Sapkowski, Andrzej – Schwert der Vorsehung, Das (Geralt-Saga, Vorgeschichten 2)

_Die Geralt-Saga:_

Vorgeschichte: _1_ [Der letzte Wunsch 3939
Vorgeschichte: _2_ [Das Schwert der Vorsehung 5327

_Roman 1_: [Das Erbe der Elfen 5334
_Roman 2_: [Die Zeit der Verachtung 5751

_Eigentlich_ hätte Geralt von Riva es besser wissen sollen, als sich an einer Drachenjagd zu beteiligen. Dass er dennoch in diesem seltsam zusammengewürfelten Haufen gelandet ist, der bereits vor der Sichtung des Drachen unterschwellig seine diversen Rivalitäten austrägt, liegt schlicht daran, dass seine ehemalige Geliebte Yennefer ebenfalls mit den Drachenjägern unterwegs ist. Aber auch das hätte er besser wissen sollen …

_“Das Schwert der Vorsehung“_ ist eigentlich nicht der zweite, sondern der dritte Band des Hexer-Zyklus. Das hat mich bereits irritiert, als ich [„Der letzte Wunsch“ 3939 las, bis endlich die Information bei mir eintrudelte, dass von den fünf Geschichten des eigentlich ersten Bandes vier ihren Weg in die deutsche Übersetzung des zweiten gefunden haben. Das wirft die Frage auf, ob dafür Geschichten aus dem zweiten Originalband womöglich weggefallen sind; da ich aber des Polnischen nicht mächtig bin, kann ich es leider nicht überprüfen.

Der nach deutscher Bezeichnung zweite Band jedenfalls scheint keine davon zu enthalten. Denn obwohl auch hier einzelne Geschichten erzählt werden, sind diese voneinander längst nicht so unabhängig, wie das in „Der letzte Wunsch“ noch der Fall war. Hier ist für den roten Faden keine übergeordnete Rahmenhandlung mehr nötig, da die Geschichten nicht mehr als Rückblick erzählt werden, sondern als fortlaufende Handlung, wenn auch mit vielen zeitlichen Lücken.

Zentrale Figur ist natürlich immer noch Geralt. Eigentlich sollte die Verwandlung in einen Hexer ihn auch seiner Gefühle beraubt haben. Aber offensichtlich ist da etwas ganz gehörig schiefgegangen, denn abgesehen von seinen Gefühlen für Yennefer, die ihm ein befreiter Flaschengeist angehängt hat und die deshalb nicht zählen, hat Geralt erstaunlich viele Skrupel, wenn es um das Töten von Geschöpfen geht, die allgemein als Monster bezeichnet werden. Auch empfindet er Mitgefühl für Essi, und die Beziehung zu seiner Mutter, falls man denn überhaupt von einer solchen sprechen kann, scheint ebenfalls nicht frei von gefühlsmäßigen Komplikationen.

Yennefer, die Zauberin, ist schön, stolz und mächtig, hat aber ein paar Ansichten, die mich bestenfalls den Kopf schütteln ließen. Mir ist sie nicht sonderlich sympathisch; der Himmel weiß, was Geralt an ihr findet, Essi ist wesentlich liebenswerter. Immerhin aber scheint selbst Yennefer zumindest manchmal so etwas wie ein Gewissen zu besitzen, und ihr Schmerz angesichts der Tatsache, dass sie keine Kinder haben kann, erhält auch sie bis zu einem gewissen Grad menschlich.

Außerdem ist der Barde Rittersporn wieder mit von der Partie, mit seinem losen Mundwerk, seinen zahllosen Liebschaften und seinem ewigen Geldmangel. Der etwas aufgeplusterte und leichtfertige Bursche ist zu einem großen Teil für den Schmunzeleffekt zuständig und für die diversen augenzwinkernden Seitenhiebe gegen die Welt der Märchen.

Im Vergleich zum Vorgängerband hat sich in der Charakterzeichnung also einiges getan, obwohl man sie noch nicht als wirklich tiefschürfend bezeichnen kann. Noch begnügt sich der Autor zu sehr mit Andeutungen und hält Geralts Vergangenheit größtenteils bedeckt. Andererseits könnte sich das mit dem Auftreten der kleinen Prinzessin, die bisher nur eine Nebenrolle spielte, spürbar ändern.

Ausgesprochen förderlich für die Vertiefung der Charaktere waren vor allem zwei der sechs Geschichten: die zweite und die vierte des Bandes. Hier nehmen die zwischenmenschlichen Beziehungen deutlich mehr Raum ein als bisher üblich. Tatsächlich thematisiert die zweite nahezu ausschließlich die Beziehung zwischen Geralt und Yennefer und verzichtet dafür sogar auf Action. Die vierte erzählt von Geralt und Essi, allerdings eingebettet in weitere Ereignisse. Beiden Geschichten ist eine eher melancholische Grundstimmung zu eigen, allerdings ohne dramatisch oder schwülstig zu werden. Sapkowski ist schlicht geblieben und hat so verhindert, dass sich die beiden Erzählungen mit dem Grundtenor der restlichen beißen.

Dazwischen findet sich die Geschichte vom Doppler, einem Wesen, das sein Gegenüber nahezu vollständig kopieren kann, bis hin zu dessen Art zu denken und zu handeln. Ein solcher Doppler hat beschlossen, die Identität des Kaufmanns Biberveldt anzunehmen, weil ihm das Leben außerhalb der Stadt zu kalt und ungemütlich ist. Eine ganze Reihe von turbulenten Verwicklungen und verrückten Situationen folgt, ehe es gelingt, die Sache wieder einzurenken, und der Leser hat einen Heidenspaß dabei.

Eine recht bunte Mischung also, die sich ziemlich von den doch etwas actionlastigen Abenteuern aus dem ersten Band unterscheidet. Das gilt sogar für die Geschichte über die Drachenjagd, die zwar durchaus Action nach gewohnter Manier bietet, sich aber unter anderem dadurch abgrenzt, dass Geralt in einer so großen Gruppe reist und letztlich selber kaum aktiv wird. Das Hauen und Stechen besorgen hier vorwiegend andere …

Die letzten beiden Erzählungen nehmen noch zusätzlich eine Sonderstellung ein. Denn hier wird deutlich die Vorbereitung auf Sapkowskis „Erbe der Elfen“ spürbar: Geralt begegnet Ciri, der Prinzessin, die seine Vorherbestimmung ist, der er nicht entkommen kann, obwohl er es bereits mehrfach versucht hat. Zwar sind diese beiden, vor allem die letzte, etwas schwierig zu lesen, denn die Rückblenden oder Fieberträume, die hier vorkommen, sind nur durch einen Absatz gekennzeichnet, mehr aber auch nicht. Gelegentlich kam es zu Verwirrungen und ich war mir nicht mehr sicher, ob Geralt nun gerade im Hier und Jetzt ist oder in einem seiner Träume. Das hat der Thematik aber keinen Abbruch getan.

_Zusammenfassend_ kann ich sagen, dass mir der zweite Band des Hexer-Zyklus besser gefallen hat als der erste. Das Spektrum der Geschichten ist breiter gefächert, der innere Zusammenhang ist deutlicher spürbar. Und obwohl es mich nicht wirklich gestört hat, dass beide Bücher vorwiegend aus Kurzgeschichten bestanden, begrüße ich doch die Tatsache, dass das nachfolgende „Erbe der Elfen“ als Roman geschrieben wurde. Es erleichtert die Darstellung größerer Zusammenhänge und erlaubt mehr Komplexität. Immerhin hat Sapkowski bereits mehrere Wesen vorgestellt, die mehr waren als nur bloße menschenfressende Ungeheuer, darunter die Dryaden und die Meermenschen. Und längst zeigt die Erzählung mehr als nur Geralts Berufsausübung und die damit verbundenen Kämpfe. Dem darf ruhig auch formell Rechnung getragen werden.

_Andrzej Sapkowski_ ist Literaturkritiker sowie Schriftsteller und nebenbei Polens bekanntester Fantasy-Autor. Der Hexer-Zyklus diente bereits als Grundlage für einen Kinofilm und eine Fernsehserie sowie für das polnische Rollenspiel „Wiedzmin“. Auch das Computerspiel „The Witcher“ stammt von Sapkowski, ebenso die Narrenturm-Trilogie um die Abenteuer des jungen Medicus Reinmar von Bielau. „Das Erbe der Elfen“, der erste Band des Romanzyklus über Geralt von Riva, erscheint Anfang November 2008.

|464 Seiten, kartoniert
Zweiter Band der Geralt-Saga
Aus dem Polnischen von Erik Simon
ISBN-13: 978-3-423-21069-0|
http://www.der-hexer.de
http://hexer.wikia.com
http://www.dtv.de
http://www.sapkowski.pl
http://www.thewitcher.com

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[„Gottesstreiter“ 3367
[„Lux perpetua“ 4568

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