Safier, David – Plötzlich Shakespeare

David Safier hat sich im deutschen Sprachraum einen Namen mit leicht lesbaren Komödien gemacht, die auf fantastischen und vollkommen abtrusen Grundideen basieren. In seinem Erstling [„Mieses Karma“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3977 ging es um Kim, die von einem Waschbecken erschlagen und – wegen Ansammlung schlechten Karmas – nur als Ameise wiedergeboren wurde.

In [„Jesus liebt mich“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5337 traf Marie (!) auf Jesus, der (natürlich in seinem Erstjob als Zimmermann) den Dachstuhl ihres Vaters reparieren sollte. An abwegigen Ideen mangelt es Safier also nicht. Das beweist er erneut in „Plötzlich Shakespeare“, wo er eine weibliche Protagonistin in ein total verrücktes Abenteuer wirft.

_Es geht um_ Rosa. Diese ist ziemlich deprimiert, da ihre große Liebe Jan demnächst das Ehegelübde ablegen will – allerdings mit einer anderen Frau. Ihr Plan, Jan mit einer großen Szene zurückzugewinnen, geht gründlich schief und so sitzt sie auf ihrer heimischen Couch und bläst Trübsal. Einzig Holgi, Rosas schwuler Freund, hält ihr das Händchen und empfiehlt ihr als Therapie einen One-Night-Stand. Rosa hat zwar ihre Zweifel, trotzdem lässt sie sich mit dem Schürzenjäger Axel ein. Die beiden gehen in den Zirkus, wo die Nummer des Hypnotiseurs Prospero Rosas Aufmerksamkeit erregt. Vor Publikum führt er Rückführungen durch, um Menschen ihre eigentliche Bestimmung aufzuzeigen. Rosa, die bestimmungstechnisch gerade absolut in den Seilen hängt, fühlt sich angesprochen. Nach der Vorführung landet sie in Prosperos Wohnwagen und der schickt sie prompt in ein früheres Leben.

Und klar, Rosa war natürlich nicht irgendwer: Sie findet sich im Körper von William Shakespeare wieder, der gerade versucht, einem Duell aus dem Weg zu gehen, ein Liebesgedicht für den Geheimdienstchef von England zu schreiben und den Earl of Essex mit der Gräfin Maria zu verkuppeln (Dramatiker zu sein, ist eben auch kein einfacher Job). Rosa ist ziemlich überfordert: Sie findet sich nicht nur in einem anderen Jahrhundert, sondern auch in einem männlichen Körper wieder. Und darüber hinaus soll sie auch noch gute Reime schreiben. Zwar wollte sie als Kind immer Musicalautorin werden, doch hatte es dafür eben nicht gereicht – aus gutem Grund, wie sie bisher dachte.

Shakespeare – als körperlose Stimme in Rosas Kopf – und Rosa raufen sich schließlich zusammen und bestehen alle möglichen Abenteuer bis Rosa die von Prospero gestellte Aufgabe erfüllt und herausfindet, was die wahre Liebe ist. Und der Leser darf abwechselnd schmunzeln oder laut loslachen, wenn Rosa mal wieder in ein Fettnäppchen tritt.

_Safier bringt in_ seinem Roman gleich zwei Erfolg versprechende literarische Konzepte zum Einsatz: Zum Einen ist „Plötzlich Shakespeare“ eine Zeitreisegeschichte mit all den Fallstricken, die so etwas mit sich bringt. Rosa hat keine Ahnung vom England des 16. Jahrhunderts. Ständig eckt sie mit Modernismen an oder ist unfähig, der Queen den nötigen Respekt entgegen zu bringen. Der Clash von Moderne und Vergangenheit ist immer wieder faszinierend zu beobachten, wobei man anmerken muss, dass Safier sich nicht wirklich lange mit historischer Recherche aufgehalten hat. Es gibt auffallend wenige historische Details und kaum etwas, dass man nicht aus „Shakespeare in Love“ oder auch „The Tudors“ hätte lernen können. Dadurch bleibt die historische Kulisse eben nur das – eine Kulisse, die kaum mit Leben gefüllt wird. Daraus hätte man definitiv mehr machen und damit dem Zeitreiseaspekt mehr Würze geben können.

Zum Anderen ist „Plötzlich Shakespeare“ eine Genderswap-Geschichte, es geht also darum, dass ein Charakter das Geschlecht wechselt. Und auch hieraus erwächst natürlich Komik. Shakespeare der Schürzenjäger wird, nachdem Rosa quasi „in ihn gefahren ist“ plötzlich zum Mönch. Rosa mag ihren neuen Körper nicht nackt sehen, sie mag ihn weder waschen, geschweige denn in ihm Sex haben. Während Shakespeare von den Möglichkeiten schwer angetan ist (wäre das doch die Gelegenheit, mal herauszufinden, wie sich Sex aus der anderen Perspektive anfühlt), ist Rosa hauptsächlich peinlich berührt.

Leider ergeht sich Safier häufig in Klischees oder wenig überraschenden Handlungselementen. Daraus macht er auch keinen Hehl, schließlich startet der Roman mit den Worten: „Au Mann, ich war ja so etwas von einem Frauenklischee!“ Und ja, Rosa ist eine Figur, die man so schon hundertmal gesehen hat. Sie ist ein bisschen pummelig, unglücklich verliebt, hängt in einem unbefriedigenden Job fest und ihr bester Freund ist schwul und dick (Marke Dirk Bach – knuddelig, aber harmlos). Darum liest sich „Plötzlich Shakespeare“ auch wie eine bunte Mischung aus „Bridget Jones“ und „Shakespeare in Love“. Tiefgang braucht der Leser also nicht zu erwarten und auch sprachlich ist dieses Potpourrie reichlich anspruchslos. Rosas Text ist mit Lachern gewürzt und betont flapsig dahin geschrieben. Shakespeare allerdings ist weit weniger gelungen, schließlich fühlte sich Safier offensichtlich nicht bemüßigt, ihm wenigstens die Anmutung eines historischen Charakters zu geben. Zu allem Überfluss ist Safier als Lösung für das Genderswap-Problem nichts besseres eingefallen, als Rosas und Shakepeares Erzählung nebeneinander zu stellen – wobei Shakepeare durch kursiven Text gekennzeichnet ist. Das reißt den Text künstlich auseinander und unterbricht den Lesefluss – ständig muss man sich mitten in einer Szene mit einem Wechsel des Erzählers auseinandersetzen. Das macht keinen Spaß und wirkt irgendwie uninspiriert. Das Problem des Perspektivwechsels hätte man sicherlich auch eleganter lösen können.

_“Plötzlich Shakespeare“ ist_ ein Buch für alle, die leichte Kost mit Lachergarantie suchen und denen es auch nichts ausmacht, wenn ein Roman gegen Ende ins Süßliche abdriftet (gerade gegen Ende greift Safier mit Genuss in den Schmalztopf). Als Urlaubslektüre ist Safiers Roman durchaus geeignet – wer allerdings eine wirklich überzeugende Zeitreisegeschichte erwartet, wird enttäuscht.