Solanes, Martín – Mallorquinisches Blut

_Inhalt:_

Unbekanntes Mallorca – Sonne, Meer und ein furchtbares Verbrechen.

Ein düsteres Verbrechen überschattet das Paradies: Mehrere in alte mallorquinische Stoffe gewickelte grausige Funde bedrohen die Idylle der Baleareninsel. Mit ihrer Kamera spürt die Tatortfotografin Pilar Más dem mysteriösen Täter nach und begibt sich so gefährlich nah in seinen Fokus.

Ein seltsames Paket verstopft die Kanalisation Palma de Mallorcas. Das Bündel aus alten mallorquinischen Stofffetzen birgt einen schrecklichen Fund: eine abgetrennte Hand. Es ist nicht die letzte makabre Entdeckung, die die Tatortfotografin Pilar Más mit ihrer Kamera festhalten muss. Die junge Polizistin ist gerade erst in ihre Heimat zurückgekehrt, die sie sechs Jahre zuvor nach dem mysteriösen Tod ihres geliebten Cousins verlassen hatte.

Nun muss sie immer neue Leichenteile dokumentieren – ohne dem Täter dabei wirklich näher zu kommen. Bis eine Spur zu La Dragonera führt, der einsamen Dracheninsel vor Mallorca, einst Zufluchtsort für Schmuggler und Piraten. Doch als erneut Menschen aus Pilars Umfeld verschwinden, beginnt diese zu ahnen, dass die Vergangenheit ihrer Familie der Schlüssel zur Lösung des grausamen Rätsels ist.

_Meinung:_

Am 3.Juni macht Jovi, ein Straßenreiniger, in einer Rohrleitung der Müllentsorgung von Palma de Mallorca einen makabren Fund – eine Hand und Unterarm in einem Stoffpaket.

Pilar Más (Kriminaltechnikerin, wissbegierig, dickköpfig, ruhig, diszipliniert) kehrt nach sechs Jahren Polizeischule auf ihre Heimatinsel Mallorca zurück und kommt in das Team von Hauptkommissar Fernando Olazabal. Die beiden stehen sich von Anfang an feindselig gegenüber. Pilar untersteht in der Spurensicherung als Fotografin Offizier Gerónimo Diaz, der ein Freund von Pilars Cousin ist. Pilars erste Liebe starb vor sechs Jahren unter mysteriösen Umständen. Sein Tod war der Auslöser dafür, dass sie zur Polizei ging.

Bruno Montaner (stürmisches Temperament, fühlt sich der Insel sehr verbunden), lebt und arbeitet in Port d’Andratx und geht seltsamen Feuern auf der Insel La Dragonera nach. Er findet dort eine merkwürdige Feuerstelle und Schleifspuren (z. B. eines schweren Gegenstandes oder Körpers). Die Substanz, die er in der Feuerstelle findet, stellt sich nach der Untersuchung als von einem menschlichen Knochen stammend heraus.

Um Bruno wird eine kleine Spezialeinheit gebildet (der auch Pilar angehört), die sich auf die Suche nach dem Rest der Leiche macht. Es tauchen fünf weitere Pakete mit Leichenteilen in der Müllverwertungsanlage auf, u. a. auch ein verkohlter Schädel. Die Schnur der Pakete wird häufig als Takelschnur oder Trimmleine auf Segelbooten benutzt.

Bruno erfährt von einem befreundeten alten Bibliothekar von einem alten Atlas aus dem 13. Jahrhundert – dem „Atlas catalán“ mit zwei Karten von Mallorca und La Dragonera. Dieser Atlas befand sich einst im Besitz von Horacio Más, Pilars Großvater, zu dem sie eine sehr problematische Beziehung hat und dessen Begegnung sie meidet. Dennoch stattet sie Son Nadal, der riesigen Finca ihrer Familie, einen Besuch ab – und wird von ihren Erinnerungen heimgesucht. Denn die Geschichte der Familie Más wird beherrscht von Trauerfällen und der Brutalität ihres Großvaters, den sie hasst und verachtet. Pilars Vater starb mit 25 Jahren und ihre Mutter wenig später bei ihrer Geburt.

Pilar besucht Carape, den Schäfer von Son Nadal. Er war einst ihr Verbündeter und sie fühlt sich endlich wieder zu Hause. Von Carape erfährt sie, dass es mit dem Gut Son Nadal abwärts geht und die Familie in finanziellen Schwierigkeiten steht (und ihr Großvater oft auf der Rennbahn anzutreffen sei) – und sie hört zum ersten Mal von einem jungen Deutschen, einem eventuellen Sohn ihrer Tante Yolanda.

Pilar besucht eine Disco in Portal Nous und erfährt von Azur Letal, einer Bekannten, dass deren Bruder Fredo seit Monaten verschwunden ist, und erhält von ihr ein Foto vom Abend seines Verschwindens, auf dem er mit seinen Kumpels abgebildet ist.

Bruno und das Team erwarten Ende Juni – zum „blauen Mond“ weitere Vorkommnisse. In den Arabischen Bädern wurde eine große Menge Blut in die Bewässerungsgräben des Patios geschüttet, und an einer Mauer fand man blutige Handabdrücke; darüber hinaus auch Schuhabdrücke, die mit denen, die Bruno auf La Dragonera gesichtet hat, übereinstimmen. Das vergossene Blut bildet einen Pfeil, der auf das ehemalige Schöpfrad, das zu einem Brunnen umgebaut wurde, deutet. Dort findet das Team ein weiteres Paket mit dem Kopf eines Rassepferdes darin. Der Fall wird immer mysteriöser und verworrener. Und das Team steht auch intern unter Druck. Hauptkommissar Olazabals macht des ihnen schwer – Schikanen sind an der Tagesordnung und er provoziert seine Mitarbeiter, wo er nur kann.

Immer wieder ist von einem mysteriösen blonden Deutschen (bullige Gestalt, unsympathisch) die Rede. Auch als Bruno von einem Notar in Andratx hört, bei dem ein Holländer mit einer Besitzurkunde von La Dragonera auftaucht, die er von einem Deutschen gekauft hat. Bruno beschließt, Nachforschungen über Yolana und ihren Sohn in Deutschland anzustellen. Seine Tochter Ana lebt in Hamburg und studiert Journalismus und will in der Sache recherchieren. Ebenso fährt er mit seinem Team auf die Insel La Dragonera. Dort finden sie in der Feuerstelle weitere Fingerknochen und andere Indizien, die darauf schließen lassen, dass jemand auf der Insel verletzt oder getötet wurde. Der Verdacht verhärtet sich, als Pilar auch noch Fredos Mundharmonika (die er auf dem Foto, das sie hat, schwenkt) findet.

Auf dem Foto erkennt die alte Grita, die auf Son Nadal lebt, auch noch Oscar Uhl, Yolandas Sohn und einer der Verdächtigen. Somit zeigen wieder Zeichen Richtung Deutschland und irgendwie scheint Pilars Familie tief in diesem Fall involviert zu sein … wie die Insel La Dragonera, die einer der roten Fäden dieses Buches ist. Und dann wird Pilar entführt und gerät in Lebensgefahr …

_Der Autorin gelingt_ eine wunderbare Mischung aus Krimihandlung, mehrdimensionalen Charakteren – aber auch interessanten Nebendarstellern, wie Brunos Freundin Tita, eine Zigeunerin, oder seine Mutter Placida Más Montaner, aber auch Pilars strenge Tante Grita) und fein detailliertem Inselkolorit. Sie zeichnet ein Bild von Macht, Familienehre, Bindungsängsten und Traditionen. Und sie webt einen interessanten Handlungsstrang um den mallorquinischen Philosophen Raimundus Lullus (1235-1315) und seine im Jahre 1308 verfasste „Ars brevis“, eine von diesem selbst angefertigte Kürzestfassung seines weitaus umfangreicheren Hauptwerkes – der parallel entstandenen „Ars generalis ultima“.

Die „Ars brevis“ bietet eine kompakte Darstellung des reifen lullschen Denkens, in dessen Mittelpunkt die kombinatorische Methode steht, mit der Lullus in die Geschichte der Philosophie eingehen sollte – dem System der Erhellung der Wahrheit, das auf der Kombination von Buchstaben auf dem äußeren Ring eines Kreises beruht. Aber sie bezieht auch den Mond (Vollmond, blauer Mond), der in der mallorquinischen Mythologie eine wichtige Rolle spielt, in die Handlung mit ein.

Man merkt dem Roman an, dass Martín Solanes den Sommer stets auf Mallorca verbringt, wo die Wurzeln ihrer Familie sind. Da ich selbst seit fast zwölf Jahren auf der Insel lebe, sie aber weitaus länger kenne, muss ich der Autorin meine Anerkennung zollen, welch stimmiges Bild sie über Mallorca zeichnet – im Positiven und Negativen. Und es erlaubt einen Blick in die Seele der Mallorquiner.

Die Aufmachung des Titels ist ebenfalls ohne Fehl und Tadel: das Format etwas größer, Papier und Satz/Druck erstklassig. Somit bietet „Mallorquinisches Blut“ spannende, aber auch wissensreiche Unterhaltung und man verspürt zum Schluss Lust auf mehr. Man möchte wissen, wie es mit Pilar, aber auch Bruno und dem Team weitergeht – und hofft auf einen weiteren Fall, der uns erneut auf diese schöne Insel entführt.

_Fazit:_

Spannender Krimi und ein wunderbar stimmiges Bild über die Baleareninsel Mallorca machen das Buch absolut empfehlenswert.

|Taschenbuch: 318 Seiten
Originaltitel: Quand la lune sera bleue (2008)
Aus dem Französischen von Ute Bechberger & Cornelia Weinkauf
Titelgestaltung von creativ connect Karin Huber, München
Innenillustrationen von Studio de creation Flammarion
ISBN-13: 9783492052597|
[www.piper.de]http://www.piper.de

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