Der amerikanische Autor James Sallis wurde für seinen Thriller „Driver“ gerade mit dem Deutschen Krimi-Preis ausgezeichnet. Der Münchner Verlag |Liebeskind| veröffentlicht nun einen weiteren, deutlich älteren Roman des Autors. „Deine Augen hat der Tod“ erschien bereits 1997 als amerikanische Originalausgabe, also deutlich vor „Driver“. Die Frage, die bleibt, ist, ob Sallis damals auch schon so gut schrieb, dass das Ergebnis eine solche Auszeichnung rechtfertigt.
Hauptperson der Geschichte ist David, ein ehemaliger Geheimagent, der sich zur Ruhe gesetzt hat und ein friedvolles Leben mit seiner Freundin Gabrielle verbringt. Eines schönen Morgens erhält er einen Anruf seines ehemaligen Arbeitgebers, der ihn darum bittet, einen Agenten namens Luc Planchat zu eliminieren.
Planchat gehörte zum selben Ausbildungsjahrgang wie David und hat sich ebenfalls von der Agentur losgesagt. Trotzdem wurde er weiter beobachtet, und es scheint, als ob es in Planchats Leben ein paar Unregelmäßigkeiten gibt. Mysteriöse Mordfälle werden ihm in die Schuhe geschoben, und da Planchat zu den Besten gehörte, ist es nur schwer möglich, ihn aufzutreiben. Nur einer kann das: David. Obwohl er lieber weiterhin in Ruhe leben möchte, macht er sich auf den Weg. Er durchquert halb Amerika auf der Suche nach einem Phantom und kommt dabei immer wieder in heikle Situationen. Er weiß, er wird verfolgt, aber genau das wollte er erreichen …
„Deine Augen hat der Tod“ ist ein sehr komplexer Roman. Obwohl die Handlung ein wenig wie ein Roadmovie anmutet – und die Geschichte auch Züge davon aufweist -, handelt es sich letztendlich eher um die Charakterstudie eines Mannes, der von seiner Vergangenheit verfolgt wird und anstatt dagegen anzukämpfen eher resigniert wirkt. Auf noch nicht mal zweihundert Seiten packt der Autor neben dieser Charakterstudie außerdem eine überaus komplexe Handlung sowie Davids persönliche Gedanken und Erinnerungen – eigentlich Stoff für ein Buch, das mindestens doppelt so dick ist, und genau das ist des Pudels Kern.
Sallis reduziert alles, was die Geschichte ausmacht, auf das Nötigste. Beschreibungen von Situationen sind selten, die Schauplätze werden zumeist nur umrissen. Während Letzteres keinen wirklich störenden Effekt hat, sondern aufgrund seiner Intensität Lob verdient, ist Ersteres an mehr als einer Stelle störend. Um es ganz ehrlich zu sagen: „Deine Augen hat der Tod“ verlangt seinem Leser einiges ab. Durch die Kürze fehlt häufig Hintergrundwissen, das man sich nicht immer in ganzem Umfang erschließen kann, was wiederum dazu führt, dass einige Ereignisse unverständlich bleiben. Sie können nicht dem Handlungskontext zugewiesen werden, manchmal bleibt sogar unklar, was denn nun überhaupt passiert ist und wer die Beteiligten – neben David – waren. Bei manchen Autoren mag so etwas wie ein geschickter Schachzug aussehen, aber in diesem Fall gelingt es Sallis nicht, das Verhältnis zwischen vermittelten und zurückgehaltenen Informationen ausgewogen zu gestalten. Selbst nach erneuter Lektüre bleiben einige Fragen offen, und das ist nicht unbedingt der Königsweg, um einen Leser bei Stange zu halten.
Der Verzicht auf den Ballast hat allerdings auch eine positive Folge. Das Buch wird spannend, die Handlung schreitet flott voran und enthält keine Längen. Das ändert nichts an der Tatsache, dass das Geschehen häufig zu komplex ist für jemanden, der sich mit dem Procedere bei einer solchen Agentur wie Davids nicht auskennt. Einige Handlungen Davids wirken auf den ersten Blick seltsam. Er denkt nun mal immer noch wie ein Agent. Leider breitet Sallis viel zu wenig aus, was diese Denke ausmacht, so dass auch hier Fragezeichen zurückbleiben. Dass das Buch trotzdem einigermaßen verständlich und vor allem gut lesbar bleibt, ist vor allem Sallis‘ Schreibstil zu danken, gegen den man nun wirklich nichts einwenden kann.
Der Autor schreibt mit seinen 64 Jahren Lebenserfahrung sehr gewandt und – wenn man bedenkt, wie kurz er sich hält – geradezu virtuos. Sein Stil hat etwas ganz Eigenes, wenn man sich erst mal an die Einsilbigkeit, die vielen Sprachbilder und die Chiffriertheit gewöhnt hat. Er schöpft aus einem sehr großen Wortschatz und findet stets die treffenden Bezeichnungen, um mit wenigen Worten ein Bild vor dem inneren Auge des Lesers entstehen zu lassen. Ähnlich verhält es sich mit der Hauptperson. Das Wissen über David zieht der Leser hauptsächlich aus dem, was der ehemalige Agent denkt. Seine Gedanken werden, ähnlich einem inneren Monolog, auf den Buchseiten ausgebreitet. So etwas kann natürlich auch leicht danebengehen, aber Sallis‘ wortkarger, jedoch intensiver Stil sorgt dafür, dass David sehr viel Tiefe und Authentizität erlangt.
„Deine Augen hat der Tod“ ist eine zwiespältige Angelegenheit. Die Handlung ist sehr komplex, das Verständnis stellenweise mühsam zu erarbeiten. Auf der Habenseite steht allerdings ein Schreibstil, der unglaublich ganzheitlich, intelligent und ausgefeilt wirkt. Ob man das Buch letztendlich lesen will, ist sicherlich Geschmacksache. Wer ein Fan von undurchsichtigen Handlungen ist, wird sich hier wohlfühlen. Wer dagegen leicht verständliche, aber spannende Krimiliteratur bevorzugt, der sollte sich lieber nicht auf dieses Experiment einlassen.
|Originaltitel: Death will have your Eyes
Aus dem Englischen von Bernd W. Holzrichter
Gebunden, 192 Seiten
ISBN-13: 978-3-935890-56-4|
http://www.liebeskind.de