Dan Shocker – Die Gruft (Larry Brent, Band 31)

Die Gruft der bleichenden Schädel

Zwei Jahre ist es her, als die Expedition des Wissenschaftlers Frank Hamshere zu einem noch relativ unerforschten Gebiet am Kinabalu in Borneo aufbrach, um dort intensive Nachforschungen über einen mysteriösen Eingeborenenstamm anzustellen. Seitdem gelten die Teilnehmer dieses Unternehmens als verschollen.

Der holländische Reiseberichterstatter Harry van Loose verkündet recht medienwirksam, dass er sich mit einer kleineren Gruppe auf den Weg nach Borneo machen möchte, um dort dem Schicksal der Forscher auf den Grund zu gehen bzw. eben auch diesen legendären Stamm der so genannten Baraks ausfindig zu machen. Zu der illustren Gruppe gesellt sich nebst Piet, dem Kameramann und dem französischen Pärchen Buscon auch Larry Brents Schwester Miriam.

Als während der Fernsehübertragung der Ankündigung dieser neuen Expedition plötzlich ein paranormales Phänomen eintritt – ein grinsender Totenschädel erscheint auf den Bildschirmen der verschiedensten Haushalte -, beschließt X-RAY-3, sich ebenfalls dem Unternehmen anzuschließen.

Zusätzlich kommt es in London zu einigen Zwischenfällen, bei denen X-RAY-1 alias David Gallun einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden der Hamshere-Gruppe zu erkennen meint. Stuart Hamshere, der Sohn des Wissenschaftlers wird abends auf offener Straße vor den Augen des Reporters Harold Shorthand ermordet. Shorthand stellt anschließend einige Nachforschungen im Haus eines gewissen Robert A. Whitaker an, da er hier unter anderem die Antworten auf den Verbleib einiger hochgradiger Wissenschaftler zu finden glaubt. Tatsächlich macht er in dem abseits gelegenen Haus eine schaurige Entdeckung, die letztendlich sein Schicksal besiegelt.

Alle diese Ereignisse münden in einem einzigen Ort: der Gruft der bleichenden Schädel, eine Grube, verborgen im Dickicht des Kinabalu, angefüllt mit den Gerippen zahlreicher Menschenopfer und den recht aktiven Schädeln einiger verblichener Zauberpriester, in welche die Baraks ihre Gefangenen hinunterstürzen. Wie schon damals Hamshere und sein Team, soll nun auch die Expedition mit Larry und Miriam in dieser grausigen Opferstätte von den unheimlichen Totenköpfen bei lebendigem Leib verzehrt werden …

Mein erster Gedanke nach der Lektüre dieser Geschichte war: viel Action, dafür nicht so viel Atmosphäre. Dan Shocker legt diesmal wieder etwas mehr Wert auf den Faktor Abenteuer – dazu trägt auch der sehr exotisch anmutende Schauplatz bei. Ich fühlte mich häufig an den guten alten Indiana Jones erinnert, vor allem durch den Auftritt dieses wirklich sehr menschenverachtenden Eingeborenenstamms.

Richtig schaurig gestaltet sich hingegen die schon recht detailgetreue Beschreibung, als sich die hungrigen Schädel über ihre hilflosen Opfer hermachen, ihnen buchstäblich das Fleisch von den Knochen reißen – dort wartet Shocker mit einer gehörigen Portion krasser Brutalität auf. Auch das Blutbad, welches die furchtbar entstellte Tochter von Whitaker in dessen Haus anrichtet, ist der blanke Horror und nicht unbedingt für den zartbesaiteten Leser gedacht.

Bleiben nur noch ein paar Minuspunkte zu erwähnen: Der Auftritt von Miriam Brent und ihre versteckte Zuneigung zu Harry van Loose wollten mir gar nicht so schmecken, was sich im Nachhinein auch tatsächlich als gänzlich unnötig erwiesen hat.

Kurz vor dem Finale regte sich bei mir zunehmend der Eindruck, dass hier doch recht viel Stoff recht fix zusammengepackt und abrupt zu Ende gebracht wird, woran die Tiefe der Handlung und auch die der auftretenden Charaktere etwas krankt – insbesondere die abschließende Zusammenfassung der Ereignisse in Borneo und London auf den letzten verbleibenden Seiten wirkt doch ziemlich gehetzt, als wäre Shocker mit Erschrecken aufgefallen, dass ihm ja nur noch ein paar Zeilen zur Verfügung stehen, um diese Geschichte auch noch zu Ende zu bringen.

Nun, trotz dieses kleinen Mankos, und auch wenn hier nun mal der Adventure-Pegel insgesamt recht hoch gehalten wird, gibt es doch wieder reichlich Abwechslung, Spannung und entsprechend ein paar nette Lesestunden …

In den Katakomben der Gräfin Redziwihl

In der Einsamkeit des Fagarasulin-Gebirges in Rumänien steht Schloss Prota. Hier haust im 17. Jahrhundert die seltsame und gefürchtete Gräfin Silvia von Redziwihl, die den Gerüchten zufolge eine Art Vampir sein soll, und der man sogar eine Liebelei mit dem legendären Grafen Dracula nachsagt. Seit längerer Zeit verschwinden die männlichen Bewohner des nahegelegenen Dorfes Merdagve spurlos, und die zurückgebliebenen Frauen sind sich sicher, dass die überaus attraktive Gräfin hier ihre Finger im Spiel hat.

Eines Abends mobilisiert die hübsche Ilonka Tuave, welche ebenfalls ihren Mann verloren hat, die Frauen von Merdagve, und gemeinsam begeben sie sich zu dem unheimlichen Schloss, um dem düsteren Treiben ein Ende zu bereiten.

In dieser Nacht ereignet sich in den Gemäuern eine Tragödie. Die aufgebrachten Frauen können in das Schloss eindringen, wobei einige von ihnen durch die Bluthunde der Gräfin zerfetzt werden. Die anderen sterben letztendlich in den Flammen des Feuers, welches sie selbst gelegt haben. Während Schloss Prota bis auf die Grundmauern niederbrennt, verkriecht sich die Gräfin in eine geheime Katakombe unter ihrer Behausung, in der sie auch die Leichen der entführten Männer verborgen hält, und trinkt einen Becher Gift. Aufgrund ihrer Kontakte zu einem rangniederen Dämon namens Akba geht sie davon aus, in der Zukunft wieder zum Leben erweckt zu werden.

Und tatsächlich interessiert sich 300 Jahre später der Reiseunternehmer Alan W. Cromewell für die sagenumwobenen Ruinen im Fagarasulin-Gebirge, da er den idealen Schauplatz für seine geplanten Horror-Tours sucht. Als Vorhut hat er drei junge Leute nach Rumänien geschickt, welche die Überbleibsel des Schlosses genauer unter die Lupe nehmen sollen. Die drei stoßen bei ihren Nachforschungen auf die verborgene Katakombe und ihren schaurigen Inhalt. Durch den Einfluss des Dämons Akba erwecken die Besucher ungewollt die teuflische Gräfin zu neuem Leben, welche auch umgehend wieder ihrer blutigen Tätigkeit nachgeht.

X-RAY-1 ist mittlerweile auf Cromewell und dessen neues Projekt aufmerksam geworden, so dass er Larry Brent zusammen mit Morna Ulbrandson auf den Unternehmer zu dessen eigenem Schutz ansetzt. Zusammen reisen sie nach Rumänien in den Ort, wo sich die Ruinen von Schloss Prota befinden sollen. Die wiedererwachte Gräfin Redziwihl sowie der Dämon Akba lassen nicht lange auf sich warten, sie töten Cromewell und führen Larry in den Katakomben in eine aussichtslose Situation …

Die Geschichte um die blutgierige Gräfin Redziwihl bietet mal wieder eine klassische Gruselatmosphäre; angefangen bei dem düsteren Schloss über eine schaurige Legende bis hin zu einigen folgenschweren Ereignissen aus der Vergangenheit wird alles geboten, was eine anständige Spukgeschichte braucht. Gerade eben die Anfangshandlung sorgt für die richtige Eingangsstimmung – auf der einen Seite aufreibende Action, jedoch angenehm verpackt in einem Rahmen, der zusätzlich auch noch schaurig anmutet. Speziell das abergläubische Dorf und deren Bewohner, das dramatische Aufbegehren der Frauen gegen die gnadenlosen düsteren Mächte versprechen gleich auf den ersten Seiten eine fesselnde Atmosphäre. Und wenn wir schon mal in Rumänien sind, bietet sich natürlich auch ein kleiner Schwenker zu dem legendären Grafen Dracula an, der von Dan Shocker so geschickt innovativ geführt wird, wie man es von ihm häufig gewohnt ist.

Das Hauptaugenmerk dieser Geschichte liegt auf den Ereignissen im 17. Jahrhundert, denn die Untaten der Gräfin in der Gegenwart gestalten sich dann doch recht kurzweilig. Sie geht zwar auch nach ihrem Wiedererwachen recht blutig zu Werke, dennoch wird ihrem Treiben ziemlich schnell ein Riegel vorgeschoben.

Absoluter Störfaktor bleibt dieser unnötige Dämon Akba, der stellenweise die Gräfin zwar tatkräftig unterstützt, mir aber so ganz und gar nicht in den Rahmen passen wollte; diese erzwungen wirkende Einführung der schwarzen Mächte hätte man sich in diesem Fall ruhig sparen können. Dennoch wird hier eine ansprechende Gruselgeschichte geboten, die sonst mit allen dazugehörenden Elementen versehen ist, sogar mit einer umfangreichen Portion Erotik durch die männermordende Figur der Gräfin.

Silvia Redziwihl hat übrigens ein reales Vorbild: Die ungarische Gräfin Elizabeth Báthory, welche ebenfalls im 17. Jahrhundert ihr Unwesen trieb, lockte zu ihren Lebzeiten mehrere hundert junge Mädchen auf ihr Schloss, um sie dort zu brutal zu misshandeln, zu foltern und letztendlich zu töten. Da die später entdeckten Opfer teilweise gänzlich ausgeblutet waren, keimte der Verdacht auf Vampirismus auf bzw. sagte man der Sadistin nach, sie hätte in dem Blut der Ermordeten gebadet, um sich ihre Jugend zu erhalten, so wie es auch unsere Gräfin Redziwihl anzustellen pflegt …

Diesmal sind hier zwei gänzlich unterschiedliche Geschichten zusammengepackt. Bewegen wir uns im ersten Larry-Abenteuer noch auf recht exotischem Terrain im Rahmen eines actiongeladenen Abenteuerromans, werden wir anschließend in die klassische Gruselgegend der rumänischen Bergwelt entführt, um in eine düstere Spukgeschichte einzutauchen.

Pat Hachfeld hat für seine Illustrationen jedoch eine gewisse Einheit geschaffen – für das erste Bild wurde die verstorbene und in ihrem gläsernen Sarg ruhende Frau von Robert Whitaker gewählt, darüber thronend der grinsende Schädel eines satanisch anmutenden Wesens. Ähnlich diesem Motiv findet sich auf der zweiten Illustration das Antlitz eines sitzenden Dämons, zu dessen Füßen ein Totenschädel ruht.

Anfänglich fragte ich mich, ob die Bilder eventuell vertauscht wurden, doch nach der Lektüre wurde mir klar, dass hier wohl ein gemeinsamer Nenner der doch recht unterschiedlichen Geschichten realisiert wurde. Und als i-Tüpfelchen findet man auf dem Front-Cover das viel gelobte Lonati-Meisterwerk zu ‚In der Katakombe der Gräfin Redziwihl‘.

Jedenfalls gehört auch dieser Band wieder in das Regal jedes Larry-Brent-Liebhabers …

Taschenbuch: 224 Seiten
www.BLITZ-Verlag.de