Schacht, Michael – Zooloretto

_Der überraschende Preisträger_

Lange Wochen und Monate nach der letzten Messe wurde bereits gemunkelt, welcher Spieltitel es auf die prestigereiche Liste der fünf auserwählten Titel für den Vorentscheid zum „Spiel des Jahres 2007“ schaffen würden. Dabei galten einige Fan-Favoriten wie beispielsweise „Die Säulen der Erde“ und „Colosseum“ als gesetzt, ebenso „Die Baumeister von Arkadia“ und „Der Dieb von Bagdad“. Während es die letzten beiden Namen auch tatsächlich dorthin brachten und weniger überraschend auch von „Yspahan“ und dem zweiten |Queen Games|-Werk „Jenseits von Theben“ begleitet wurden, waren sich Kritiker zunächst uneins, was „Zooloretto“ in dieser Auswahl verloren hatte. Schon das abschreckende Cover, welches verstärkt an das klassische Memory-Spiel erinnert, stieß vielen auf, ohne dabei aber wirklich zu wissen, was sich hinter dem hübschen Naturbildchen um den kleinen Pandabär verbirgt. Als „Zooloretto“ letzten Endes dann auch tatsächlich noch das Rennen machte, war die Überraschung groß. Doch mittlerweile ist die damit einhergehende Skepsis schon wieder fast gänzlich gewichen. Viele Neugierige haben sich dann doch einmal zu einer Testrunde hinreißen lassen – und wie nun jeder weiß, hat die Jury erneut Recht behalten: „Zooloretto“, und dem kann ich nach mehreren Testrunden nur zustimmen, ist ein würdiger Träger des wohl wichtigsten europäischen Spielpreises und – das darf ich schon einmal vorwegnehmen – definitiv eines der schönsten Familienspiele der vergangenen Jahrgänge!

_Spielidee_

In „Zooloretto“ schlüpfen zwei bis fünf Spieler in die Rolle eines Zoobesitzers, dessen Ziel darin besteht, möglichst viele Besucher in seine Gehege zu locken und dadurch die wichtigen Besucherpunkte zu erhalten. Wer es dabei schafft, seine Gehege zu füllen und dazu auch noch einige lukrative Verkaufsstände zu platzieren, kommt schließlich auch in den Genuss, seinen Zoo ausbauen und die potenzielle Besucherzahl noch weiter hochtreiben zu können. Allerdings sollte man hierbei einer Überfüllung vorbeugen, denn sind die Gehege einmal voll, müssen die Tiere in den Stall – und das mögen sie überhaupt nicht. Es geht also darum, die maximale Gehegegröße auszureizen, gleichzeitig darauf zu achten, dass die Tierarten voneinander abgeschirmt leben können, und schließlich auch Verkaufsstände aufzubauen, um die Besucher in die einzelnen Abschnitte des Zoos zu locken. Wer hierbei die meisten Punkte einheimst, ist der Gewinner des Spiels.

_Spielmaterial_

• 16 runde Nachwuchsplättchen (jeweils 2 von 8 Tierarten)
• 88 quadratische Tierplättchen (jeweils 11 von 8 Tierarten)
• 12 quadratische Verkaufsstände-Plättchen (jeweils 3 in 4 Typen)
• 12 Münzplättchen
• 5 Zootafeln
• 5 Ausbautafeln
• 5 Transportwagen
• 30 Münzen
• 1 runde Holzscheibe
• 5 Übersichtskarten
• 1 Spielregel

In der Tat hat man sich bei der Gestaltung des Materials zu „Zooloretto“ ordentlich ins Zeug gelegt. Das Material ist nicht nur zeichnerisch sehr liebevoll aufgemacht, sondern auch in Sachen Stabilität und Spielbarkeit eine der momentan besten und vorzeigbarsten Produktionen. So hat man für die Plättchen und Tafeln extradicken Karton verwendet, während die Transportwagen und Münzen in ihrer Holzverarbeitung ohnehin sehr massiv sind. Hinzu kommt die simple, aber effiziente Aufmachung jener Plättchen. Das Spiel bzw. der Umgang mit den Materialien erklärt sich nach kurzer Einführung fast von selbst, was ja nicht nur in Anbetracht der jüngsten Preisverleihung ein entscheidendes Element ist. Insofern also ein dickes, dickes Lob an Michael Schacht und die beteiligten Designer. Das Material ist in jeglicher Hinsicht fantastisch!

_Spielvorbereitung_

Abhängig von der Spielerzahl werden zu Beginn einer Partie mehrere Tierarten aus dem Spiel heraussortiert. Lediglich im Spiel zu fünft bleiben alle Tiere erhalten. Die verbleibenden quadratischen Plättchen mit Tieren, Verkaufsständen und Münzen werden nun gemischt und verdeckt auf dem Spieltisch verteilt. Es bietet sich auch an, den mitgelieferten Stoffsack zu verwenden und sie darin zu verstauen. Nun werden 15 Plättchen gezogen und verdeckt aufeinander gelegt. Ans obere Ende legt man schließlich die rote Holzscheibe als Markierung. Sobald alle Plättchen aufgebraucht sind und man in der Aktionsphase auf diesen Stapel zurückgreifen muss, wird die letzte Runde eingeläutet.

Die Nachwuchsplättchen werden indes offen abgelegt, ebenso die Münzen. Für jeden Spieler werden ein Transportwagen, eine Zoo- und eine Ausbautafel genommen. Letztere erhält er nun als sein Spielbrett, wobei die Ausbautafel noch verdeckt bleibt. Außerdem bekommt man ein Startguthaben von zwei Münzen, mit dem nun das Spiel beginnen kann. Der Startspieler wird hierzu per Zufall ausgewählt.

_Spielablauf_

Das Spiel gliedert sich in genau drei Aktionsphasen, aus deren Pool man jeweils eine pro Zug auswählen darf. Folgende Möglichkeiten stehen den Spielern zur Verfügung:

• ein Plättchen auf einen Transportwagen legen
• einen Transportwagen nehmen und aussteigen
• eine Geldaktion durchführen

|a) Ein Plättchen auf einen Transportwagen legen|

Der Spieler nimmt eines der verdeckten Plättchen auf und entscheidet sich nun, auf welchen Transportwagen es abgelegt werden soll. Hierbei muss das Fassungsvermögen von drei Plättchen pro Wagen bedacht werden. Außerdem sollte man überlegen, inwiefern man sich selber einen Vorteil verschaffen und den Gegner gleichzeitig schwächen kann. Eine zu kostbare Zusammenstellung könnte nämlich dazu führen, dass der nächste Spieler einem den prall gefüllten Wagen vor der Nase wegschnappt und man auch noch aktiv dazu beigetragen hat, den Konkurrenten zu bereichern. Daher wird gerade in diesem Schritt schon sehr häufig über den weiteren Verlauf des Spiels entschieden, da der Faktor Risiko hier mit Abstand am höchsten ist.

Sobald alle Wagen gefüllt sind, muss man später auf eine andere Aktionsmöglichkeit ausweichen. Anders schaut es hingegen aus, wenn keine Plättchen mehr auf den regulären Nachziehstapeln liegen. In diesem Fall wird nun der Stapel, der noch von der roten Holzscheibe abgedeckt wird, verwendet und damit auch die letzte Spielrunde eingeleitet.

|b) Einen Transportwagen nehmen und aussteigen|

Auch in dieser Aktion spielt das Risiko eine bedeutende Rolle. Man hat nämlich die Möglichkeit, sich einen Transportwagen vorzeitig zu nehmen, kann aber auch warten, bis er eventuell noch besser gefüllt ist, wobei diesbezüglich nie Garantie besteht. Ohne Risikobereitschaft läuft hier demzufolge also nichts.

Sobald ein Spieler für sich nun für diese Möglichkeit entscheidet, nimmt er einen Wagen an sich und legt die Plättchen in einem seiner drei Gehege oder eben in seinem Stall an. Es sind dabei Bedingungen zu beachten, zum Beispiel dass pro Gehege nur eine Tierart erlaubt ist, so dass man eventuell auf den Stall zurückkommen muss. Dort sind die Tiere aber natürlich unzufrieden, und man sollte schauen, sie schnellstmöglich wieder herauszuholen, damit es am Ende der Partie keine Minuspunkte gibt. Erfreulicher ist stattdessen die Vervollständigung eines Geheges. Sobald das letzte Tierplättchen dort ausgelegt wurde, bekommt man einen auf dem Spielplan verankerten Münzsatz ausgehändigt. Dies kann auch dann geschehen, wenn Männchen und Weibchen einer Tierart aufeinander stoßen. Sollte dies der Fall sein, bekommen sie umgehend Nachwuchs und füllen ein weiteres Feld im Gehege.

Unter den Gütern des Transportwagens könnte sich auch ein Verkaufsstand befinden. Diesen abzugreifen, ist auch eine wichtige Maßnahme, da er selbst in schwächer besetzte Gehege Besucher lockt und auch bei der Endpunktverteilung in diesen Bereichen Punkte sichert. Aber auch Geld ist ein wichtiges Element, denn ohne finanzielle Unterstützung wird man weder seinen Zoo ausbauen noch zwischendurch wichtige Tausch- und Umbauaktionen durchführen.

Wer allerdings den Wagen nimmt, ist für die laufende Runde ruhiggestellt; er darf erst dann wieder aktiv am Spiel teilnehmen, wenn alle Spieler einen Wagen genommen und abgeladen haben.

|c) Eine Geldaktion ausführen|

Mit Geld kann man in „Zooloretto“ Entscheidendes bewegen. Für den Preis einer Münze ist es zum Beispiel möglich, im Stall zwischengelagerte Tiere auf eines der Gehege zu verteilen. Der Preis versteht sich dabei pro Tier. Ausweichend kann man auch Tierarten zwischen zwei Gehegen bzw. dem Stall tauschen, sofern dies logistisch möglich ist. Man spricht bei diesen Aktionen von Umbau. Darunter fällt auch die Versetzung eines Verkaufsstandes innerhalb des Spielplans.

Ein wenig teurer ist der Kauf eines Tieres aus dem gegnerischen Stall. Für zwei Münzen pro Tier (eine geht hiervon an den Spieler, eine an die Bank) kann man hier nach Belieben zugreifen, ohne dass der bisherige Eigentümer eingreifen könnte. Auch die Abgabe eines Tieres aus dem Stall ist zu dieser Summe möglich.

Die teuerste Zugalternative ist schließlich der Ausbau des Zoos. Mit drei Münzen kann man nun die Ausbautafel aufdecken und sie für das weitere Spiel gebrauchen.

Das Spiel wird nun so lange fortgesetzt, bis der Stapel unter der roten Holzscheibe angebrochen wird. Die dann begonnene Runde wird noch zu Ende gespielt und anschließend die Wertung angefügt.

_Spielende und Wertung_

Nach der letzten Spielrunde wird abgerechnet. Jedes volle Gehege bringt eine festgelegte Punktzahl. Leichte Abzüge gibt es, falls genau ein Tier im Gehege fehlt. Diejenigen Tierparks indes, in denen noch mehr Stellplätze frei geblieben sind, werden zunächst einmal nicht mit Punkten gelohnt, es sei denn, dort ist auch ein Verkaufsstand aufgebaut. In diesem Fall bekommt man immerhin noch einen Punkt pro Tierplättchen.
Derweil sind auch Punktabzüge an der Tagesordnung, und zwar jeweils zwei für jeden Verkaufsstand und jede Tierart, die sich noch im Stall befinden.

Das Spiel gewinnt letztendlich derjenige, der aus dieser Schlusswertung mit den meisten Punkten hervorgeht.

_Persönlicher Eindruck_

Zugegeben, ich gehörte auch zur Gruppe der Zweifler und damit zu denjenigen, die potenziell andere Titel der nunmehr bald abgelaufenen Saison an der Spitze gesehen haben. Allerdings muss ich auch ehrlich gestehen, dass mir „Zooloretto“ nur vom Hörensagen ein Begriff war und ich mich kurzzeitig über die Nichtberücksichtigung von „Colosseum“ und „Die Säulen der Erde“ wunderte. Denn nach den Erfahrungen mit diesen beiden Titeln hätte ich mir eine Steigerung in diesem Bereich kaum vorstellen können.

Doch genau dies – und das ist mir mit ein wenig Distanz auch bewusst geworden – soll „Zooloretto“ allerdings auch gar nicht sein, weil man sich einfach ganz klar vor Augen führen muss, dass die vielzitierte Auszeichnung auf ganz individuellen Kriterien aufbaut und vor allem darauf gemünzt ist, einen Titel auszuwählen, der ein sehr breites Publikum anspricht. Und unter Berücksichtigung dessen muss man die Jury zu ihrer Entscheidung beglückwünschen; man hat nämlich wieder einmal ein Spiel gefunden, welches nicht nur für alle Altersklassen geeignet scheint, sondern auch die Bereiche Strategie, Glück, Risikobereitschaft und Langzeitspaß zu einer homogenen Einheit verschweißt und demzufolge als bester Allrounder aus der Wahl hervorgeht. Insofern stimme auch ich zu, dass wir in der Liste der Auserwählten erneut einen würdigen Titelträger ehren können, der sich in die Qualitätshochburg der jüngsten Sieger (sieht man mal vom eher überbewerteten „Niagara“ ab) nahtlos einreiht.

Davon einmal abgesehen, sollte man „Zooloretto“ auf keinen Fall bloß unter dem Aspekt der diesjährigen Ehrung betrachten, selbst wenn die damit einhergehenden Erwartungshaltungen vollends befriedigt werden. Das Spiel ist nämlich auch aus ganz unabhängiger Perspektive gesehen ein richtig tolles Familienspiel mit innovativen strategischen Inhalten, spannender Interaktion und dazu auch sympathischer Aufmachung. Obwohl der generelle Spielaufbau eher schlicht ist, gilt es doch so viel zu berücksichtigen, angefangen bei der Entscheidungsfindung in den aktiven Aktionsmöglichkeiten bis hin zur kniffligen Frage, wann man seine Transportwagen in den Zoo befördert. Runde für Runde bestimmt der persönliche Wagemut über das mehr oder minder glücklichere Schicksal des Spielers und macht das Ganze zu einem unverhofft, aber begrüßenswert taktischen Vergnügen, das zudem auch noch äußerst temporeich sein kann.

Die Kombination dessen sowie die verhältnismäßig kurze Spielzeit animieren schließlich auch Wiederholungstäter immer wieder von neuem und lösen sogar ein kleines Suchtgefühl aus, das ich mir nach den ersten Informationen über das Spiel nie hätte träumen lassen. Doch es macht weiterhin Spaß, mich vom Gegenteil zu überzeugen und das bunte, dynamische Treiben im eigenen Zoo ständig zu begutachten. Und damit haben wir gleich zwei Dinge gelernt: Erstens soll man sich nicht von einem nichts sagenden Cover in der ersten Meinungsbildung beeinflussen lassen, und zweitens sollte man nun wirklich nicht zu viel auf die skeptischen Analysen Dritter geben, bevor man sich selber einen Eindruck verschafft hat. Nichtsdestotrotz hoffe ich jedoch, dass man meinem Resümee vertraut, das da lautet, dass „Zooloretto“ ganz losgelöst von den beabsichtigten Vergleichen mit den übrigen Titelanwärtern berechtigterweise „Spiel des Jahres 2007“ geworden und im Bereich der spielerischen Familienunterhaltung einfach top ist!

http://www.abacusspiele.de

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