Soininvaara, Taavi – Finnisches Quartett

Auch mit seinem dritten Kriminalroman beweist der finnische Bestsellerautor Taavi Soininvaara erneut, dass in seinen Krimis mehr steckt als „nur“ Spannung, Morde und polizeiliche Ermittlungen. Immer wieder pickt sich Soininvaara einen politischen Konflikt heraus, um den herum er seine Romanhandlung strickt, sodass er seine Leser nicht nur fesseln, sondern auch zum Nachdenken anregen kann. In seinem aktuellen Krimi „Finnisches Quartett“ geht es um Ökoterroristen und regenerative Energiequellen, aber auch um Energiekonzerne, welche die Forschung an Kernfusion verhindern wollen …

Am Maifeiertag brechen drei Ökoterroristen der Gruppierung „Final Action“ bei Dutch Oil ein – einem Unternehmen, das die Umwelt der Entwicklungsländer zerstört und die natürlichen Ressourcen der Ureinwohner ausbeutet. Die drei Öko-Aktivisten wollen die EDV-Anlage zerstören und können Dutch Oil einen beträchtlichen Schaden zufügen, als plötzlich auf den Computermonitoren ein geheimes Treffen eingeblendet wird, bei dem nicht nur der Vorstandsvorsitzende von Dutch Oil, Jaap van der Waal, dabei ist, sondern auch verschiedene Führungskräfte von internationalen Ölkonzernen, die sich über die geplante Liquidierung eines bekannten Fusionsphysikers namens Elvas durch den Engel des Zorns unterhalten. Die drei Mitglieder von Final Action riechen die Gefahr und versuchen zu flüchten, doch plötzlich gehen die Sirenen los und auf dem Gelände von Dutch Oil werden sie von Sicherheitskräften gejagt, die sie sicherlich nicht nur der Polizei ausliefern wollen. Jorge Oliveira wird schwer verletzt und von den Verfolgern ermordet, während Ulrike Berger und Lasse Nordman zunächst fliehen können. Doch wissen sie, dass sie immer noch von den Sicherheitskräften von Dutch Oil gesucht werden. Zur gleichen Zeit ärgert sich Arto Ratamo von der finnischen Sicherheitspolizei über den Lärm seiner Nachbarn, bis er sich nicht anders zu helfen weiß, als die Polizei zu rufen.

Die Ereignisse überschlagen sich, denn vor seiner Ermordung kann Jorge Oliveira noch eine SMS absetzen, in der er vom geplanten Mord am Physiker Elvas berichtet. Lasse Nordman, der Sohn der finnischen Verteidigungsministerin, lässt sich absichtlich schnappen, damit seine Freundin Ulrike die Möglichkeit zur Flucht bekommt. Auch muss die Polizei feststellen, dass der Physiker Elvas tatsächlich ermordet wird und auch die vergangenen Morde an verschiedenen namhaften Physikern wohl doch keine Unfälle waren, sondern geschickt durchgeführte Morde. Doch noch tappt die Polizei im Dunkeln und hat keine Spur, die zum Engel des Zorns führen könnte.

Der Leser hat diesen, der sich auch Ezrael nennt, allerdings bereits kennen gelernt. Ezrael hat in seiner Kindheit Schlimmes durchgestanden und handelt nun auf Befehl seiner Schwester Mary Cash, die ihn als Werkzeug benutzt. Ezrael denkt, dass er Verräter ermordet, doch seine Schwester weiß ganz genau, welchem Zweck die Ermordung der Physiker wirklich dient, auch der Leser erfährt es bald. Lasse Nordman und Ulrike Berger stehen ebenfalls bald auf Ezraels Exekutionsliste, weil sie zu viel wissen von der geheimen Verschwörung.

Taavi Soininvaara hält sich wieder einmal nicht lange mit Vorgeplänkel auf, sondern wirft seine Leser direkt mitten in die Geschichte. Gleich auf den ersten Seiten begleiten wir die drei Ökoterroristen auf ihrem Feldzug gegen Dutch Oil und erleben mit, wie die Drei Mitwisser einer Verschwörung werden und danach auf die Abschlussliste geraten. Direkt im Anschluss lernen wir den Engel des Zorns kennen und erleben mit, wie er Jagd macht auf einen Physiker, der noch nichts von der Gefahr ahnt, die sein Leben bedroht. Während all dies geschieht, ist unser Romanheld Arto Ratamo noch damit beschäftigt, einen Kleinkrieg gegen Studenten in seiner Nachbarschaft anzuzetteln. Taavi Soinunvaara macht uns somit gleich mit allen wichtigen Romanfiguren bekannt und beginnt mit einem Paukenschlag. Danach dauert es auch nicht lange, bis der Leser erahnen kann, welchen Grund die Anschläge auf die Physiker haben. Doch enthält uns Soininvaara lange vor, was wirklich hinter all dem steckt, denn natürlich passiert viel mehr unter der Oberfläche.

Der Spannungsbogen setzt also gleich zu Beginn des Buches ein und fesselt den Leser an die Geschichte. Später bricht die Spannung allerdings leider etwas ein, obwohl ständig Menschenleben bedroht werden und mindestens ein verrückter Killer sein Unwesen treibt, der zwischenzeitlich eine uns gut bekannte Geisel nehmen kann. Doch unglücklicherweise hegt man für die meisten handelnden Figuren wenig Sympathien, sodass man ihrem Ableben auch recht gleichgültig entgegensehen kann. Taavi Soininvaara begeht den Fehler, dass er seinen früheren Romanhelden Arto Ratamo, den man in den beiden Vorgängerkrimis kennen und schätzen gelernt hat, zu sehr in den Hintergrund treten lässt. Ratamo ist zwar überall vor Ort, aber er wird selbst nicht gejagt und steht auch nie im Zentrum der Geschehnisse, sodass er sich in diesem Buch leider mit einer kleineren Nebenrolle begnügen muss.

Darüber hinaus bremsen zwei weitere Faktoren die Spannung: Nachdem der Engel des Zorns eine Geisel genommen hat, die er für den „Engel der Offenbarung“ hält und von dem er sich einen neuen Auftrag erhofft, begleiten wir ihn längere Zeit bei seinen Handlungen und lernen ihn, sein Wesen und seine Vergangenheit besser kennen. Sein fanatisches Gerede vom Engel der Offenbarung strapaziert auf Dauer leider sehr die Geduld des Lesers. Man ist es bei einem Kriminalroman ja schon gewöhnt, dass man auf verrückte Romanfiguren trifft, aber so tief wollte ich dann doch nicht in die Gedanken des Killers eintauchen, denn mir erschien er zu unglaubwürdig. Auch die seitenlangen historischen Exkurse Jaap van der Waals bringen weder die Handlung noch die Spannung voran, sodass ich gut auf sie hätte verzichten können.

Zwei weitere Dinge sind es, die den eigentlich durchaus positiven Gesamteindruck etwas trüben. Zum einen übertreibt Taavi Soininvaara es etwas mit seinem Lokalkolorit. Wenn seine handelnden Figuren durch die Straßen Helsinkis oder auch Amsterdams spazieren, erfahren wir alle möglichen Straßennamen oder markanten Orte, die der Durchschnittsleser noch nie im Leben gehört hat. Für jemanden, der diese vielfältigen Schauplätze bereits besucht hat, ist diese überschwängliche Verwendung fremd klingender Straßennamen natürlich äußerst spannend, wenn man aber permanent über diese Bezeichnungen stolpert, stört dies ein wenig den Lesefluss. Zum anderen fand ich es etwas unglaubwürdig, dass niemand bemerkt haben soll, dass die Morde an den jeweils führenden Fusionsphysikern kein Zufall sein können. Zwar hatte der Engel des Zorns seine Morde jeweils gut als Unfall getarnt, aber wenn immer wieder der zurzeit beste Fusionsphysiker sein Leben lassen muss, sollte eigentlich jedem klar sein, dass dies nicht nur ein Zufall sein kann.

Dem entgegen steht Taavi Soininvaaras stetes Bemühen, seinen Romanen einen spannenden politischen Hintergrund zu verpassen. In „Finnisches Quartett“ befasst er sich mit umweltfreundlichen Energien, Ökoterroristen und zwielichtigen Managern, die auf Kosten der Umwelt ihren eigenen Profit suchen. Diese Konstellation birgt viel Potenzial, das Soininvaara auch gekonnt ausnutzt. Insbesondere vor dem Hintergrund der tatsächlichen amerikanischen „Umweltpolitik“, offenbart auch Soininvaara eine „unbequeme Wahrheit“, denn man könnte sich durchaus vorstellen, dass die geschilderten Ereignisse gar nicht so weit hergeholt sind, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. In einer Nation, die bekanntlich der größte Umweltverschmutzer auf der ganzen Welt ist und bezeichnenderweise auch keine Bemühungen erkennen lässt, daran etwas zu ändern, könnten vielleicht tatsächlich Mächte am Werke sein, wie Soininvaara sie im finnischen Quartett aufdeckt. Eins hat Soininvaara also definitiv geschafft: Sein Buch wird nicht einfach durchgelesen, zugeklappt und aus dem Gedächtnis gelöscht – nein, man beginnt sich zu fragen, ob solche Verschwörungen in unserer Welt nicht wirklich passieren könnten …

Trotz kleiner „handwerklicher“ Schwächen hinterlässt „Finnisches Quartett“ einen positiven Gesamteindruck. Taavi Soininvaara beweist erneut, dass er ähnlich wie Henning Mankell nicht einfach nur leicht vergängliche Spannungsliteratur schreibt, sondern Kriminalromane, die zum Nachdenken anregen und Konflikte aufdecken wollen, die vielleicht tatsächlich so passieren könnten. Für den vierten Soininvaara-Krimi würde ich mir allerdings wünschen, dass der sympathische Arto Ratamo wieder mehr ins Zentrum der Geschichte rückt!

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