Schüller, Martin – TATORT: A gmahde Wiesn

Den TATORT kennt heute selbst jedes Kind. Kaum ein Format kann auf eine längere und erfolgreichere Geschichte im deutschen Fernsehen zurückblicken als die legendäre Krimiserie der ARD. 2010 feierte man Vierzigjähriges. Die beliebtesten Kommissare bzw. Ermittlungsteams gehen seit einiger Zeit auch in Buchform auf Verbrecherjagd. Als Vorlage dienen bereits im TV ausgestrahlte Fälle. Die jeweils meist um die 160 Seiten starken Bücher erscheinen seit Ende September 2009 als Broschur bei |Emons| und kosten 8,95 Euro pro Band. Mit der zweiten Veröffentlichungswelle wurde das äußere Erscheinungsbild etwas angepasst. „A gmahde Wiesn“ gehört noch zur ersten Tranche und ist – wie der mundartliche Titel unschwer erkennen lässt – das Stichwort für das beliebte Münchener Trio Leitmayr, Batic und Menzinger.

_Zur Story_

Es ist Wiesn-Zeit in München, das heißt die heiße Phase der Vergabe hat begonnen. Da die Plätze auf der berühmten Theresienwiese begrenzt sind, trifft die Stadt nach einem mehr oder weniger ausgeklügelten Punktesystem die Entscheidung, welcher Wirt und welcher Schausteller – ob überhaupt und in welchem Umfang – eine der begehrten Lizenzen ergattert. Der Konkurrenzdruck, auf dem „größten Volksfest der Welt“ zugegen zu sein, ist hoch. Für manch ansässige Gewerbetreibende ist die Wiesn nicht nur die umsatzstärkste Zeit des Jahres, sondern es geht teilweise sogar um die blanke Existenz, wenn für sie diese lukrative Einnahmequelle wegfallen oder auch nur reduziert werden würde. Fast schon traditionell haben sich Wirte und Schausteller gegenseitig im Visier, gegenüber der anderen Gruppe benachteiligt zu sein.

Das schafft selbstverständlich Nährboden für Gerüchte um angebliche Mauscheleien, versuchte Bestechung und Gefälligkeiten unter Spezis. Vor diesem Hintergrund ist der recht Aufsehen erregende Tod des für die Vergabe maßgeblich verantwortlichen Stadtrates Serner natürlich besonders pikant: Verprügelt, angeschossen und schließlich im Gartenteich seiner Prunkvilla ertrunken. In dieser Reihenfolge. Da es für München um Millionenumsätze geht und man negative Publicity logischerweise fürchtet, werden den Kommissaren Franz Leitmayr, Ivo Batic und Carlo Menzinger von ganz oben Fingerspitzengefühl, absolute Diskretion und rascher Erfolg abverlangt. Damit sieht es aber eher mau aus, denn Ivo verguckt sich ausgerechnet in eine offensichtlich nicht ganz unbeteiligte Zeugin und wird beim intimen Techtelmechtel angeschossen.

_Eindrücke_

Der Titel ist Programm und wie nicht anders zu erwarten durchaus mehrdeutig zu verstehen. „A gmahde Wiesn“ heißt ins Hochdeutsche übersetzt: „Eine gemähte Wiese“. Es bezeichnet aber auch eine bayuwarische Redensart, worunter „eine todsichere/abgemachte Sache“ zu verstehen ist. Und dass die „Wiesn“ letztendlich auch den nun noch fälligen Bezug zum berühmten Oktoberfest herstellt, dürfte ebenfalls klar sein. Überhaupt strotzt der Roman vor Lokalkolorit, welches mit einer feinen Prise Humor und teilweise auch in Mundart serviert wird. Martin Schüller, der sonst eher die nordrheinwestfälischen Kommissare (Thiel/Boerne sowie Ballauf/Schenk) literarisch „betreut“, scheint sich im vermeintlichen Sumpf der Münchener Vetternwirtschaft und in der Gedankenwelt des ermittelnden Trios höchst wohl zu fühlen.

Die manchmal etwas schrulligen Münchener Hauptkommissare (in diesem Fall noch drei, Carlo – im TV dargestellt durch Michael Fitz – verlässt die Serie später) sind im Bewusstsein des Zuschauers stark durch die Schauspieler Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec verankert. Das drückt dem Fall auch in der Romanform seinen Stempel vor dem geistigen Auge auf – jedenfalls wenn man zu den halbwegs kundigen Tatort-Zuschauern gehört. Allerdings gehört die Fernsehfassung zwar zu den sehenswerten Episoden, die man unter dem Prädikat „ganz nett aber durchschnittlich“ einsortieren mag, die Buchfassung toppt sie jedoch problemlos. Das ist eigentlich eher selten, da die Geschichte schließlich fürs TV konzipiert wurde. Dennoch erscheint die Adaption von Friedrich Anis Drehbuch irgendwie runder und flotter als die Vorlage.

_Fazit_

Um im Bild zu bleiben: Eine klare Sache. Die Umsetzung des Stoffes in einen Roman hat der ansonsten absolut identischen Story sehr gut getan und die Essenz sowie Ambiente des Münchener TATORTs exakt getroffen. Der Stil ist fluffig, hat Spannung, Witz, recht authentische Charaktere und gewährt zudem ziemlich glaubhafte Einblicke in die Persönlichkeiten der (Haupt-)Figuren. Das macht die ohnehin charmanten Kommissare noch eine Spur sympathischer und verschafft dem Buch einen deutlichen Vorteil im Vergleich zur Fernsehfassung. Es liest sich auch an den Stellen noch flüssig, an denen die TV-Version ein wenig durchhängt.

|ISBN: 978-3-89705-664-0
160 Seiten, Broschur|
http://www.emons-verlag.de

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