Carrie Ryan – The Forest – Wald der tausend Augen

Die Trilogie:

Band 1: „The Forest – Wald der tausend Augen“
Band 2: „The Dead-Tossed Waves“ (noch ohne dt. Titel)
Band 3: „The Dark and Hollow Places“ (noch ohne dt. Titel)

Der Wald der tausend Nervtöter

Mary lebt nach einem Holocaust in einer abgeschlossenen Gemeinschaft hinter einem hohen Metallzaun, der die infizierten „Uneingeweihten“ fernhalten soll. Sie verliert zuerst den Vater, dann die Mutter an die Uneingeweihten und muss dem Orden der Schwestern beitreten, um überleben zu können. Doch die Regeln erweisen sich als Lug und Trug. Als ihr Dorf überrannt wird, bleibt ihr nur die Flucht in den Wald der tausend Augen. Doch damit hat die Jagd auf sie erst begonnen, denn hier herrschen die Uneingeweihten. Wird sie ihre Mutter und ihren Vater hier – rechtzeitig – wiedersehen?

Die Autorin

Carrie Ryan wurde in Greenville, South Carolina, geboren. Nach einem Jurastudium arbeitete sie als Staatsanwältin, bevor sie ihre eigene Praxis gründete. In ihrer Freizeit schreibt sie und hat mit „The Forest“ ihr Debüt veröffentlicht. Sie lebt mit ihrem Freund und zwei Katzen in Charlotte, North Carolina. Mehr Infos auf ihrer Homepage.

Handlung

Mary hat ihr ganzes Leben im Dorf der Schwesternschaft verbracht, das von einem stabilen Metallzaun und Wachtürmen geschützt, damit die Ungeweihten nicht eindringen und alle mit ihrer Krankheit infizieren. Mary hat bereits ihren Vater verloren, der zu den Ungeweihten draußen im umliegenden Wald der tausend Augen gegangen sein soll. Nun verliert sie auch noch ihre Mutter an den Wald der Ungeweihten, und zwar unter erschütternden Umständen: Mary muss mit ansehen, wie die Krankheit von ihrer Mutter Besitz ergreift.

Weil ihr Jugendfreund Harry nicht um ihre Hand anhält und ihr Bruder Jed und dessen Frau Beth sie nicht in seinen Haushalt aufnehmen, bleibt Mary nichts anderes übrig, als sich der Schwesternschaft anzuschließen. Doch die Oberin, Schwester Tabitha, hat Zweifel an Marys Hingabe an Gott und unterzieht sie einer Prüfung. Am Ende eines langen Tunnels führt eine Falltür an die Oberfläche: Es ist ein vom Wald umschlossener kleiner Garten, und die wilden Ungeweihten werden nur von einem schwachen Maschendrahtzaun abgehalten, über Mary herzufallen. Vor Entsetzen und Angst ist Mary, sich den strengen Regeln der Schwesternschaft zu unterwerfen.

Doch Mary ist ein neugieriges und rebellisches Mädchen. Ihre Mutter hat ihr einst vom Meer erzählt, doch die Schwestern leugnen die Existenz einer Welt da draußen, und wo hätte dann das Meer seinen Platz? Als sie sich um den verwundeten Wächter Travis kümmert, verliebt sie sich in den jungen Mann, obwohl der eigentlich ihrer besten Freundin Cassandra versprochen ist. Mary glaubt, Schwester Tabitha merke nicht, wie sie sich nächtens ans Bett des Jungen schleicht, und die angeblichen Gebete sind die Wundermärchen ihrer Mutter. Nun sehnt sich auch Travis nach dem Meer. Doch wo mag es sein?

Eines Nachts hört Mary, wie ein fremdes Mädchen ins Münster gebracht wird, und am nächsten Tag spricht sie mit ihr: Gabrielle stammt aus dem Draußen! Doch die Schwestern verschweigen dem Dorf, dass es dort draußen auch „Ungeweihte“ ohne Krankheit gibt. Eine Aussprache mit der Oberin führt nur dazu, dass Mary streng ihre Grenzen aufgezeigt werden – doch wenigstens darf sie wieder ins Dorf gehen. Wenig später ist Gabrielle verschwunden, doch dies ist nicht das Letzte, was Mary von ihr sehen wird.

Schwester Tabitha macht Ernst: Mary muss mit Harry verbunden werden, der um ihre Hand angehalten hat. Dumme Sache: Mary liebt ja inzwischen nicht ihn, sondern Travis. Doch Travis weigert sich, um ihre Hand anzuhalten, macht sie stattdessen nur noch schärfer auf ihn. Er ist nämlich offiziell mit Cass verlobt. Soll Mary nun ihrem Herzen oder ihrer Pflicht gegenüber dem Dorf gehorchen? Bevor es allerdings zum absolut letzten Gelöbnis kommen kann, geschieht etwas Unvorhergesehenes: Das Dorf wird überrannt!

Im Morgengrauen haben die Ungeweihten unter Führung Gabrielles den Zaun überwunden. Weil sie viel schneller agiert als ihre Schicksalsgenossen, gelingt es ihr, zahlreiche der Dörfler zu beißen und infizieren, die es nicht auf die Schutzplattformen geschafft haben. Mary und Harry entgehen nur um Haaresbreite dem Schicksal, zu einem der Ungeweihten zu werden. Sie schaffen es auf den abgesperrten Pfad, der tief in den Wald führt und den nur die Wächter und Schwestern kennen. Aber auch Mary weiß von seiner Existenz.

Als sich Cass, Travis, Jed und Beth ihnen anschließen, brechen Harry und Mary zu einer Expedition ins Ungewisse auf. Die gierigen Augen der Ungeweihten, angeführt von Gabrielle, folgen ihnen und lauern auf jede noch so kleine Unachtsamkeit …

Mein Eindruck

Wird es den Überlebenden gelingen, das von Mary erträumte Meer zu erreichen, falls es überhaupt existiert? Dies ist der Spannungsbogen, der die zweite Hälfte des Romans trägt. Das größte Hindernis ist dabei jenes andere Meeres des Todes, das der unzähligen Ungeweihten. Sie sind eine Art Zombies, die es auf die Lebenden abgesehen haben. Der Grund für diese Gier nach dem Blut der Lebenden ist unklar, und ebenso bleibt der Grund für die Seuche, deren Opfer die Ungeweihten geworden sind, im Dunkeln.

Die Autorin macht es sich ein bisschen einfach mit dieser Prämisse. Sie behauptet zwar in der Danksagung, sich über die medizinischen Grundlagen informiert zu haben, lässt ihre Hauptfigur nie erfahren, was das für eine Pandemie ist, die 99% der Menschheit zu Zombies macht. Man nicht unbedingt behaupten, dass dies ein Science-Fiction-Roman ist, denn dafür mangelt es eindeutig an der Science. Der Horror und seine allzu bekannten Schauereffekte überwiegen.

Religiosität

Vielmehr liegt der thematische Schwerpunkt des Romans ganz woanders. Es ist nämlich auch ein religiöser Roman. Das ist schon daran erkennbar, dass die Kranken zu „Ungeweihten“ erklärt worden sind, die Lebenden innerhalb des Zauns und des Dorfes aber Auserwählte und Gesegnete sind. (Wen diese Unterscheidung an M. Night Shyamalans Film „The Village“ (2004) erinnert, der liegt genau richtig.)

Die Schwesternschaft hat für diese Unterscheidung gesorgt und bläut sie den Dörflern immer wieder ein, bis die Dörfler denken, sie seien die letzten und EINZIGEN Menschen auf der Welt. Das können sie aber nur dank der Gnade Gottes sein. Um diese Gnade zu verdienen, so argumentieren die Schwestern, müssen die Dörfler peinlich genau dem Wort Gottes folgen – und dies steht in der von der Schwesternschaft redigierten SCHRIFT, die in jedem Haushalt liegt. Die Indoktrination geht also sehr weit.

Ketzerin

Umso verwunderlicher ist daher Marys Ketzertum. Sie ist vom Glauben abgefallen, weil die Vertreterinnen Gottes sie angelogen haben und weil ihr ihre Mutter einen anderen Glauben eingepflanzt hat, nämlich den ans Meer und an die Welt vor der Zerstörung. Es ist im Grunde eine traumartige Welt, die Mami da vorgaukelt, und Marys Freundin Cass hat sie stets belächelt. In einer Kopplung von Mutterliebe und Zukunftsglaube weigert sich Mary, die Hoffnung auf Verwirklichung ihres Traums vom Meer aufzugeben.

Damit infiziert sie auch ihren Lover Travis. Die Tragik, die Mary erst noch erkennen muss, liegt darin, dass sie nicht beides haben kann: Travis UND das Meer, sondern dazwischen wählen muss. Seltsam, dass Mary nie als Ketzerin angeklagt und ausgegrenzt wird, wie es jede männlich dominierte Gruppe, die auf ihr Überleben bedacht ist, täte.

Genervt

Dieses Paar deutet bereits die eigentliche Thematik des Romans an: Liebe. Und zwar Liebe in allen Formen, nicht bloß Eros, sondern auch Agape. Weil Mary noch ein junges Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden ist (und natürlich Jungfrau), ist jede Herzensregung von größter Wichtigkeit und Vehemenz. Kurz und gut: Sie flennt bei jeder sich bietenden Gelegenheit und reiht auch reihenweise in Ohnmacht.

Kein Wunder also, dass mich ihre Figur extrem genervt hat. Der Umstand, dass sie uns in Tagebuchstil als Ich-Erzählerin im Präsens alles brüharm erzählt und jede kleinste banale Regung auf die Nase bindet, hat sie mir nicht sympathischer gemacht. Es gab Stellen, an denen ich mich zwingen musste weiterzulesen. Ich hoffte darauf herauszufinden, ob sie es ans Meer schafft oder nicht. (Und das werde ich bestimmt nicht verraten.) Diese Hoffnung wenigstens wurde wenigstens erfüllt.

Die Übersetzung

Die Übersetzerin Catrin Fischer hat keine gravierenden Bedeutungs- oder Stilfehler gemacht, soweit ich feststellen konnte. Dafür wimmelt es von Nachlässigkeiten bei den Kasusendungen, manchmal fehlen sogar Buchstaben.

Beispiele gefällig? Die Seite 100 beginnt mit dem typisch Satz: „Ich schlage einen Bogen um die Wohnhäuser, wedele mit den Armen, um mich warm zu halten, um mache mich auf den Weg zum Dorfhügel.“ Was gemerkt? Vor dem „mache“ müsste statt des dritten „um“ in diesem Satz ein „und“ stehen.

Auch auf Seite 114 ist so eine Nachlässigkeit zu finden. „… das Zimmer ist leer, kein Leinen auf dem Bett oder irgendein anderer Hinweis darauf, das (sic!) vor Kurzem noch ein Gast diesen Raum bewohnt hat.“ Statt „das“ müsste es natürlich „dass“ heißen.

Fazit: Die Endfassung unterscheidet sich von der unkorrigierten Vorabfassung, die ich ebenfalls besitze, in keinster Weise. Merke: Kein segensreicher Korrektor legte hier Hand an.

Unterm Strich

„The Forest“ tut so, als wäre es eine Horror-Fantasy über Zombies, doch im Grunde ist es vielmehr ein Liebes- und Glaubens-Roman. Die junge Mary ist eine Ketzerin, ohne dafür jedoch bestraft zu werden. Sie ist gerade mit ihrer erzwungenen Verheiratung und einer verbotenen Liebe beschäftigt (typisch für sie), als ihr abgeschottetes Dorf von Zombies überrannt wird. Wer jetzt an Shyamalans „The Village“ denkt, liegt ziemlich richtig, nur dass im Film zu keiner Invasion kommt. Auf diese Weise wird Mary einer Entscheidung enthoben und kann mit ihrem Lover verduften. Vorerst ist sie in Sicherheit, geführt von ihrem Glauben, ihrer Liebe und ihrer Hoffnung, das Meer sehen zu können.

Dass Mary bei jeder sich bietenden Gelegenheit flennt und in Ohnmacht fällt, machte sie mir nichts sympathischer. Gnadenlos drängt uns die Autorin im Tagebuchstil jede banale Herzensregung ihrer Heldin auf, bis man das Buch am liebsten in die Ecke feuern möchte. Es ist eindeutig nicht für ein männliches Publikum geschrieben worden, sondern für Frauen, die unbedingt was Romantisches und halbwegs Spannendes verschlingen wollen. Sie können sich denn auch nach Herzenslust in den Herzensergießungen der armen, gequälten Mary suhlen. Mir wars zu viel.

Die Übersetzung

… verrät nicht nur jede Menge Nachlässigkeiten in Form von Druckfehlern, sondern auch sprachliche Unsicherheiten. Das Buch hat mich nicht begierig gemacht, mehr von dieser Autorin zu lesen. Frauen geht es dabei wohl anders.

Hardcover: 398 Seiten
Originaltitel: The Forest of Hands and Teeth
Aus dem US-Englischen von Catrin Fischer
ISBN-13: 978-3570160497

https://www.penguinrandomhouse.de/Verlag/cbj-Jugendbuecher/16000.rhd

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