Schüller, Martin – TATORT: Tempelräuber

Begeisterte die TATORT-Serie über Jahrzehnte hinweg ein Millionenpublikum vor dem Fernseher, läutete der |Emons|-Verlag eine neue Ära ein: Die beliebteste deutsche Krimiserie schaffte im Herbst 2009 auch den Sprung in die Literatur. Basierend auf Drehbüchern bereits gesendeter Folgen werden seither eine ganze Reihe Fälle ausgewählter und beliebter Ermittler auch als Roman angeboten. Erfolgreich. Der ersten Welle von Veröffentlichungen folgten unlängst weitere. Mittlerweile hat sich lediglich das Cover Design etwas geändert.

_Zur Story_

Hauptkommissar Frank Thiel hat es nun wahrlich nicht leicht. Das bekennende Heidenkind vom Hamburger Kiez lebt und arbeitet nunmehr seit einiger Zeit mitten im erzkatholischen Münster. Als wäre das noch nicht genug, erwischt es einen hohen Geistlichen auf offener Straße. Regens Mühlenberg wird mehrfach überrollt – pikantes Detail: mit dem Taxi von Thiels Hippie-Vater Herbert. Doch auch das reicht noch nicht: Der Gerichtsmediziner, hochmütige Dauernervensäge und penetranter Hobby-Einmischer (überdies auch noch sein Nachbar sowie Vermieter in Personalunion) Professor Karl-Friedrich „Ka-Eff“ Boerne wird zufällig Zeuge der Tat und erleidet beim Rettungsversuch selbst einige üble Frakturen, welche ihn – nicht nur arbeitsmedizinisch – eigentlich außer Gefecht setzen müssten. Eigentlich.

Boerne türmt aus der Obhut seiner Ärztekollegen im Krankenhaus und begibt sich – beidseitig vom Handgelenk bis zu den Schultern in Gips gepackt – unverzüglich an den Obduktionstisch. Die Sache nimmt er persönlich, obwohl er praktisch immobilisiert ist. Assistentin „Alberich“ wird’s schon richten. Und seinen Haushalt kann ja Thiel nebenher erledigen, wozu hat man schließlich Nachbarn. Der hat indes Besseres zu tun, als sich um solche Kindereien zu kümmern – zumal die Staatsanwältin ihm im Nacken sitzt, da „ein toter Geistlicher in Münster soviel zählt wie drei tote Bürgermeister“. Die Spur führt zu einem Priesterseminar, bei dem wohl nicht alle immer mit dem Hardliner Mühlenberg konform gingen. Irgendwie hängt in den heiligen Hallen der Haussegen ziemlich schief. Doch reicht das für einen Mord?

_Eindrücke_

Zweifellos gehören die Münsteraner zu den absoluten Publikumslieblingen. Selbst sonst eingefleischte Tatort-Verweigerer vermögen sie vor den Bildschirm zu locken. Zu köstlich sind die Reibereien zwischen Thiel und Boerne, sowie den ebenfalls bemerkenswert verschrobenen Randfiguren. Als da wären: Staatsanwältin Wilhelmine Klemm oder Herbert „Vaddern“ Thiel. Kommissar Thiels tüchtige Assistentin Nadeshda Krusenstern (welche er im Buch unverständlicherweise gelegentlich duzt) und die kleinwüchsige Gerichtsmedizinerin Silke „Alberich“ Haller scheinen die einzig halbwegs „normalen“ Figuren zu sein. Sieht man von Thiel selbst einmal ab: Der ist zwar häufig muffig, aber weit davon entfernt exzentrisch zu sein. Seinen überaus wachen Verstand versteckt er gut unter seinem manchmal leicht ungepflegt wirkenden Äußeren.

Leider will das im Roman alles nicht so recht ziehen. Es stellt sich auch nicht die Frage, ob es nur am Fall selbst liegt, der sicherlich nicht zu den besten seiner Art gehört. Auch die Fernsehfolge war nicht grade ein Glanzstück gewesen. Das Problem liegt hauptsächlich darin, dass bei der Transformation ganz wichtige Elemente auf der Strecke blieben. Ja, zwangsläufig bleiben mussten: Gestik, Mimik und Tonfall und somit das Gros der markanten Situationskomik zum Beispiel. Ein gewichtiger Teil des Erfolges des Münsteraner Tatorts geht eben halt auf dieses Konto. Sprich: Nicht nur das Was ist wichtig, sondern auch wie etwas nonverbal ausgedrückt wird, ist – gerade dort – faktisch unabdingbarer Bestandteil der Handlung. Das kann man nicht so ohne Weiteres in einen Roman übertragen. Da kann Martin Schüller sich noch so redlich bemühen.

_Fazit_

Thiel und Boerne als Roman – kann das gut gehen? Jein. Das Buch ist der Fernsehfassung gegenüber grandios im Nachteil und schafft es eher selten den richtigen Ton der Kult-Ermittler zu treffen. Das liegt in der Natur der Sache: Speziell diese Tatorte muss man sehen und hören, damit ihre Figuren die volle Wirkung entfalten. Solche Mittel stehen in der Literatur aber nicht zur Verfügung und man kann nur versuchen, das Beste raus zu holen – und das ist bei diesem ohnehin mittelmäßigen Fall sehr schwer. Man bekommt hier einen immerhin leidlich unterhaltsamen Krimi mit gesellschaftskritischem Thema in die Hand, welcher mal eben zwischendurch gelesen und verdaut ist. Als Appetizer (oder wahlweise Gedächtnisstütze) bis zur nächsten TV-Ausstrahlung.

|Begleitbuch zur gleichnamigen ARD-Serie „Tatort“
Nach einem Drehbuch von Magnus Vattrodt
ISBN: 978-3-89705-733-3
156 Seiten, Broschur|
www.emons-verlag.de

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