Sassenberg, Volker – Gabriel Burns – Bereit (Folge 23)

Die |Phase: Fleisch| ist mit Folge 22 abgeschlossen worden. Doch diese Phase hat nur am Anfang gestanden und keineswegs das Ende der |Gabriel Burns|-Hörspielreihe markiert. Im Gegenteil, das Grauen wird nun konkreter und die Geheimnisse, die sich im Laufe der Episoden angesammelt haben, harren darauf, endlich gelüftet zu werden. So steht „Bereit“, die nunmehr 23. Folge der Mystery-Reihe, ganz im Zeichen der Offenbarungen und verspricht seinen Hörern, die lang ersehnten Antworten zu geben – selbstverständlich nur häppchenweise und innerhalb eines angemessenen Spannungsbogens. Schließlich soll das Hörspielerlebnis nicht mit einem Mal zu Ende gehen.

_Vorgeschichte: Folgen 1 bis 22_

Vancouver: Steven Burns, erfolgloser Schriftsteller, hält sich mehr schlecht als recht als Taxifahrer über Wasser. Sein Leben ändert sich jedoch schlagartig, als er an den geheimnisvollen Bakerman gerät – oder treffender: als Bakerman Steven kontaktiert, um ihn in ein mysteriöses Projekt einzuweihen, das sich unheimlicher Phänomene angenommen hat. Warum Bakerman, der dieses Projekt leitet, gerade Steven für seine Pläne auserkoren hat, wird dem Schriftsteller in dem Moment klar, als er an seinen Bruder Daniel zurückdenkt. Dieser verschwand nämlich im Alter von vier Jahren auf seinem Geburtstag, als Steven ihn bat, in eine Kiste zu steigen und einen Zaubertrick über sich ergehen zu lassen. Doch das Resultat war kein harmloses Kinderspiel, denn Daniel war plötzlich wie weggezaubert und blieb spurlos verschwunden.

Obwohl Bakerman auf die Geschehnisse von Stevens geheimnisvoller Zaubergabe anspielt, bleibt er ihm die Antworten schuldig. Und wenn er etwas herausrückt, dann nur sehr spärlich und darauf bedacht, die wahren Hintergründe im Dunkeln zu lassen. Denn Bakerman möchte Stevens Fähigkeiten erst einmal testen und eine Vertrauensbasis aufbauen. So schickt er ihn über den gesamten Globus; immer dort hin, wo auf eigenartige Weise Menschen verschwinden, von gefährlichen Experimente berichtet wird oder scheinbare Naturphänomene ans Tageslicht treten.

Steven Burns zur Seite stehen Joyce Kramer und Larry Newman, die das Viererteam um Bakerman komplettieren. Joyce ist bereits seit vielen Jahren ein treuer Verbündeter Bakermans und stellt seine Pläne nicht in Frage. Larry hingegen ist erst kurze Zeit nach Steven zur Mannschaft gestoßen, als sich der frühere Forstbeamte in den Wäldern von Yukon widernatürlichen Phänomenen ausgesetzt sieht und daraufhin beschließt, das Böse zu bekämpfen. Die zehn fahlen Orte sind es, die Steven Burns, Bakerman, Joyce und Larry in Atem halten. Orte, an denen das Böse zum Vorschein kommt und Tore in eine andere Welt geöffnet werden sollen, um die Menschheit durch Kreaturen aus der Hölle zu verschlingen.

Auf einer ihrer letzten Expeditionen hat es das Team dabei nach Vietnam verschlagen, wo die bisherigen Ereignisse um die fahlen Orte zusammengelaufen sind. Doch Steven und Co. haben es nicht verhindern können, dass die erste Phase, die Phase der Fleischwerdung, abgeschlossen worden ist. Doch an Aufgabe ist nicht zu denken: Der Kampf hat gerade erst begonnen …

_Inhalt_

Folge 23 „Bereit“ startet mit einem Rückblick. Bakerman ist in einer schottischen Kneipe in Edinburgh mit einem Norman Osgood in eine Schachpartie verwickelt, die er für sich entscheiden kann. Nicht nur einmal, jede Revanche gewinnt Bakerman für sich – bis Osgood die Beherrschung verliert und seine Waffe zieht. Doch Bakerman ist schneller und kann sein Gegenüber mit einem Messer zur Strecke bringen. Doch den Tod Osgoods hat er nicht gewünscht. Osgood war kein Bösewicht, sondern nur ein verwirrter Irrer, den er nicht ermorden wollte. Bakermane schwört sich, nie wieder hierher, nach Edinburgh zurückzukehren. Aber die Dinge nehmen ihren Lauf und zwingen ihn, ebendies Jahrzehnte später zu tun.

Bakerman ist mit dem Zug in Schottland unterwegs zum Rannoch Moor, wo er Stevens Eltern einen Besuch abstatten will. Mitten im sumpfigen Morast kommt der Zug durch die Notbremse zum Stehen und Bakerman erkennt im Moor eine Gestalt, die ihn an Osgood erinnert. Entgegen aller Warnungen steigt er aus und tritt tatsächlich einer Osgood, allerdings einer Laura Osgood entgegen. Sie hat von Bakermans Anreise erfahren und will ihren vor Jahren getöteten Vater rächen. Bakerman will Osgood beruhigen, doch die Frau reagiert völlig apathisch. Als sie sich plötzlich in einen Grauen Engel verwandelt, weiß Bakerman, dass er einen Fehler gemacht hat. Es ist zu spät. Als er in eine Moorgrube geschleudert wird und spürt, wie sein Körper nach unten gezogen wird, sieht er bereits sein Leben an ihm vorbeirauschen.

Szenenwechsel: Steven ist zu Besuch bei seinen Eltern und bereitet sie darauf vor, dass Bakerman in Kürze eintrifft, da er sie ein weiteres Mal über Daniel befragen möchte. Seine Eltern führen eine Jugendherberge in dieser düsteren Gegend und kommen mehr schlecht als recht über die Runden. Viel zu besprechen hat Steven mit ihnen über Bakermans anstehenden Besuch hinaus jedoch nicht, denn seine Aufmerksamkeit wird schnell von dem Mädchen namens Anny eingenommen. Sie leidet unter Epilepsie und wird von Stevens Mutter betreut. Es ist aber nicht die Krankheit, die ihn stutzen lässt. Anny wird nämlich nächstens in ihren Träumen von Geistern heimgesucht, von den toten Kindern aus Moat Palon. Und eine Frau sei ihr erschienen, die ihr angekündigt habe, sie bald ebenso wie die anderen Kinder zu verschleppen. Steven ist beunruhigt und glaubt dem Mädchen. Obwohl er in der kommenden Nacht bei ihr im Zimmer bleibt, kann er nicht verhindern, dass sie am nächsten Morgen verschwunden ist.

Die Ereignisse überschlagen sich. Steven sieht eine Verbindung zwischen Anny und seinem Bruder Daniel und sucht ortskundige Führer auf, die ihn nach Moat Palon, einer alten Brückenanlage weit draußen im Moor, bringen soll. Zwischenzeitlich taucht auch Bakerman auf, völlig von vertrocknetem Schlamm bedeckt. Doch die Zeit rennt davon und Erklärungen über Bakermans Erscheinen müssen warten. Als die beiden endlich Moat Palon erreicht haben, wittern sie bereits die Falle. Aber es ist zu spät zur Umkehr und Steven fühlt, dass er hier Antworten finden kann. Dann taucht plötzlich wieder Laura Osgood auf und verwandelt sich erneut in einen Grauen Engel. Bakerman will fliehen, doch Steven hat es satt, immer wieder wegzurennen. Er will kämpfen und hält direkt auf das Ungeheuer zu – als es sie beide in ihrer Berührung verschluckt, zu einem Ort, an dem Steven endlich erfährt, wer er wirklich ist.

_Bewertung_

„Bereit“ leitet eine neue Phase in der Hörspielreihe „Gabriel Burns“ ein. Mussten Steven und sein Team bisher in Erfahrung bringen, mit welchen Widersachern sie es zu tun haben, welche Monstrositäten diese Welt bedrohen und welche Geheimnisse darauf warten, gelüftet zu werden, so geht mit Folge 23 ein kleiner Bruch daher. Die zehn fahlen Orte sind bekannt, die Zeit des Abwägens vorüber. Jede Sekunde zählt, und so ist Stevens Verhalten, nicht länger vor seinen Gegnern davonzulaufen, sondern sich den Gefahren zu stellen, von einer schlüssigen und gut vorbereiteten Charakterentwicklung gezeichnet. Vor allem im letzten Drittel der Folge erfährt der Hörer endlich, was es mit dem Protagonisten auf sich hat und die Reihe eigentlich „Gabriel Burns“ und nicht Steven Burns heißt. Man konnte sich zwar schon durch den ein oder anderen Hinweis seine Gedanken machen, doch die Auflösung kommt wirklich überraschend und als fesselnder Höhepunkt der Folge 23 daher.

Nicht nur das Finale in einer psychedelischen, wunderschön umgesetzten Albtraumsequenz, die wirklich alle Vorzüge eines Hörspiels ausreizt, macht „Bereit“ zu einer gelungenen Episode. Auch die in sich abgeschlossene Handlung kann überzeugen. Es ist zwar schade, dass Stevens Eltern nur kurze Gastrollen bekommen haben, doch die überzeugende und einfühlsame Geschichte der kleinen Anny lässt diese Tatsache in den Hintergrund rücken. Ihr Verschwinden und das, was mit ihr schließlich auf Moat Palon passiert, angeleiert durch Laura Osgood, zeigen einmal mehr die Unbarmherzigkeit von Stevens Burns‘ Widersachern. Das alles ist effektvoll in Szene gesetzt und ein Hörspielgenuss erster Güte.

Wer sich noch nicht |Gabriel Burns| angehört hat, sollte dies spätestens mit dieser Folge tun. Nur wird er dann nicht umhin kommen, sich die vorigen Episoden zu besorgen. Ein Metaplot, wie er spannend begann, in der Mitte einige Hänger hatte, nun jedoch wieder völlig zu überzeugen weiß, macht die Serie zu einem wahren Erlebnis, das noch viel Raum für weitere spannende Episoden lässt.

http://www.gabrielburns.de/

|Siehe ergänzend dazu auch unsere Besprechungen zu den aktuellen Buchveröffentlichungen|

[„Gabriel Burns: Die Grauen Engel“ 3892
[„Gabriel Burns: Verehrung“ 3960

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