Schüller, Martin – TATORT: Das ewig Böse

_Zur Story_

Die Zaubershow Professor Boernes anlässlich einer Benefiz-Veranstaltung zum Tode des Münsteraner Keksfabrikanten Franz Stettenkamp, erbringt Seltsames. Unter der Hypnose Boernes erinnert sich dessen Enkelin an die Todesnacht und enthüllt dabei, dass dieser, in seinen letzten Atemzügen liegend, meinte vergiftet worden zu sein. Eine Exhumierung der Leiche ergibt, dass der Firmenpatriarch in der Tat vorsätzlich ins Jenseits befördert wurde. Genau wie ein junger Drachenflieger, bei dem man anfänglich erst auf eine Überdosis tippte, bis die gewissenhafte Pathologie-Assistentin „Alberich“ auch in seinem Blut Spuren des gleichen Giftes findet. Kannte der tote Apothekersohn die Familie, die vom alten Stettenkamp kurz zuvor angeblich enterbt werden sollte? Boerne jedenfalls ist die High-Society-Sippe nicht unbekannt, mit Schwiegertochter Sieglinde drückte er damals sogar die Schulbank. Er „unterstützt“ in seiner bekannt aufdringlichen und gestelzten Art seinen stets etwas prolligen wie mürrischen „Kollegen“ Thiel, der sich in feineren Kreisen eher ungern bewegt. Zudem plagen den derzeit geheimnisvolle Geldsorgen.

_Eindrücke_

Martin Schüller adaptierte mit „Das ewig Böse“ inzwischen den zweiten Fall des beliebten Münsteraner Ermittlerteams, wobei dieses natürlich ganz stark von den ständigen Käbbeleien der Hauptfiguren Professor Karl-Friedrich „KaEff“ Boerne und Hauptkommissar Frank Thiel lebt. Doch auch die Randfiguren sind oft ziemlich schräg, zumindest was die androgyne Staatsanwältn Wilhelmine Klemm und Thiels alten, taxifahrenden Herrn „Vaddern“ Herbert angeht, der seine Finger eigentlich immer irgendwie in irgendwelchen krummen Sachen hat. Diesmal selbstverständlich auch wieder. Der Fernsehzuschauer liebt diese gegensätzliche Mischung aus plakativ (über-)präsentierten Intellekt und vermeintlichem Proletentum, die zu haufenweise Situationskomik sowie (Long) Running Gags einlädt, heiß und innig. Die Einschaltquoten sprechen eine deutliche Sprache. Dies vom Drehbuch in den Roman herüber zu retten ist eine verdammt schwierige Aufgabe, die nicht immer gelingen kann, da viel vom Flair allein von den Darstellern u. a. deren Gestik und Mimik abhängt. Im Buch gelten da naturgegeben ganz andere Regeln.

So wird aus dem Roman eine bessere Nacherzählung des bereits aus dem Fernsehen bekannten Stoffes, bei dem eine Menge der dortigen Atmosphäre auf der Strecke bleibt. Ja zwangsläufig bleiben muss, da optische und akustische Eindrücke durch Buchstaben nur schwer zu ersetzen sind. Boernes blasierte Von-oben-herab-Sprechweise ebenso wie Thiels meist etwas schmuddelig wirkendes und zerknittertes Outfit, schmetternde Wagner-Opernklänge in der Pathologie sowie auch solche Kleinigkeiten wie Thiels „Auf der Reeperbahn“-Handy-Klingelton oder die bassig-rauchige Stimme der Staatsanwältin. All das kann man zwar auch in Worte fassen, was auch rege und gekonnt geschieht, doch trotzdem wirkt es nicht so wie auf dem Bildschirm. Der TATORT aus Münster ist besonders deutlich – quasi auf Gedeih und Verderb – auf das Zusammenspiel der Schauspieler gekoppelt. Hauptsächlich das von Axel Prahl und Jan-Josef Liefers. Dennoch ist „Das ewig Böse“ ein vielschichtiger, zuweilen undurchsichtiger und interessant zu lesender Fall. Vom Spannungsbogen her ziehen da beide Fassungen in etwa gleich.

_Fazit_

Ganz klarer Vorteil für die TV-Fassung, die darstellerisch aus dem Vollen schöpfen kann, während der Roman in dieser Disziplin klar ins Hintertreffen gelangt – trotz aller ehrenhaften Bemühungen des Autors den Fall, den ihm das Drehbuch vorgibt, in trockene Tücher zu bekommen. Das gelingt eigentlich auch passabel und liest sich flott, doch der allerletzte Pfiff der Fernsehvorbilder fehlt dem Buch, wenn man den direkten Vergleich zieht. Das kann man ihm allerdings nicht einmal wirklich anlasten, der Münsteraner Tatort lebt eben ganz stark von den Schauspielern und die kann man nicht so ohne Weiteres in Worte pressen, was schlicht und einfach in der Natur der Sache liegt.

|Taschenbuch, 154 Seiten
Martin Schüller nach einem Drehbuch von Rainer Matsutani
Erstveröffentlichung: Oktober 2010
ISBN 978-3-89705-748-7|
[Emons Verlag]http://www.emons-verlag.de

_Der TATORT bei |Buchwurm:|_
[40 Jahre TATORT – Das Lexikon]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7281
[Köln: Die Blume des Bösen]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6803
[München: A gmahde Wiesn]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6804
[Saarbrücken: Aus der Traum]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6547
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