Andrzej Sapkowski – Lux perpetua (Reynevan 03)

Die Reynevan-Trilogie:
Band 1: „Narrenturm
Band 2: „Gottesstreiter
Band 3: Lux perpetua

Breslau, 1429:

„Wir erklären Reinmar von Bielau für mit dem ewigen Anathema belegt. Wir zählen ihn zu den dreifach Verdammten, ohne jegliche Hoffnung auf Vergebung. Möge sein Licht auf immer verloschen sein.“

Der Medicus Reinmar von Bielau hat wahrlich ein Talent, sich mit den falschen Leuten anzulegen. Sich mit dem Bischof von Breslau zu verfeinden, zieht jedoch die oben genannten drastischen Konsequenzen nach sich, schlimmer noch als seine sonstigen Probleme mit gehörten Ehemännern. Zumal der Bischof mit seiner Anklage wegen „Verbrechen und Zauberei“ zumindest in letzterem Punkt Recht hat, denn mit Hexen und Hexern ist Reinmar wahrlich im Bunde und wird dabei selbst immer bewanderter in düsteren magischen Künsten.

Derweil wütet der Krieg zwischen katholischen Kreuzfahren und Hussiten in Schlesien, Böhmen und Deutschland. Reinmar „Reynevan“ von Bielau verliert angesichts der Gräueltaten seinen naiven Idealismus und erkennt, dass die Welt sich nicht nur um den Rockzipfel seiner verlorenen schönen Nicoletta dreht. Zumal auch der Hexer Birkhart von Grellenort noch lebt, der Mörder seines Bruders Peterlin, und es einfach nicht lassen kann, Reynevan nachzustellen …

Im Osten nichts Neues

Andrzej Sapkowksi (* 1948) bleibt auch im dritten und abschließenden Band um den zum Hobby-Hexer mutierten Schwerenöter Reynevan seiner Linie treu – im Guten wie im Schlechten. Nach wie vor kann er mit detaillierten historischen Kenntnissen über das Mittelalter, seine Menschen, ihre Weltanschauungen und Mythen glänzen. Mit schelmischem Humor und Wortwitz haucht er dieser Zeit Leben ein und lässt ihre Fabelwesen lebendig werden. Wie bereits in den Vorgängern überschüttet Sapkowski den Leser mit einer im umfangreichen Anhang wohldokumentierten Fremdwörterflut, in Band drei hauptsächlich Kirchenlatein, Französisch bleibt diesmal weitgehend außen vor.

Situationskomik und Hochstapelei zeichneten unseren Anti-Helden Reynevan bisher aus, in diesem Band verliert er einiges an seiner Unbekümmertheit und macht eine Wandlung zu einem ernsthafteren Charakter durch. Die Suche nach Nicoletta sowie die Fehde mit Grellenort verliert für ihn an Sinn, er will nur noch raus, weg von den Glaubenskriegen der Hussiten und Katholiken; er will einfach seine Ruhe. Das Fass wird durch die Exkommunikation zum Überlaufen gebracht. Zwar ändert sich so an Reynevans ohnehin schlechter Situation als Hussiten-Spion nichts Wesentliches, dennoch bedrückt sie ihn schwer. Die Katholiken hassen ihn, und auch die Hussiten vertrauen ihm nicht mehr. Er wird kaltgestellt und nur noch mit unwichtigen Missionen vertraut, ohne bei der Suche nach seiner Nicoletta voranzukommen. Durch die Hilfe der smarten Agentin Rixa Cartafila de Fonseca entkommt er dem Kerker, nur um das endgültige Scheitern seiner Glaubenssache zu erleben: Wie historisch belegt ist, werden die Hussiten in der Schlacht von Lipan vernichtend geschlagen.

Für die Handlung hat seine Resignation leider keine positiven Konsequenzen. Reynevan tritt in den Hintergrund und Sapkowski experimentiert mit neuen Blickwinkeln, zum Beispiel dem von Dzierzka de Wirsing. Grundsätzlich hat diese Erzählweise ihren Reiz; als bekennendem Fan von George R. R. Martin ([„Die Herren von Winterfell“) 3637 sind mir die Stärken und Schwächen dieser Erzählweise bekannt. Leider hat Sapkowski keines der Fettnäpfchen ausgelassen, während die Stärken nicht zum Tragen kamen. Sapkowski hatte schon im zweiten Band den Faden verloren und sich in Nebenhandlungen ergangen, jetzt kippt er das schwache Rahmengerüst um die Rettung Nicolettas vollständig. Es gibt keine strukturierte Handlung mehr, wer auf eine kausale Handlungsführung hofft, wird keine finden. Stattdessen ergibt sich mehr oder minder zufällig ein recht an den Haaren herbeigezogener und unspektakulärer Showdown.

Der Weg dorthin wird von Sapkowski in gewohnter Schelmenmanier garniert, die Wechsel zum Mauerläufer, Dzierzka und anderen tragen jedoch nicht zu gesteigertem Lesevergnügen bei. Dzierzka hat einfach nicht viel zu sagen oder auszurichten, der Mauerläufer darf morden und reihenweise lüsterne Weibsbilder besteigen, wobei diese Szenen weder sonderlich erotisch noch ironisch beschrieben werden, einfach kein Vergleich zu Reynevans grandiosem „wilden Ritt“ mit Adele von Sterz in „Narrenturm„“ rel=“noopener“ target=“_blank“>Narrenturm„!

Unterm Strich

Ich muss gestehen, viel Freude fand ich am abschließenden Band der Trilogie um Reynevan nicht. Sapkowski hat sein Pulver schon lange verschossen, bereits im zweiten Band gingen der Gag-Faktor sowie der Wortwitz verglichen mit dem ersten Band drastisch zurück. Nun hat er auch noch den letzten Rest an Rahmenhandlung gekippt. Als eine schlechte Entscheidung erscheint mir, Reynevan in diesem Band zum ersten Mal eine in seinem Verhalten sichtbare Wandlung durchmachen zu lassen, diese aber nur von außen zu kommentieren und stattdessen die Innensicht anderer Charakter mit ihren ganz eigenen Problemen zu präsentieren. Dieser Schuss ging gehörig nach hinten los!

An der Übersetzung von Barbara Samborska kann ich wieder einmal nicht mäkeln, ganz im Gegenteil, der Stil und die Qualität der Übersetzung sind ausgezeichnet. Dass gelegentlich sehr frei oder gar falsch aus dem Polnischen übersetzt wurde, kann ich mangels Kenntnis der Sprache nicht kommentieren, das Resultat konnte mich aber völlig überzeugen. Auch sonst kann die Qualität des Buches überzeugen und ich kann mich an keinen einzigen Setzfehler in dem umfangreichen Werk erinnern.

Insgesamt kann ich der unbenannten und von mir der Einfachheit halber |Reynevan|-Trilogie genannten Serie rund um den Medicus und Hexer Reinmar von Bielau trotz abfallender Tendenz einen hohen Unterhaltungswert mit beträchtlichem Amüsierfaktor für Fantasy-Fans, die gerne etwas andere Fantasy mit historischem Einschlag lesen wollen, sowie Freunden des Mittelalters attestieren.

http://www.dtv.de

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