Schacht, Michael – Patrizier

_Turmbau im Land der Patrizier_

Rangeleien im alten Italien: Baumeister buhlen um die Gunst der altehrwürdigen Patrizierfamilien und unterstützen sie beim Bau ihrer Geschlechtertürme. In den jeweiligen Städten konstruieren sie Bauwerke, streiten um Mehrheiten und versuchen, die Eitelkeiten jener Familien zu ihren Gunsten auszunutzen. Stock für Stock werden die Türme von den unterschiedlichen Auftragnehmern errichtet und mit Ruhm und Ehre belohnt. Doch lediglich derjenige, der sich an den wertvollsten Konstruktionen beteiligt und die meisten Ruhmespunkte gesammelt hat, wird im gleichnamigen Brettspiel „Patrizier“ später in Erinnerung bleiben.

_Vom Zoo ins mittelalterliche Italien_

Mit „Patrizier“ veröffentlicht Michael Schacht bereits seine zweiten Mainstream-Titel im Jahr 2007 und steht mit diesem unter ganz besonderer Beobachtung. Jüngst heimste der Autor nämlich für sein genial-einfaches Familienspiel [„Zooloretto“ 4288 die Auszeichnung für das „Spiel des Jahres“ ein, die ja quasi dem Ritterschlag in diesem Bereich der Unterhaltung gleicht. In Anbetracht dessen scheint der thematische Quantensprung hin zum Turmbau-Mechanismus von „Patrizier“ schon ziemlich krass, endet jedoch erneut in Begeisterung, da die qualitative Handschrift des Designers in jeglichen Belangen erkennbar ist. Vom Tierpark ins Mittelalter? Ein durchaus gelungener Schritt, wie ich finde!

_Spielidee_

„Patrizier“ ist für zwei bis fünf Spieler ausgelegt und wird abhängig von der Teilnehmerzahl auf einer der beiden Spielplanseiten gespielt. Die Spieler schlüpfen hierbei in die Rolle von Baumeistern und versuchen, die lukrativsten Aufträge an Land zu ziehen und in den prestigeträchtigsten Gebieten ihre Beteiligung an der Errichtung der Patriziertürme zu sichern. Dabei ist vor allem die Planungsgabe der Beteiligten gefragt, da man insgeheim schon über mehrere Schritte vorausschauen kann, welche Möglichkeiten sich im Spiel bieten. Die Aufträge sind nämlich an einen festen Ort gebunden, wo wiederum ein bereits feststehender Auftrag wartet, der wiederum später an anderer Stelle eingesetzt werden muss. Mit Hilfe ihrer drei Handkarten können die Spieler nun überlegen, wo sie am besten ihre Turmteile platzieren, um auch schon für einen der nächsten Züge einen wertvollen Auftrag zu ergattern. Andererseits ist es aber auch wichtig, Prioritäten zu setzen und gerade dort zu bauen, wo die größte Ruhmespunktzahl lauert. Wer nämlich an zu vielen Baustellen aktiv ist, wird am Ende wohl kaum eine Mehrheit erzielen können und bei der Verteilung der Punkte womöglich leer ausgehen. Ein trefflicher Balanceakt ist ergo gefragt und kombiniert mit ein wenig Glück das Rezept zum Sieg.

_Spielmaterial_

• 149 Stockwerke in 5 Farben
• 20 Ruhmesplättchen
• 55 Auftragskarten in 10 Farben

Beim Design des Spielmaterials hat man sich bei |Amigo| gewohntermaßen nicht lumpen lassen. Das Thema wurde grafisch sehr stimmig eingefangen und eine entsprechende Spielatmosphäre wird auf Anhieb vermittelt. Darüber hinaus ist die Konstruktion der einzelnen Stockwerke durchaus gelungen; die Holzteile bürgen für einen durchweg überzeugenden Mechanismus und sind gerade für wacklige Aktionen wie einen Turmbau wegen ihrer Stabilität bestens geeignet.

Indes ist man materiellem Überfluss sinnvollerweise aus dem Wege gegangen. Die Anzahl der Mittel ist gestaffelt und für individuelle Spielerzahlen genauestens ausgelegt. Dies verbietet zwar eine Farbwahl beim Spiel zu zweit oder beispielsweise zu dritt, jedoch ist dies ja nun wirklich nicht ausschlaggebend für den letztendlichen Spaß. Folglich steht an dieser Stelle bereits eine sehr positive Teilwertung!

_Spielvorbereitung_

Vor Beginn einer Partie werden die Ruhmesplättchen jeweils auf die zugehörigen Städte verteilt und offen ausgelegt. Sollten fünf Spieler beteiligt sein, wendet man das Spielbrett auf die Seite, auf der auch die Stadt Pistoia abgebildet ist, die nun ebenfalls Teil des Spiels sein wird. Alle Spieler erhalten Stockwerkteile in einer vorgegebenen Stückzahl. Des Weiteren bekommt jeder verdeckt drei Auftragskarten, die er nun in seine Hand aufnimmt. Mit diesen Karten wird er später im Spiel aktiv werden und bauen. Auf die einzelnen Stadtfelder wird indes eine Auftragskarte abgelegt, die übrigen Karten bilden den Nachziehstapel.

_Spielablauf_

Eine Runde in „Patrizier“ verläuft in maximal fünf aufeinander folgenden Phasen, die hier genauer erläutert werden:

|1.) Auftragskarte ausspielen|

Der aktive Spieler wählt eine seiner Handkarten und spielt den darauf abgebildeten Auftrag aus. Diese Karte ermöglicht ihm den Bau eines Stockwerks im dafür vorgesehenen Auftragsort sowie möglicherweise eine Sonderaktion.

|2.) Stockwerk(e) bauen|

Je nach Beschaffenheit des Auftrags setzt der Spieler nun eines oder zwei Stockwerke auf die betroffene Stadt. Er hat dabei die Wahl zwischen zwei Standplätzen für die nachher entstehenden Türme, muss jedoch beachten, dass am Ende des Spiels beide Plätze besetzt sein müssen. Sollte also ein Auftrag vorsehen, dass die letzten Stockwerke aufgesetzt werden (dies ist insofern gewährleistet, als das Baulimit mit der Anzahl der Stockwerke auf den Aufträgen bei jeder Stadt identisch ist), ist man ein wenig eingeschränkt bei seinem Vorhaben. Wichtig ist, dass am Ende nur derjenige Punkte bekommt, der die meisten Teile eines jeden Turms gebaut hat. Bei Unentschieden gewinnt der Spieler, dessen Stockwerk das oberste ist, also kann es sich definitiv lohnen, seine Karten etwas länger aufzuheben. Doch das ist natürlich von Situation zu Situation völlig unterschiedlich …

|3.) Evtl. Sonderaktion durchführen|

Manche Auftragskarten erlauben dem Spieler eine Sonderaktion, mit der er das oberste Stockwerk eines Turms auf den benachbarten Turm der gleichen Stadt versetzen darf. Wichtig: Das versetzte Bauteil darf sich nicht in der Stadt befinden, in der man gerade selbst gebaut hat. Auf diese Weise kann man spielerisch den Verlauf wieder auf den Kopf stellen.

|4.) Auftragskarte nachziehen|

Nach Beendigung einer Bau- und ggf. Sonderaktion zieht man die Karte nach, die sich in der Auslage der Stadt befindet, in der man sein Stockwerk platziert hat.

|5.) Auftragskarte auffüllen|

Im Anschluss an das Nachziehen entsteht eine Lücke in der Auslage der betroffenen Stadt, die mit einer Karte vom Nachziehstapel geschlossen wird. Sollte dieser komplett aufgebraucht sein, neigt sich das Spiel dem Ende zu und die Auslage kann nicht mehr aufgefüllt werden.

Sobald in einer Stadt das Limit an Stockwerken erreicht ist, wird diese sofort gewertet. Der Spieler, der den höchsten Turm besitzt, bekommt die höhere Punktzahl der Stadtauslage, der Sieger beim niedrigeren Turm wird entsprechend mit der kleineren Punktzahl belohnt. Anschließend wird das Spiel wie gehabt fortgesetzt.

_Spielende_

Das Spiel endet sofort, wenn alle Auftragskarten aus dem Spiel bzw. alle Stockwerke in den Türmen untergebracht sind. Im Anschluss addieren die Spieler ihre Ruhmespunkte aus den Turmbauwertungen. Manche Auftragskarten, die im Spiel ausgespielt werden, haben außerdem Patrizierköpfe auf ihrer Unterseite, wobei man hier zwischen drei verschiedenen Figuren unterscheidet. Sollte es jemandem gelungen sein, drei Patrizierköpfe einer Sorte zu sammeln, bekommt er hierfür weitere sechs Ruhmespunkte, die noch in die Endwertung mit aufgenommen werden. Der Spieler mit den meisten Punkten siegt schließlich, bei Gleichstand gewinnt derjenige, der noch die meisten Stockwerke in seinem Vorrat hat.

_Persönlicher Eindruck_

Obwohl „Patrizier“ im Grunde genommen über einen eher weniger komplexen Spielmechanismus verfügt, die grundlegende Idee sehr stark an den Klassiker „Manhattan“ angelehnt ist und das Spiel allgemein gar nicht mal so unwesentlich vom Glück abhängt – schließlich hängt schon einiges davon ab, mit welchen Karten man zu Beginn startet –, überzeugt der neue Titel aus der Feder von Michael Schacht auf Anhieb. Die Regeln sind relativ einfach und überschaubar, das Spieltempo mit einer guten halben Stunde für mehrere Anlässe tauglich und auch die strategische Komponente in Relation mit den glücksabhängigen Elementen des Spiels sehr schön ausgewogen und Garant für einen spannenden, kurzweiligen Schlagabtausch.

Darüber hinaus kann das Spiel aber auch manchmal gemein sein; es gibt Spiele, da scheint es, als seien die Karten extra so positioniert, dass ein Spieler einen ungefährdeten Durchmarsch vollziehen kann. Gerade die heiß begehrten Doppelaufträge, die einem sofort den Bau zweier Stockwerke erlauben, können diesbezüglich für einen Vorentscheid sorgen, den man selbst mit einer ganzen Schar Patrizierköpfe (die man aller Wahrscheinlichkeit eh nicht in allen Sorten komplett bekommen wird) nicht mehr ausbremsen kann. Und dennoch kommen auch Taktiker auf ihre Kosten, sobald die Voraussetzungen in etwa gleich sind und man die Krux des Spiels erfasst hat. Letzteres ist alleine schon durch den wirklich simplen Spielaufbau schnell der Fall, der aber dennoch reichlich Spielraum für unterschiedliche Strategie-Varianten bietet.

Zwar ist „Patrizier“ damit kein wirklich anspruchsvolles Spiel, dank seiner temporeichen Struktur und des garantierten Langzeitspaßes aber immer wieder ein sicherer Rückkehrer für die allabendliche Spielrunde. Meinen Glückwunsch an Herrn Schacht, der innerhalb eines Jahres zwei bemerkenswerte Titel auf den Markt gebracht hat!

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