Soininvaara, Taavi – Finnisches Blut

Nur ein kleiner Moment der Unachtsamkeit ist es, der Generalmajor Raimo Siren zum Verhängnis wird: Während er am Steuer seines Autos eine Nummer im Speicher seines Autotelefons sucht, hört er einen dumpfen Aufprall und sieht plötzlich Blut über die Windschutzscheibe laufen. Doch es ist nicht nur die Angst, einen Menschen umgebracht zu haben, sondern auch die Tatsache, dass er zum Abendessen nicht wenig getrunken hat, die Siren dazu verleiten, Fahrerflucht zu begehen und sich anschließend um den unliebsamen Vorfall zu kümmern, der ihn seine Karriere kosten könnte. Zu Hause angekommen, kann ihn nicht einmal die Musik von Sibelius beruhigen, doch Siren beginnt bereits, Pläne zu schmieden, die ihn retten könnten, denn er weiß ganz sicher, dass man ihn als Fahrer des Unfallwagens wird identifizieren können …

Von diesem drohenden Ungemach ahnt Arto Ratamo derweil noch nichts, während er nachts im Labor steht, um ein Gegenmittel gegen Ebola-Helsinki zu testen. Er ist sich sicher, dass auch diese Version des Gegenmittels nicht anschlagen wird, als ihn im übermüdeten Zustand eine überraschende Entdeckung erwartet, denn sein Gegenmittel wirkt tatsächlich! Da es inzwischen frühmorgens ist, beschließt Ratamo, sofort nach Hause zu gehen, ohne den notwendigen Teil der Bürokratie zu erfüllen. So schreibt er lediglich eine kurze Nachricht für seine Kollegen, dass ein Gegenmittel gefunden ist und begibt sich anschließend nach Hause zu seiner Frau Kaisa und seiner kleinen Tochter Nelli, die von der bevorstehenden Aufregung noch nichts ahnen.

Raimo Siren spinnt nämlich bereits einen teuflischen Plan, in dem die Familie Ratamo eine wesentliche Rolle spielen wird. Als er von der Entdeckung eines Mittels gegen Ebola-Helsinki hört, schickt er ein Erschießungskommando zu Ratamos Chef Manneraho und auch zu Ratamo nach Hause. Er lässt den Mord an Manneraho so aussehen, als habe Ratamo selbst ihn erschossen. Als Ratamo von einem Killer aufgesucht wird, kann er sich nur knapp retten, doch seine Frau Kaisa wird vor Ratamos Augen erschossen. So wird der Virenforscher plötzlich zu einem gejagten Mann. Allerdings weiß Siren nicht, dass er nicht der Einzige ist, der dringend die Formel für das Gegenmittel haben möchte, und so beginnt eine atemberaubende Hatz auf Ratamo, der nicht nur um sein eigenes Leben fürchten muss, sondern auch um das seiner kleinen Tochter Nelli …

Nachdem im Deutschen bereits drei Kriminalromane von Taavi Soininvaara veröffentlicht wurden, erfreut uns der |Aufbau|-Verlag endlich mit dem ersten Roman der Arto-Ratamo-Reihe, der nun erklärt, wie aus dem Virenforscher ein Ermittler der finnischen SUPO werden konnte. Und wie wir es von Taavi Soininvaara gewohnt sind, stürzt er sich ohne langes Vorgeplänkel sofort mitten in die Geschichte. Schon früh lernen wir Arto Ratamos mächtigen und gefährlichen Gegner kennen, nämlich Raimo Siren, der auf Teufel komm raus sein eigenes Leben retten möchte und dabei auch über Leichen geht. Raimo Siren spinnt ein Netz von Lügen um sich, mit dem er selbst seine rechte Hand, Pekka Vairiala, täuschen kann, der ohne sein Wissen zu Sirens Handlanger wird.

Auch dieser allererste Kriminalroman von Taavi Soininvaara, in dem Arto Ratamo noch ein harmloser Forscher ist und mit lebensgefährlichen Situationen und Ermittlungen noch nicht viel am Hut hat, lebt von seinem Hauptcharakter. Wir lernen Ratamo hier noch als Familienvater und unglücklich verheirateten Mann kennen, der von Zweifeln geplagt wird, weil ihm die Arbeit im Labor keinen Spaß mehr macht. Ratamo hat bereits erkannt, dass seine Ehe mit Kaisa gescheitert ist und nur noch wegen Nelli aufrecht erhalten wird, dennoch hat er ein sehr gutes Verhältnis zu seiner Schwiegermutter Marketta, die ihm nach Kaisas Tod eine große Hilfe ist, als sie nämlich Nelli in Sicherheit bringt, obwohl sie doch den Tod der einzigen Tochter verkraften muss.

Ratamo schlägt sich schon in diesem Buch beachtlich, obwohl er doch völlig unverhofft in diese lebensbedrohliche Situation geraten ist und hierbei zum tragischen Helden wird. Schnell erkennt er, dass er nur eine einzige Chance hat, nämlich indem er die Medien einschaltet. So wendet er sich in seiner Verzweiflung an eine engagierte und mutige Journalistin, die seiner Geschichte Glauben schenkt und ihn in ihrer Wohnung verstecken will. Doch auch bei Pirkko Jalava zu Hause ist Ratamo vor den Killern nicht sicher. Wohin er auch geht, überall sind seine Gegner ihm einen Schritt voraus, doch so schnell gibt Ratamo sich nicht geschlagen, denn der Gedanke an seine Tochter erhält ihn aufrecht.

Taavi Soininvaara schlägt ein Erzähltempo an, das durchaus Dan-Brown-Qualitäten hat: Seine Kapitel sind kurz, seine Sprache sind sonderlich aufwändig. Immer wieder zieht er das Tempo durch schnelle Szenenwechsel und das Auftauchen neuer Hinweise oder Figuren an, sodass „Finnisches Blut“ zu einem echten Pageturner wird. Allerdings lässt Soininvaara auch in diesem Krimi das Tempo zwischendurch etwas schleifen durch zu viel Lokalkolorit von Städten, die zumindest mir nicht bekannt sind, und auch durch politische Exkurse, die sich ohne Vorkenntnisse nur schwerlich nachvollziehen lassen.

Nichtsdestotrotz gefällt auch „Finnisches Blut“ ausgesprochen gut und erklärt dem Arto-Ratamo-Fan endlich, wie der ehemalige Forscher bei der SUPO landen konnte und wie alles begann. Soininvaara überzeugt wieder einmal durch seine gelungene Figurenzeichnung, die dafür sorgt, dass die Lesersympathien klar verteilt werden. Außerdem gelingt ihm erneut ein Spannungsbogen, der es in sich hat und ein Weglegen dieses Buches praktisch unmöglich macht.

|Taavi Soininvaara bei Buchwurm.info:|
[„Finnisches Requiem“ 1909
[„Finnisches Quartett“ 2988