_Das Ziel seiner Wanderung_ war klar, der Weg auch, doch irgendwie wusste Peter Schanz am Ende doch nicht so recht, worauf er sich bei seiner Pilgerreise „Mitten durchs Land“ einlassen würde. Ging es in erster Linie darum, Geschichte aufzuarbeiten und den Wandel hautnah zu spüren? Sollte der Mauerfall kurz vor dem zwanzigsten Jubiläum noch einmal ins Gedächtnis gerufen werden, mit all seinen Hoffnungen und Ängsten? Oder wollte Schanz bei seinem Marsch über den K-Weg letzten Endes doch nur zu sich selbst finden und wie bei vielen seiner vorherigen ländlichen Expeditionen die Idylle der natürlichen Umgebung aufsaugen?
Als der geschätzte Schreiber zu seiner knapp drei Monate währenden Reise aufbrach, schlummerten sicherlich die unterschiedlichsten Gedanken in seinem Unterbewusstsein, von denen sich viele bestätigen sollten, viele aber auch auf eine andere, kaum fassbare Art und Weise an ihn herantreten. Schanz erwartete sicherlich alles, vom Kulturschock bis hin zum gemütlichen Treffen mit einigen Ewiggestrigen. Doch die Vielfalt, die ihm während dieses Pilgermarsches durch ein gewaltiges Stück deutsch-deutscher Geschichte begegnete, sollte selbst einen Menschen wie Peter Schanz völlig verblüfft haben.
Und diesen Umstand lässt er seine Leser spüren, unter anderem im feinen Humor, mit dem er die Kontakte und vor allem die außergewöhnlichen Begebenheiten beschreibt. Es sind einfache Wirtsleute, die er antrifft und die den gesellschaftlichen Wandel in den letzten anderthalb Dekaden hautnah erlebt haben. Vom Profit zur Pleite, von der Hoffnungslosigkeit in die Euphorie und zurück, von Vorurteilen zu Intoleranz und Verbohrtheit, von Offenheit und Freude über die Wiedervereinigung – sie haben so vieles zu erzählen, und dennoch hat wirklich jeder Bürger, dem Schanz über den Weg läuft, eine komplett andere Einstellung zu den Entwicklungen während und nach der deutschen Einheit.
Nun beschäftigt sich „Mitten durchs Land“ im Kern sicherlich nicht bloß mit dem Thema Ost versus West beziehungsweise den Folgen der erneuerten Zusammengehörigkeit, sondern viel eher mit dem Gesellschaftsbild in den völlig unterschiedlichen Regionen entlang des alten Mauerstrichs. Und das färbt nicht nur auf die Meinungen und Urteile derjenigen ab, die sich von Schanz ins Gespräch bringen lassen, sondern auch auf das Landschaftsbild, welches stellenweise deutlich aufgewertet, dann aber wieder verkommen, verwahrlost, ja manchmal fast schon nicht mehr beachtet erscheint. Gleich mehrfach kommt der Autor vom Weg ab und dringt kurzzeitig tiefer ins Land ein, trifft dort wieder neue Menschen, schlemmt unerwartete lokale Spezialitäten, betreibt selber eine umfassende Meinungskunde und lässt sich zuletzt immer wieder überraschen und verblüffen von all dem, was seinen Weg kreuzt und ihn in seiner eigenen Einstellung formt.
_Schanz schafft es_ bei all diesen kontrastreichen Einflüssen aber stets, die eigene Note schön in die Geschichte einzubringen und unterschwellig auch seine Eindrücke subjektiv zu verwerten; wenn er beispielsweise die heruntergekommene Landschaft jenseits des K-Wegs mit spitzfindigen Bemerkungen kommentiert oder etwa den Ost-West-Konflikt zwischendurch mit trockenem, nüchternem Humor abstraft, so wird man immer wieder zum Schmunzeln verleitet. Ebenso fein arbeitet der Autor auch gern irgendwelche Anglizismen und modern-deutsche Floskeln ein, die sich prima mit den Gesprächsfetzen, die er zwischen den Zeilen aufarbeitet, vermischen und eine ganz eigene Form des philosophischen Wortwitzes kreieren – und ganz egal, wie er es auch anstellt: Schanz redet um den heißen Brei herum, indem er auf den Punkt kommt und hat die Lacher stets auf seiner Seite.
Als er schließlich nach mehr als 80 Tagen und 1500 Kilometern seine Reise beendet und die norddeutsche Küste erreicht, wissen er und seine Leser zumindest eines: Dieser Marsch war lohnenswert und aufschlussreich – und lädt ein, bei entsprechender Fitness ebenfalls bestritten zu werden. Mehr Inspiration – und das trotz der hiermit überhaupt nicht in Verbindung stehenden Grundaussage des Buches – hätte man kaum geben können! Und mehr schlicht behaftete Leidenschaft für ein solches Projekt kann man sich kaum erhoffen – ebenso wie einen größeren Unterhaltungswert für ein Buch, das eigentlich lediglich die Verschriftlichung einer Pilgerreise durch unseren eigenen, vertrauten Staat darstellt.
|Gebunden: 253 Seiten mit 64 Farbfotos
ISBN-13: 978-3-351-02705-6|
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