssen, wie ihn beispielsweise „Schmuddel-Ich“ ganz am Schluss andeutet. Hätte der Autor diesen Plot geschrieben, wäre die Story zwar platter, aber wesentlich unterhaltsamer geworden. Und man muss ja nicht unbedingt das Bad zum Hobbyraum umbauen. Man kann ja auch eine Party der Ungewaschenen darin veranstalten. Motto: Zurück ins Neanderthal!

|44 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3869090108|
http://www.hoerbuch-hamburg.de