Scalzi, John – Krieg der Klone

Im Alter von 75 Jahren meldet sich John Perry bei der KVA (Koloniale Verteidigungsarmee). Seine Frau ist tot, und auch John Perry fühlt, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Doch die Armee bietet Senioren eine einmalige Chance: Eine vollständige Verjüngung – für zehn Jahre Militärdienst und der Auflage, nie wieder auf die Erde zurückkehren zu dürfen. Strenge Quarantänegesetze sollen die Urheimat der Menschheit schützen, für ihre Dienste erhalten die Soldaten der KVA ein Stück Land auf einer der hart umkämpfen Kolonialwelten. Denn die Menschheit ist nicht allein im Weltall, blutige Kriege sind an der Tagesordnung.

_Der Autor_

John Scalzi (* 10.05.1969, Kalifornien) begann seine Karriere in der Blogger-Szene. „Krieg der Klone“ (im Original: „Old Man’s War“) erschien bereits 2002 in Fortsetzungen im Blog seiner Website, bis Patrick Nielsen Hayden, Senior Editor von |Tor Books|, auf ihn aufmerksam wurde. Womit dieser ein ausgezeichnetes Gespür bewiesen hat: Scalzis Debüt war gleichzeitig auch sein Durchbruch, das Buch verkaufte sich in den USA ausgezeichnet und kam bei den Lesern gut an. Als Sahnehäubchen wurde es 2006 mit dem |John W. Campbell Award| ausgezeichnet und für den |Hugo Award| nominiert. Scalzis „Krieg der Klone“ musste gegen Werke etablierter Autoren wie George R. R. Martin, Charles Stross und Ken MacLeod antreten, und sich nur dem überragenden [Spin 2703 von Robert Charles Wilson geschlagen geben.

_Mehr als eine Hommage an „Starship Troopers“ und „Der ewige Krieg“_

„Krieg der Klone“ ist Military Science Fiction, keine Frage. Das Szenario ist stark an Robert A. Heinleins „Starship Troopers“ angelehnt, doch Scalzi wäre ein Narr, wenn er dessen Ideologie und Pathos im Jahr 2007 reanimieren würde. Stattdessen positioniert er sich zwischen Heinlein und dem oft als Anti-Starship-Troopers gelesenen [„Der ewige Krieg“ 488 von Joe Haldeman.

Derber, sarkastischer Humor und John Perry als sympathischer, menschlicher Held geben dem Roman eine eigene Note. Wo Heinlein im Vorwort von [„Starship Troopers“ 495 das Hohelied auf Technologie und Fortschritt in Form des Kampfanzugs der Mobilen Infanterie singt, Haldeman die Gefahren moderner Technologien heraufbeschwört, zeigt sich in „Krieg der Klone“ der spezielle Scalzi-Humor. Die alten Männer, die dem Tod von der Schippe springen wollen, wissen nicht, worauf sie sich eingelassen haben. Ihr neuer Körper ist ein geklonter und verbesserter Alien-Mensch-Hybrid ihrer selbst, mit grüner Haut, fähig zur Photosynthese, Katzenaugen für Nachtsicht und nanotechnischem SmartBlood anstelle echten Blutes. Der Schock ist groß, aber auch die Freude: Denn der neue Körper ist jung, stark und schön. Hier neigt der Roman eher in Richtung von Haldemans „Der ewige Krieg“, denn natürlich wollen die älteren Herren und Damen ihre neuen Körper recht bald ausgiebig „testen“ …

Die Ausbildungssituation ist ähnlich wie in „Starship Troopers“, allerdings ohne jeglichen ideologischen Ballast. Ähnlich wie Johnnie Rico macht auch John Perry eine Blitzkarriere, dennoch gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den beiden. Rico akzeptiert im Laufe seiner Karriere immer mehr das System, in dem er dient und erzogen wird, Perry hingegen zweifelt immer mehr an den hehren Zielen der KVA, je länger er in ihren Kriegen kämpft. So auch an den Quarantänegesetzen; sie scheinen eher dazu zu dienen, die Menschen der Erde als unerschöpflichen Rekrutierungspool in Unwissenheit zu halten und auszubeuten. Auch die Kriegsziele werden angezweifelt. Oft findet sich die KVA in der Rolle des Aggressors; Strafexpeditionen gegen nur fingerlange Aliens, bei denen die Soldaten wie Godzilla mit bloßen Stiefeltritten ihre Städte zerstören, sollen hier als Beispiel dienen.

Bei der Charakterisierung der Aliens ist Scalzi alles andere als homogen. So bedient er sich bei Stereotypen für einige eher billige Lacher, sein Humor ist leider oft doch etwas zu plump. Hässliche Monster mit Tentakeln und riesigen Fangzähnen in sabbernden Mäulern werden als die besten und treuesten Verbündeten der Menschheit dargestellt, während Aliens mit Bambiaugen menschliche Frauen in Farmen halten, künstlich schwängern und ihre Babies als Delikatesse frittieren! Hier spielt Scalzi zu oft mit dem BEM-Klischee (Bug-Eyed Monster) der Science-Fiction.

Tiefschürfend ist das Buch selten, allerdings darf man sich von solchen Passagen nicht irritieren lassen. Flach und „nur“ unterhaltend ist dieser Roman nicht. Scalzis Stil ist nicht homogen; wie man auch in seinem Blog lesen kann, ist er stets um ein Späßchen bemüht, was auch seine Hauptfigur John Perry auszeichnet. Wenn John Perry über dies und das sinniert, liest sich der in der Ich-Perspektive geschriebene Roman am besten. Hier spricht Scalzi aus Perry, er schreibt, wie er denkt, wie in seinem Blog. Und das gibt Perry Leben und Authentizität, er kann mit seinen Gedanken überzeugen.

Scalzi ist kein Technomane, er beschreibt meistens Near-future-Technologie und ist in dieser Hinsicht sicher kein Visionär. Er ist an den Einflüssen auf den Menschen interessiert; hier bietet er im letzten Drittel des Romans einige Denkanstöße. Perry begegnet den Soldaten der „Geisterbrigaden“, geklont aus der DNA Freiwilliger, die starben, bevor sie in die Dienste der KVA traten und ihr Bewusstsein transferiert werden konnte. Ihre Körper wurden noch gravierender verändert, sind effizienter und stärker, ihre Persönlichkeit nahezu völlig neu erschaffen. Einer dieser Elitesoldaten rettet Perry, der in ihm jemanden wiedererkennt, den er einmal sehr gut kannte.

Anstelle von Ideologie tritt bei Scalzi Humor – blanke Gewalt und Action satt gibt es jedoch auch in seiner Form der Military Science Fiction. Scalzi hat eine besonders ausgeprägte Gabe, Bilder in den Köpfen seiner Leser zum Leben zu erwecken. Egal wo John Perry im Einsatz ist, diese Welten sind lebendig und faszinierend fremd. Oft sogar sind diese Welten und ihre Bewohner so fremd, dass sie ein Mensch nicht wirklich verstehen kann. Selbst das Oberkommando rätselt oft über die Motivationen bestimmter Rassen; man befindet sich in Kriegen und weiß nicht, wie man sie beenden kann, da man nicht einmal weiß, was genau sie ausgelöst hat. So wird der kriegerische Konflikt als die häufigste Form der Kommunikation und Problemlösung im Universum dargestellt.

In der deutschen Fassung findet sich als Epilog noch die Kurzgeschichte „Fragen an einen Soldaten“, in der interessanterweise John Perry unter anderem von der seltenen friedlichen Einigung mit einer anderen Spezies berichtet. Gut und Böse liegen in Scalzis Universum nahe beieinander, oft muss man eine Aktion im Nachhinein ganz anders bewerten, aufgrund neuer Informationen, die man zuvor nicht hatte:

|“Mein Gott, das tut mir natürlich sehr leid“, sagte Bender. „Das hätte ich nicht sagen sollen. Aber ich wusste ja nichts davon.“ „Natürlich nicht, Bender. Und genau darauf wollte Viveros hinaus. Hier draußen wissen Sie von nichts. Sie wissen |gar| nichts.“| (S. 221)

_Fazit:_

John Perry ist ein interessanter Charakter, aus dessen Sicht Scalzi dem Leser seine Welt sehr plastisch in starken Bildern vor Augen führt, trotz oder gerade wegen der Ich-Perspektive, in welcher der Roman geschrieben ist. Die Übersetzung von Bernhard Kempen ist in Stil und Ton gut gelungen, auch wenn einige Wendungen und relaxte amerikanische Umgangssprache, wie sie in den Dialogen vorherrscht, mir im Original einfach besser gefallen haben.

Ein bemerkenswertes Debüt, in meinen Augen eine unserem Zeitgeist entsprechende Version von „Starship Troopers“. Viel leichter verdaulich für unseren heutigen Geschmack, spielt Scalzi mit Klischees und lässt Ideologien außen vor; sein Roman ist deutlich geprägt von Ideen der Postmoderne, Skepsis ist angebracht, die Dinge sind oft nicht so, wie sie zu sein scheinen. Mir persönlich gefiel Scalzis staubtrockener, sarkastischer Humor, allerdings könnte er anderen Lesern als viel zu banal und derb erscheinen. Mit „The Ghost Brigades“ und „The Last Colony“ sind bereits Fortsetzungen erschienen, die hoffentlich bald auch in Übersetzung für den deutschen Markt vorliegen.

Homepage des Autors:
http://www.scalzi.com/

|Originaltitel: Old Man’s War
Übersetzt von Bernhard Kempen
Taschenbuch, 432 Seiten|
http://www.heyne.de

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