Silverberg, Robert (Hrsg.) – Legenden – Lord John, der magische Pakt

_Ein neuer Blick in den Silbernen Schrein._

1999 wurde „Der Silberne Schrein“ für uns geöffnet, und zwar von Robert Silverberg, der sich der lobenswerten Aufgabe verschrieben hat, dem interessierten Leser einen Einblick in die Welt der Fantasy-Giganten zu gewähren. Ursula Le Guin, George R. R. Martin, Stephen King, etc., sie alle haben kurze, eigenständige Erzählungen verfasst, die in ihren Universen spielen, die dem Leser ihre Figuren vorstellen, und die mit ihrer sprachlichen Geschicklichkeit begeistern. Jetzt, sieben Jahre später, präsentiert uns der |Piper|-Verlag die Fortsetzung, hat sie aber in zwei Teile aufgespalten. „Lord John, der magische Pakt“ ist der erste.

_Diana Gabaldon – „Lord John und der magische Pakt“_ (Highland-Saga)

1754. Lord John Grey ist Verbindungsoffizier des ersten Hannoveraner Infanterieregiments und als solcher hat er sich um den reibungslosen Ablauf der Dinge zwischen den preußischen Truppen und denen der Engländer zu kümmern. Wäre das nicht schon schwierig genug, weil ein Angriff der Franzosen bevorzustehen scheint, werden preußische und englische Soldaten plötzlich Opfer seltsamer Tode. Schnell breitet sich der Aberglaube aus. Bestimmte Verletzungen und der Zustand der Leichen deuten darauf hin, dass ein Sukkubus sein Unwesen treibt, um sich des Nachts den Samen der Männer zu stehlen. Die Soldaten werden darauf immer schwächer und unkonzentrierter, da es niemand mehr wagt, nachts einzuschlafen, und plötzlich taucht im Königshaus eine Hexe auf und will den Prinzen entführen …

Lord John Grey ist ein „Spin-off“ der eigentlichen Highland-Saga, tritt er dort doch eigentlich als mehr oder minder wichtige Nebenfigur auf. Diana Gabaldon hat dem homosexuellen Adligen aber bereits zwei eigenständige Romane geschenkt, von denen momentan leider nur [„Das Meer der Lügen“ 87 erhältlich ist. Lord John ist jedenfalls ein sympathischer Ermittler, und es ist ein Genuss, mit ihm durch das 18. Jahrhundert zu streifen, um das Geheimnis dieses magischen Paktes zu entlarven. Gabaldon hat ein Händchen für originelle Bilder und für überraschende Wendungen, die im „magischen Pakt“ außerdem noch auf ein wohlkomponiertes Finale zusteuern. Es braucht zwar eine konzentrierte Aufmerksamkeit, um all die Haken der Story mitverfolgen zu können, aber das zahlt sich mehr als aus! Für mich ist Diana Gabaldon jedenfalls zu einem weiteren Namen auf meinem Einkaufszettel geworden.

_George R. R. Martin – „Das verschworene Schwert“_ (Das Lied von Eis und Feuer)

Einige Zeit ist vergangen seit den Ereignissen in „Der Heckenritter“, in dem Ser Duncan der Hohe ein Gottesurteil gefochten hatte und seitdem den jungen Knappen Ei an seine Seite weiß.

Mittlerweile hat Dunk sein Schwert Eustace Osgrey verschworen, einem kleinen Lord, dessen Geschlecht ausstirbt, der gerade mal drei Dörfer zu seinem Herrschaftsgebiet zählt und der von seinen Untergebenen nicht ernst genommen wird. Vor allem nicht von Bennis, dem Braunen Ritter, der es vorzieht, „wie ein gammliger Käse zu stinken“, als den Aufwand eines Bades zu ertragen.

Es ist Sommer in den sieben Königslanden, und eine Dürreperiode obendrein, und so kommt es, dass die Bauern der „Roten Witwe“ einen Damm errichten und Lord Osgreys Land damit das Wasser abgraben. Osgrey schickt Dunk und den Braunen Ritter, um nach dem Rechten zu sehen, Blut wird vergossen, und Kampf scheint unvermeidbar, aber dann versucht sich Dunk als diplomatischer Mittler bei der gefürchteten „Roten Witwe“ …

George R.R. Martin ist der Inbegriff moderner Fantasy, derjenige, der das Genre in Gefilden auslotet, die fern von Kitsch und Klischee sind, und er ist ein Meister seiner Disziplin. „Das Lied von Eis und Feuer“ ist ein hochkomplexer Zyklus voller Verwicklungen und politischer Intrigen, ist dabei aber gleichzeitig so flüssig und mitreißend zu lesen, dass der Tag plötzlich viel zu kurz erscheint. Die Erzählungen um Dunk, den Heckenritter, und Ei, seinen Knappen, spielen etwa hundert Jahre vor den Ereignissen im „Lied von Eis und Feuer“ und sind damit ideal für den Einstieg geeignet: Dem „Neuling“ werden keine entscheidenden Wendungen aus dem Hauptwerk verraten, und der „alte Hase“ kann sich an den vielen kleinen Anspielungen erfreuen, die auf Geschehendes hindeuten.

„Das verschworene Schwert“ macht da keine Ausnahme, kommt allerdings erst gemächlich in die Gänge. Viel politischer Hintergrund muss erst vermittelt werden, damit der Leser den Konflikt zwischen Lord Osgrey und der „Roten Witwe“ versteht, und teilweise wird man dabei fast erschlagen von Fakten und Namen. Die Mühe lohnt sich aber, dafür hat Martin erneut Figuren erschaffen, die atmen, mit denen man zittert, die man bedauert oder einfach nur hasst, es gibt unerwartete Wendungen, und der Spannungsbogen spannt sich bis zum Schluss. Wenn man erst einmal drin ist, kann man einfach nicht mehr aufhören. „Das verschworene Schwert“ ist trotz gelegentlicher Längen ein Martin, wie er im Buche steht, und wiederum bleibt mir nichts anderes übrig, als den Hut vor der Feder dieses Mannes zu ziehen. Ganz großes Kino!

_Orson Scott Card – „Die Yazoo-Queen“_ (Die Legende von Alvin dem Schmied)

Alvin, der Schmied, ist mal wieder unterwegs, in diesem alternativen Amerika, das keine Unabhängigkeitskriege erlebt hat und das vor Magie und seltsamen Talenten nur so sprüht. Dabei hat er natürlich seinen jungen Gefährten Arthur Stuart, einen Schwarzen, der sich darin übt, ein ebensolcher „Schöpfer“ zu werden wie sein Herr, dem das aber nicht so leicht von der Hand geht, weil er eben nicht der siebte Sohn eines siebten Sohnes ist.

Jedenfalls besteigen Alvin und Stuart die Yazoo-Queen, um herauszufinden, ob es sich dabei um ein verkapptes Sklavenschiff handelt oder nicht. Dort wird Alvin von einem William Barret Travis angesprochen, der ihn zu einer Expedition anwerben will, auf der man sich der Ausrottung der „verderbten Mexika-Stämme“ widmet, und er wird von einem mysteriösen messerschwingenden Fremden auf seine Tasche angesprochen, in der er den magischen Pflug mit sich führt. Arthur Stuart indes, den es schrecklich anödet, sich wie ein „Boy“ verhalten zu müssen, bemüht sich um die Befreiung gefangener Sklaven.

Vorab: Für einen Orson Scott Card ist das eine erstaunlich schwache Story. Sicher, die Abrechnung mit dem Sklaventum trifft ins Schwarze, die schrägen Auftritte großer Persönlichkeiten aus der amerikanischen Geschichte sind unterhaltsam und Cards Dialoge sind so spritzig wie eh und je, aber einen wirklichen Spannungsbogen gibt es nicht. Zudem fehlt der „Yazoo-Queen“ der tolle trockene Humor, durch den sich „Der Grinsende Mann“ in der Vorgängeranthologie ausgezeichnet hat. Trotzdem ist „Die Yazoo-Queen“ ein unterhaltsamer Blick in die Welt von Alvin dem Schmied.

Vielleicht kann man diese Story erst dann richtig genießen, wenn man den kompletten Alvin-Zyklus gelesen hat, und das ist für den deutschsprachigen Leser ohnehin unmöglich. Die ersten vier Bände tauchen höchstens noch in Antiquariaten auf, und die beiden letzten Bände „Heartfire“ (1998) und „The Crystal City“ (2003) wurden bisher noch nicht ins Deutsche übersetzt. Also bitte, lieber |Piper|-Verlag, übernehmen Sie!

_Robin Hobb – „Heimkehr“_ (Die Zauberschiffe)

Robin Hobb gilt seit ihrem Zyklus über den Assassinen Fitz Chivalry Weitseher als eine Fantasy-Virtuosin im Fahrwasser von George R. R. Martin. Ihr Zyklus „Die Zauberschiffe“ spielt in derselben Welt wie der Assassinen-Zyklus, jedoch weit südlich von den Herzogtümern: Auf den Pirateninseln und dem sagenhaften Regenwildfluss. Der Kurzroman „Heimkehr“ spielt vor dem ersten Band der Zauberschiffe-Saga.

Jathan Carrocks hat sich entehrt und wird deswegen vom Satrapen Esclepius enteignet und ins Exil geschickt. Er hat die zweifelhafte Ehre, eine Kolonie in den Ländern am Regenwildfluss aufzubauen, und darf sich dort eine neue Existenz verschaffen. Das alles geschieht sehr zum Missfallen seiner Gattin Carillion Waljin Carrock. Diese fühlt sich nicht ihrem Stand gemäß behandelt, sondert sich gegen die anderen „Gemeinen“ ab und hat schwer mit ihren Kindern zu kämpfen, da ihr Dienstmädchen sich gegen sie auflehnt. Besonders schwer ist das deswegen, weil sie ein Ungeborenes in sich trägt. Jedenfalls zieht sich die Fahrt mit den Schiffen schier endlos hin, und als endlich der verheißungsvolle Regenwildfluss angelaufen wird, wähnt sich Lady Carillion am Ende ihrer Strapazen. Aber die fangen gerade erst an; ätzendes Wasser, und lockende Stimmen sind noch die harmlosen Gefahren, die in dem sumpfigen Regenwald auf sie lauern …

In Zeiten moderner Fantasy ist man es eher gewohnt, mit einer Art „schriftstellerischen Kameraführung“ an die Ereignisse herangeführt zu werden. „Zeigen, nicht Erzählen!“ ist das Mantra, das jeder lernwillige Jungautor vor sich herzubeten hat, wenn er auf einen Verlag hoffen möchte. Robin Hobb ist aber keine Jungautorin mehr, und dementsprechend pfeifft sie auf derartige Konventionen und entstaubt den guten alten Tagebuch-Stil. Und anders hätte ich „Heimkehr“ nicht erzählt bekommen mögen!

Man begleitet Lady Carillion von Anfang an, beobachtet sie, wie sich die hochnäsige Adlige an das neue Leben herantastet, und sieht ihr dabei mitten in den Kopf. Auch wenn es sich anfangs etwas zäh entwickelt, „Heimkehr“ ist eine unglaublich intensive Story, Angst und Verzweiflung sind ständige Begleiter der Kolonialisten und man spürt selbst, wie einem die Endlosigkeit des Urwaldes aufs Gemüt drückt. Und dann sind da ja noch diese seltsam sirenenhaften Gesänge und rätselhaften Träume. Unbedingt lesenswert!

_Robert Silverberg – „Das Buch der Veränderung“_ (Majipoor)

Majipoor ist ein Planet, zehnmal so groß wie die Erde und von wundervoller Idylle. Seine Geschichte ist erfüllt von Kriegen mit den metamorphen Ureinwohnern, aber auch von Zeiten des Friedens. „Das Buch der Veränderung“ spielt etwa zehntausend Jahre nach der Besiedelung von Majipoor durch den Menschen, aber gleichzeitig viertausend Jahre vor den Ereignissen, die im ersten Majipoor-Roman beleuchtet wurden.

Prinz Aithin Furvain ist der fünfte Sohn eines Coronals, des „Vize-Herrschers“ von Majipoor, und als dieser hat er keine größeren Aufgaben zu übernehmen als ein angenehmes Leben zu führen. Er hat sich seinem Schicksal gefügt, frönt seiner Leidenschaft, leichte Gedichte zu verfassen, hat mit allerlei Frauen das Bett geteilt und hält auch sonst Ehrgeiz für eine schrecklich überbewertete Sache. Immer öfter jedoch drücken ihm die Errungenschaften seines Vaters auf die Seele und er hat das Bedürfnis, dieser sich ausbreitenden Seelenleere den Kampf anzusagen. So bricht er also auf, um die Schönheit Majipoors in aller Einsamkeit zu erkunden, und wird prompt gefangen genommen von Kasibinon, einem Banditenfürsten, der von Furvain nichts Geringeres erwartet als eine große dichterische Schöpfung …

Er liest sich Anfangs recht unterhaltsam, der Wandel des Taugenichtes Furvain, der auf seinen Reisen plötzlich mit Gefahren und Verantwortung konfrontiert wird. Öde wird es erst, als Furvain seine dichterische Größe entdeckt. Der Konflikt mit seinem Geiselnehmer schwindet plötzlich zu einem Randdasein, während die Entstehung von Furvains Großwerk zu ständigen Rückblenden missbraucht wird, die den Leser darüber hinaus mit einer Unmenge staubtrockener Infos über das Majipoor-Universum erschlagen. Schade! Wenn Silverberg damit beabsichtigte, einen Überblick über Majipoor zu vermitteln, hat er sich eine denkbar ungünstige Methode ausgesucht! Wenigstens der Anfang ist eine bildreiche Wanderung durch die Idylle des Planeten, mit den Augen glaubwürdiger Figuren betrachtet. Wenn der Schluss diesen guten Eindruck nicht so schändlich in den Staub getreten hätte, wäre „Das Buch der Veränderung“ nicht nur „nett“ gewesen, sondern richtig gut.

_Spannendes Projekt, spannend fortgesetzt._

„Legenden II“ ist in seiner Gänze eine würdige Fortsetzung zu „Der siebte Schrein“ und lohnt der Anschaffung, nicht nur, um dieses tolle Projekt zu unterstützen! Aber einen kräftigen Punktabzug gibt’s trotzdem:: Wo sind die Karten? Die sieben Königslande von Martin, die Pirateninseln von Hobb, und natürlich das alternative Amerika von Orson Scott Card … Es ist schon schwer genug, einen Eindruck von einem fremden Fantasy-Universum zu bekommen, wenn man mittels eines Kurzromans hineinschnuppert, aber ohne die Karten fühlt man sich wie ein Blinder in einem fremden Land. Wenn es also eine Fortsetzung von „Legenden“ geben sollte (Martin bastelt ja schon an einer dritten Dunk-Novelle), bitte, gebt uns Fantasy-Lesern die Landkarten, die wir so gerne mit dem Finger bereisen!

Aber auch so ist „Legenden – Lord John, der magische Pakt“ unbedingt kaufenswert, für Einsteiger und „Profis“ gleichermaßen.

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