Schriever, Tomke – Totenschiffer, Der

_Inhalt_

Bei Leer in Ostfriesland wird ein ermordeter Mann gefunden. Der Täter scheint aber nicht einfach nur den Tod des Mannes gewollt zu haben, er arbeitet mit Symbolik: Der Tote liegt auf einer Fähre, neben ihm ein Hammer und ein toter Hund. Die Kripobeamten ziehen die Psychotherapeutin Hannah Tergarten hinzu. Sie erkennt in dem Toten einen Kollegen, und Hammer, Hund und Fähre stellen sich als Utensilien Charons heraus, des Fährmanns der griechischen Mythologie, der die Seelen der Toten über den Unterseefluss Styx in ihre neue Heimat bringt.

Hannah tappt im Dunkeln, doch ehe sie noch mit dem lähmenden Grauen umzugehen lernt, das der rätselhafte Tod ihres Kollegen in ihr auslöst, wird sie an einen zweiten Tatort gerufen: Unter qualvollen Umständen starb hier eine junge Lehrerin, und in ihrem Mund findet sich eine Münze – so, wie sie im antiken Griechenland den Toten mitgegeben wurde als Bezahlung Charons.

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen den beiden Ermordeten? Wo ist die Schwester der jungen Lehrerin, warum versteckt sie sich? Ist sie die Mörderin, oder weiß sie einfach zu viel? Und wie um alles in der Welt soll Hannah sich auf diese Morde konzentrieren, wenn ihr Vater, zu dem sie ein problematisches Verhältnis hat, zwischendurch eine Bombe gewaltigen Ausmaßes platzen lässt? Auch die junge Beziehung Hannahs zu dem Kripobeamten Enno Hehren gestaltet sich nicht unproblematisch, speziell, wenn die Arbeit der beiden kollidiert: Als die Patienten des ersten Mordopfers in den Ermittlungsfokus rücken, wirft Hannah sich dazwischen, bereit, die Rechte der zu Therapierenden mit Klauen und Zähnen zu verteidigen. Kein Wunder also, dass bei diesem Wust aus vielerlei Problemen und offenen Enden die Ermittlungen nur schleppend vorangehen. Und all das ist nur der Anfang …

_Kritik_

Die Protagonistin dieses Romans hat es nicht ganz leicht: Gerade erst war sie nach einer traumatischen Erfahrung von Hamburg aus ins ruhige Ostfriesland gezogen, und dann passiert so etwas vollkommen Unwirkliches wie diese mythologiegeschwängerten Morde. Obwohl die Morde an sich natürlich so hässlich und widerlich sind, wie ein gewaltsamer Tod nur sein kann, mutet das Drumherum seltsam an, denn ist es eine sehr reizvolle Idee, altgriechische Mythologie mit einem kalten, banalen ostfriesischen Spätherbst und Winter zu verquicken.

Die Entwicklung der Geschichte ist ausgesprochen spannend, Tomke Schriever hetzt ihre Leser von einer falschen Spur auf die nächste, und die permanente Ungewissheit über das Schicksal verschiedener Personen zerrt aufs Angenehmste an den Nerven des Krimilesers. Die Kombination aus der empathischen, grundoptimistischen Therapeutin und den trockenen, logisch denkenden, immer das Schlimmste erwartenden Kripobeamten sorgt für Zunder, selbst wenn die persönlichen Beziehungen zwischen den Parteien durchaus freundschaftlicher Natur sind.

Tomke Schriever befleißigt sich eines angenehmen Stils; sie schreibt aus der Perspektive der Therapeutin und ermöglicht so tiefe Einblicke in deren Sicht der Angelegenheit, die von dem normalen Polizeiblickwinkel erfrischend abweicht. Ausgefallene Morde, verzweifelte Suche nach vermissten Personen, seelische Abgründe, familiäre Probleme und politische heiße Eisen vereinen sich in diesem Regionalkrimi zu einem wirklich lesenswerten Stück Unterhaltungsliteratur.

_Fazit_

Tomke Schriever ist ein Pseudonym Helga Glaeseners, die seit langem historische Romane verfasst. Unter diesem fremden Namen hat sie nun eine neue Reihe begonnen, deren Heldin Hannah Tergarten ist. „Der Totenschiffer“ ist Teil zwei dieser Reihe, und ich werde mir jetzt Teil eins ebenfalls zu Gemüte führen, denn ich war angetan.

Hannah Tergarten ist eine sympathische, unaufgeregte, interessante Protagonistin, ihre Interaktion mit den anderen Personen im Buch ist glaubwürdig und ausgefeilt. Gerade die Natürlichkeit und der gesunde Menschenverstand der Therapeutin machen es Schriever möglich, ein unterschwelliges undeutbares Gefühl drohender Gefahr zu vermitteln: Wenn jemand so gar nicht zur Hysterie neigt, muss wirklich etwas im Argen sein, wenn sich die Situation seltsam anfühlt. Die Autorin beweist deutliches Gespür für Charaktere, Spannungsaufbau und sprachliche Angemessenheit. Krimifans kann ich die Lektüre nur wärmstens empfehlen. Lesen!

|Taschenbuch: 352 Seiten
ISBN-13: 978-3499253799|
[www.rowohlt.de]http://www.rowohlt.de
[www.tomke-schriever.de]http://www.tomke-schriever.de

_Tomke Schriever bei |Buchwurm.info|:_
[„Und dann war Stille“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5908

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