Schumacher, Lutz – Ich kann so nicht arbeiten – Geschichten aus dem Büro

Scherereien am Arbeitsplatz? Unqualifiziertes ‚Fachpersonal‘? Vetternwirtschaft? Die Episoden, die sich in den Büros größerer Konzerne unter vorgehaltener Hand abspielen, sind manchmal definitiv traurig und witzig zugleich – und wert, sich einmal intensiver damit zu befassen. Lutz Schumacher hat die Zeichen der Zeit erkannt und seinen Lieblingsschützen Harald Grützner in den Alltag der Büroarbeit eingeflochten – und dabei wahrhaftig Grandioses zustande gebracht!

_Harald Grützner hat_ sich selbst in die Sackgasse manövriert: Führerschein gefährdet, Job riskiert und nun vom Außen- in den Innendienst versetzt. Als der Gebeutelte schließlich zum verabredeten Termin pünktlich um 9 Uhr die Hallen der Münchener Vertretung des Schokoladen-Multis, der Candy Gmbh, betritt, scheint tatsächlich alles schief zu laufen. Hundekot unter den Schuhen, vom Regen durchnässt und an der Rezeption direkt patzig angemacht, weil das Äußere auf einen Penner schließen lässt. Grützner ist erstmal bedient und erträgt mit allerlei Geduld den Hohn und Spott der beiden vorurteilsvollen Damen am Schalter. Als ihm jedoch niemand so recht mitteilen kann, wo sich genau die Büros der Personalabteilung befinden, tritt er die Flucht nach vorne an, nur um immer noch weiter herumgeschubst und verbal angegriffen zu werden. Dank mehrerer glücklicher Fügungen erreicht er mit reichlich Verspätung sein neues Büro – und blickt dort in allerlei verdutzte wie genervte Gesichter. Denn Grützner ist nicht nur der neue Mitarbeiter, sondern löst eine Kollegin auch völlig überraschend in der dortigen Leitungsstelle ab. Das Drama beginnt – und damit auch ein Leben voller Schikanen im absolut nicht prunkvollen Büroalltag …

_Die Geschichte, die_ Lutz Schumacher hier von einem eigentlich qualifizierten, letzten Endes aber völlig überforderten Büro-Neuling erzählt, ist natürlich die pure Satire, als solche absolut überzogen dargestellt, mit Klischees überfrachtet und von Charakteren umgeben, bei denen der Autor die Grenzen bewusst ausreizt. Doch der Humor ist genial, die vielen Rollen, die Schumacher dem Personal des Süßwarenherstellers zuordnet, sogar wirklich fantastisch ausgearbeitet. Alleine in Grützners eigenem Büro trifft man auf eine Handvoll klassischer Stereotype und Unsympathen, die in der vorliegenden Konstellation für eine spannende und unglaubliche unterhaltenswerte Interaktion sorgen. Da wäre zum einen Dorothea, zunächst Leiterin, dann unfreiwillig abgelöst und entsprechend frustriert. Während sie noch die offensichtlichste Partnerin für jedwede Konfrontation ist, winkt aus der hinteren Ecke Peter Schwarz, auch schwarzer Peter genannt. Der Ex-Student, der es nie zu etwas gebracht hat, bringt es in wirklich jeder Situation auf einen unqualifizierten Kommentar und stellt vor allem die Geduld seines neuen Chefs immer wieder gewaltig auf die Probe – zumal er auch spricht, wenn er nicht sprechen soll!

Aber auch ruhigere Figuren begleiten Harald durch seinen neuen Alltag. Kirsten beispielsweise ist eine jener Damen, deren Durchsetzungskraft gen Null tendiert. Jeden Morgen verfehlt sie bei ihrem Stammbäcker die geliebten Käsebrötchen und muss sich mit den Resten zufriedengeben, die ihr absolut nicht zusagen. Nichtsdestotrotz investiert sie jeden Tag 3,50 für ihr Frühstück, weil ein Affront gegen die Verkäuferin mit ihrem schmalen Selbstvertrauen nicht zu vereinbaren wäre. Oder Gaby, die vollbusige Blondine, die ihren Job einzig und alleine deswegen noch innehat, weil ihre körperlichen Reize in der Führungsetage von Zeit zu Zeit genau auf den richtigen Geschmack trafen. Und schließlich Frank, ein Eigenbrödler, der selbst zu den feierlichsten Anlässen noch einen karierten 80er-Pulli trägt und eigentlich nur den ganzen Tag aus dem Fenster starrt – und dafür auch noch befördert wird!

Sind die Personalien rein inhaltlich schon ein echter Brüller, steigert sich Schumacher fortwährend in der Situationskomik, gerade dann, wenn besagter schwarzer Peter mal wieder eines seiner spitzfindigen Statements abgibt und damit die Absurdität mancher Szene noch einmal richtig hervorhebt. Angefangen bei den skurrilen Erlebnissen auf der betriebseigenen Weihnachtsfeier über die skandalösen Vertragsverhandlungen mit dem Vertrieb, bis hin zu jenem Konflikt den Grützner mit Andy, einem Abgesandten der IT-Abteilung, auszutragen gezwungen ist, bietet „Ich kann so nicht arbeiten“ unzählige Episoden, die hier und dort sicherlich auch einen realen Background haben, aufgrund ihrer authentischen Darstellung aber vor allem das Potenzial haben, die Lachmuskeln mal gehörig durcheinanderzubringen. „Willkommen im Irrenhaus“, mag man daher auch auf nahezu jeder Seite denken – doch genau dieser irre Charakter ist es, der dieses Buch zur absoluten Pflichtlektüre im derzeitigen Satire-Sektor macht. Besser auf den Punkt gebracht bzw. mit Klischees angereichert als dieses kurzweilige Werk hat die Tücken der Büroarbeit bislang jedenfalls niemand! Und deswegen muss man sich auch nicht schämen, wenn man hier phasenweise wirklich Tränen lachen muss …

|Hardcover: 224 Seiten
ISBN-13: 978-3442312368|
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