Smith, Zadie – Autogrammhändler, Der

Zadie Smith wurde nach Erscheinen ihres Debütromans „Zähne zeigen“ als die literarische Sensation Englands gefeiert. Mit „Der Autogrammhändler“ legte sie ihr zweites Buch vor, das nicht weniger Kritikerlob einheimste. Doch ist der Hype um die junge Engländerin gerechtfertigt?

Der unbedarfte Leser wird sich vermutlich zuerst einmal fragen, was er sich unter dem Beruf des Autogrammhändlers vorzustellen hat. Ob man Alex-Li Tandems Beschäftigung tatsächlich als Beruf bezeichnen kann, sei dabei dahingestellt. Der Endzwanziger mit chinesischen und jüdischen Wurzeln, der in Mountjoy, einer englischen Kleinstadt, lebt, kauft und verkauft die Autogramme von berühmten oder manchmal auch weniger berühmten Personen. Dabei ist er mehr oder minder erfolgreich, nur bei seiner heimlichen Obsession hat er bislang keinen Erfolg gehabt: einer Autogrammkarte des früheren B-Movie-Stars Kitty Alexander.

Nach einer durchzechten Nacht, während der er sein Auto zu Schrott gefahren und seine Beziehung zu Esther beendet hat, hält er plötzlich ein Stück Papier mit einer Unterschrift in der Hand, von der er glaubt, dass sie von Kitty Alexander ist. Da ist er allerdings auch der Einzige. Seine besten Freunde, der gottbeseelte Kiffer Adam, der Versicherungsvertreter Joseph und der Rabbiner Rubinfine, glauben das nicht und Alex kennt aufgrund eines Filmrisses die Herkunft des Papiers nicht. Als er zu einer Auktion nach New York fliegt, versucht er, die mittlerweile hochbetagte Kitty Alexander zu finden, um zu klären, ob das Autogramm echt ist. Als er die Frau trifft, die er seit seiner Jugend vergöttert, laufen die Dinge allerdings etwas aus dem Ruder …

Zadie Smith ist Geschmacksache. In „Der Autogrammhändler“ stehen vor allem die skurrilen Charaktere und Smiths frecher Schreibstil im Vordergrund. Auf Gedanken und Gefühle, pseudophilosophische Überlegungen und Wortwitz legt die junge Autorin mehr Wert als auf eine spannende und schlüssige Handlung. Ihr Buch ist weder ein Krimi noch ein Thriller noch leichte Lektüre für ein paar vergnügsame Stunden. Sie verbringt viel Zeit damit, ihre Personen, vor allem Alex-Li, und deren Beziehungen untereinander darzustellen sowie deren Lebensgefühl und Grundeinstellung mit einer großen Portion Jugendlichkeit einzufangen.

Alex-Li und seine Freunde sind Menschen, die nicht richtig erwachsen werden wollen. Sie gehören zu der Art schnoddriger Singles, die ihre Kindheit noch nicht völlig hinter sich gelassen haben und ihre Tage mit sinnlosen Gedanken und Kiffen zu verbringen scheinen. Smiths Charaktere haben Loserqualitäten und das macht ihren Charme aus. Sie nehmen das Leben nicht sonderlich ernst und haben immer einen guten Witz auf den Lippen und pflegen das, was man vermutlich als „Männerfreundschaft“ bezeichnet. Einige Nebencharaktere wie beispielsweise Adam oder Esther stechen aus den Ensemble positiv heraus, da ihre Eigenheiten sehr detailliert und kontrastreich dargestellt werden. Andere dagegen sind zwar mit dem Humor der Autorin getränkt, für den Leser aber nicht so einfach greifbar. Alex-Li, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird, wirkt häufig ein wenig beliebig und zu uninteressant. Am Anfang wird er zwar gut dargestellt und kann Originalität vorweisen, doch Smith führt dies nicht kontinuierlich fort.

Ein Problem, das sich auch an anderen Stellen findet. Der Schreibstil wirkt anfangs interessant, aber nicht besonders originell. Es gibt viele junge Autoren, die ähnlich locker und flapsig schreiben. Erst zur Mitte hin kristallisiert sich das heraus, was Zadie Smith ausmacht: ihr unerwarteter Humor und ihre Vorliebe für bildhafte, bewegliche Sprache. Die Bilder finden sich dabei nicht in zeilenlangen Metaphern, sondern werden wie selbstverständlich in einfache, trockene Sätze eingefügt. Diese Selbstverständlichkeit und die anarchische Art zu schreiben sorgen immer wieder für Überraschungen und Lacher, genau wie der Humor, der in den Dialogen zum Ausdruck kommt. Dabei geht es häufig derbe, manchmal beinahe pubertär zu. Obwohl eine Frau, trifft Zadie Smith den männlichen Witz sehr gut. Überhaupt vergisst man gerne, dass hier eine AutorIN am Werke ist. Ihr Stil erinnert dafür zu stark an ähnliche, witzige Autoren wie DBC Pierre oder Dave Eggers, ohne dabei ein bloßer Abklatsch zu sein. Schade ist nur, dass „Der Autogrammhändler“ erst in Schwung kommen muss. Bei über 400 Seiten wird das den einen oder anderen Leser möglicherweise abschrecken.

Bücher, die ihre Besonderheit hauptsächlich aus seltsamen Charakteren und einem kunstvollen Schreibstil beziehen, schwächeln häufig bei der Handlung. Das ist in diesem Fall nicht anders, auch wenn die witzigen Begebenheiten und verschwurbelten Gedanken über Leben und Leute häufig Lücken auffüllen können. Trotzdem weist die Geschichte Längen auf. Wirkliche Aktion findet sich erst gegen Ende der Erzählung, was nicht unbedingt eine ruhmreiche Leistung ist. Lobenswert ist allerdings, dass Zadie Smith dem Leser die Zeit bis dorthin angenehm zu versüßen weiß. Trotzdem wäre es gut gewesen, etwas mehr Schwung in die Angelegenheit zu bringen. Es muss ja nicht gleich eine actionreiche Verfolgungsjagd sein, aber die eine oder andere Kürzung hätte dem Buch vielleicht ganz gutgetan.

In der Summe ist „Der Autogrammhändler“ ein unterhaltsames Buch, das seinen Charme aber erst ab der Mitte wirklich entfalten kann. Zadie Smith schafft es, das Leben ihres Protagonisten anschaulich und humorvoll darzustellen, doch fehlt es der Handlung manchmal an Substanz und an Zielgerichtetheit.

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