Sandemo, Margit – Hexenjagd (Die Saga vom Eisvolk 2)

Band 1: [„Der Zauberbund“ 4365

_Story_

Obwohl sie ihr Familienglück in den Gebirgen des Eisvolks gefunden haben und von der Hatz des Vogts zunächst verschont bleiben, sind Silje, Tengel und ihre drei Sprösslinge in argen Problemen. Siljes zweite Schwangerschaft, die sie vorerst vor ihrem Gatten verheimlicht, macht das junge Mädchen unsicher, und während sie sich noch Gedanken macht, wie sie Tengel beibringen soll, dass möglicherweise ein neuer Dämon in ihr heranreift, wird ihre Familie auch schon in die Flucht geschlagen, nachdem der hinterlistige Heming seine ehemalige Sippe verraten hat.

Als letzte Überlebende fliehen sie aus ihrem neuen Heimatdorf und retten sich in die Berge. Als der Hunger jedoch immer größer wird und die neue Situation zur echten Bedrohung reift, fasst Silje einen folgenschweren Entschluss. Sie begibt sich auf den Sitz der Baronsfamilie von Meiden und konfrontiert Dags leibliche Mutter mit der bitteren Wahrheit, dass ihr ausgesetzter Sohn nach wie vor lebt. Charlotte von Meiden, die unglückliche Tochter des Barons, schenkt ihr im Gegenzug für den unermüdlichen Einsatz Sicherheit und sorgt dafür, dass Tengel und Co. auf einem neuen, noblen Landstrich ein neues Leben beginnen können – mit Charlotte und deren Mutter als beste Freunde.

Die neue Etappe im Leben der Nachfahren des Eisvolks beginnt sehr friedlich und gefahrlos; Tengel reift zum angesehenen Heilpraktiker und steigert das Ansehen seiner Familie enorm. Dennoch ahnt das Hexengericht von den verborgenen Geheimnissen des Oberhaupts und entsendet einen Späher, um Tengel hinters Licht zu führen. Viel schlimmer trifft Silje und ihre Liebsten jedoch Sols Entwicklung. Das nunmehr 14-jährige Mädchen ist von der Hexe Hanna intensiv in die magischen Künste eingewiesen worden – und scheint bisweilen nicht mehr kontrollierbar …

_Persönlicher Eindruck_

Der zweite Band der „Saga vom Eisvolk“ beinhaltet einige unverhoffte Wendungen, aber auch eine recht rasche inhaltliche Entwicklung. In diesem Zusammenhang ist vor allem erstaunlich, welches Zeitfenster Margit Sandemo hier eingeplant hat. Fast eine ganze Dekade vergeht auf den 300 Seiten von „Hexenjagd“, und berücksichtigt man den quantitativen Output, den die Autorin zur Serie im Original beigesteuert hat, hätte man schon erwartet, dass die Geschichte um Silje und Co. etwas gediegener voranschreitet. Dem ist aber sichtlich nicht so!

Dementsprechend sind die Fortschritte der Handlung enorm. Der Nachfolger zu „Der Zauberbund“ beschreibt gleich mehrere abgeschlossene, aber dennoch zusammengehörige Stränge, begonnen mit Siljes heimlicher Schwangerschaft über die Flucht aus dem Gebirge bis hin zur Verzweiflungstat, der Audienz bei Charlotte von Meiden, Dags leiblicher Mutter. Doch auch das ’neue‘ Leben der Familie Tengelssohn wird in aller Ausführlichkeit beschrieben; die unerkannt verurteilte Ketzerei, die Entwicklung von Sols zunehmenden Begabungen, aber auch das stete Familienglück, das vor allem durch die Geburt des ersten gemeinsamen Sohnes Are noch einmal bestärkt wird. All diese Geschehnisse verteilen sich über einen recht langen Zeitraum, werden von Sandemo sehr detailliert ausgeschmückt, bleiben aber dennoch spannend und kurzweilig – und das ist die wahre Kunst hinter diesem Roman.

Gerade die Tatsache, dass hier komplette, abgeschlossene Episoden aus dem Leben der Protagonisten quasi aneinandergereiht werden, ohne dabei die wesentliche Dynamik, also den Fluss der Story, zu beeinträchtigen, macht „Hexenjagd“ auf Anhieb zu einem kleinen Meisterwerk, begünstigt außerdem durch die märchenhaften Beschreibungen der Figuren und Szenarien. Es sind eben vor allem die kleinen Helden der Geschichte, diese einprägsamen, ungewöhnlichen Gestalten, die einem sofort ans Herz wachsen. Stand zuletzt noch Silje ganz deutlich im Mittelpunkt einer durchaus emotionalen Entwicklung, wird die Familie, die Verbliebenen des Eisvolks, nun etwas differenzierter betrachtet, so dass vor allem der liebevolle Tengel und die unberechenbare Sol mehr zur Geltung kommen. Sie sind die weniger transparenten Komponenten des Buchs, auf ihren unsteten Handlungen beruht schließlich auch die Spannung und generell die tolle Atmosphäre.

Hinzu kommt weiterhin diese liebevolle Stimmung, diese Harmonie, die von der Story und ihren tragenden Charakteren ausgestrahlt wird. Daher lässt sich „Hexenjagd“ auch noch weniger als „Der Zauberbund“ einem spezifischen Genre zuordnen, da die Elemente der Liebesgeschichte und auch des klassischen Dramas in den entscheidenden Passagen deutlich zugenommen haben. In dieser besonderen Mischung liegt aber auch der Reiz der bisher veröffentlichten Bände der Serie. „Hexenjagd“ ist weder klassische Fantasy noch purer Historienroman, geschweige denn eine typische Lovestory in einem opulenten Setting. Stattdessen hat Sandemo die schönsten Versatzstücke der einzelnen Genres zu einem modernen Märchen zusammengetragen, dieses in Teil zwei noch einmal in eine ganz andere Richtung gelenkt und sich insgesamt sogar durch die homogene Vielschichtigkeit der Story noch einmal steigern können. Ergo: Wer den ersten Band schon toll fand, wird den zweiten lieben!

|Originaltitel: Sagan om Ísfolket 2: Häxjakten
Originalverlag: Boknöje ab 1982
Aus dem Norwegischen von Dagmar Lendt
Taschenbuch, 304 Seiten|
http://www.blanvalet.de
http://www.margitsandemo.se/

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