Shelley, Mary / Gruppe, Marc – Frankenstein. Teil 2 von 2 (Gruselkabinett 13)

_Story_

Kurze Zeit, nachdem Victor Frankenstein einen entscheidenden Fortschritt in seinen Forschungen hat erzielen können, wird ihm das Resultat all dessen zum Verhängnis. Das schreckliche Geschöpf, das er erschaffen hat, wendet sich gegen ihn, als Victor ihm seine Abneigung deutlich macht. Gleichzeitig wird Frankenstein von einem herben Schicksalsschlag getroffen, als die Nachricht vom Tode seines jungen Bruders William eintrifft.

Dieser ist unter mysteriösen Umständen umgekommen, und weil Victors Vater umgehend nach Vergeltung verlangt, spricht sich das Kammermädchen Justine selber schuldig und wird öffentlich hingerichtet. Frankenstein kann nicht fassen, was sich in seiner Gegenwart abspielt und ist fest davon überzeugt, dass die hässliche Kreatur, die plötzlich aus seinen Augen verschwunden ist, für all das Grauen verantwortlich ist. Victor hat jedoch schon im Gefühl, wo er den mutmaßlichen Mörder seines Bruders auffindet, und tatsächlich kommt es auf dem Gipfel des Mont Blanc zu einem weiteren Aufeinandertreffen, bei dem Victor die Chance hat, seinen Fehler wieder zu korrigieren. Doch Herr Frankenstein geht nicht auf die Kompromisse seines Gegenübers ein und stürzt sich damit noch tiefer ins Elend.

_Meine Meinung_

Frankenstein, die Zweite. Nachdem die erste Episode dieses Zweiteilers schon eine sehr vielversprechende Basis für das Finale des legendären Meisterwerks von Mary W. Shelley geliefert hat, kommt es nun bereits zur Entscheidung, und die hat es, genauso wie man es erwarten durfte, auch wirklich in sich. Jetzt, wo die Pässe gespielt sind und das Drama seinen Lauf nehmen kann, dringt erst die tatsächliche Tragik der Handlung nach außen. War Victor Frankenstein im ersten Part noch recht überheblich, was seine wissenschaftlichen Forschungen anbelangte, wird ihm nun die Kehrseite der Medaille mit all ihren Konsequenzen offenbart. Das Monstrum hat sich an seinen Angehörigen vergriffen und damit ebenso Missbrauch betrieben wie Frankenstein einst, als er bei seiner Ursachenforschung die Unantastbarkeit des menschlichen Wesens missachtete und sich an diesem toten Patchwork-Wesen vergriff, das ihm anschließend zum Verhängnis werden sollte.

Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten, dies alles aufzuarbeiten, so dass auch eben jene Tragik derart zur Geltung kommt, wie es die Originalvorlage eigentlich verlangt. Das Produktionsteam des Hörspiels hat sich dafür entschieden, nach einer rasant fortschreitenden Handlung plötzlich die Bremse anzuziehen und einen ziemlich langen Monolog von Seiten des fiesen Geschöpfes einzuschieben. Dies erweist sich allerdings als nicht ganz so günstig, weil die Spannung dadurch für eine kurze Zeit gänzlich herausgenommen wird und die mittlerweile dritte Geschichte in der eigentlichen Geschichte erzählt wird (nämlich der Rückblick des unmenschlichen Wesens auf all die Ereignisse, die sich in den vergangenen Wochen zugetragen haben). Erst später nimmt die Erzählung dann wieder Fahrt auf und steigert sich hinsichtlich der Dramaturgie bis zum Maximum, so dass man auch wieder auf die gewohnte Qualität trifft. Doch mittendrin, eigentlich am vorläufigen Höhepunkt, bricht die Geschichte ein wenig ein und zieht sich für einen kurzen Zeitraum unnötig in die Länge (nein, das ist kein Widerspruch!), ohne dass dabei entscheidende Dinge passierten.

Davon einmal abgesehen, wurde auch der zweite Teil des Hörspiels wirklich fabelhaft inszeniert. Die Atmosphäre ist einfach nur großartig und trotz der teilweise recht einseitigen Dialoge – die Sprecherparts sind teilweise tatsächlich sehr lang – sehr belebend, so dass sich die Tragödie ziemlich bemerkenswert entwickeln kann. Dabei kommt es zu einigen erschütternden Momenten, die im Hörer Sympathien für das ungewollt reanimierte Monster wecken, die dann aber wieder aufgehoben werden, wenn gezeigt wird, wie es reagiert, wenn man seine Bedürfnisse nicht befriedigt. Aber es gibt Szenen, in denen man sich in einem echten Zwiespalt befindet, in dem dann abgewogen werden muss, ob man nun Mitleid für die eine oder doch die andere Seite empfinden sollte. Zumindest manchmal geht dem Zuhörer das Ganze schon ziemlich nahe, weil die Charaktere sehr emotional auftreten und von ihren jeweiligen Sprechern auch mit einer Spitzenperformance bedacht werden. Doch diese Punkte sind ganz klar auch die Highlights eines nur kurzzeitig ins Stocken geratenden Hörspiels, das dem Anspruch der Vorlage von Mrs. Shelley in fast allen Belangen vollends gerecht wird.

Im Gegensatz zu den vorherigen Folgen aus dem „Gruselkabinett“ ist es dieses Mal aber auch so, dass nicht nur ausschließlich Lob ausgesprochen werden kann. „Frankenstein 2“ hat ein paar geringe Schwächen, die aber nach dem erneut sehr positiven Gesamteindruck dieser vertonten Geschichte wieder locker unter den Tisch gekehrt werden können. Käufer des ersten Teils müssen ja sowieso zuschlagen – wenngleich ich nicht ganz verstehe, warum das Ganze nicht als Doppel-CD veröffentlicht wurde – aber auch Fans der übergeordneten Serie sollten sich nicht von der leichten Kritik abschrecken lassen, denn selbst mit Einschränkung gehört auch der zweite Teil von „Frankenstein“ immer noch zu den führenden aktuellen Hörspielproduktionen auf dem deutschen Markt.

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[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
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[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
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[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
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[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
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