Spitra, Helfried / Kersken, Uwe (Hrsg.) – Germanen, Die

Die Geschichte der sogenannten „Germanen“ ist ein in der Geschichtsschreibung oftmals missbrauchtes Gebiet. In den vielen Jahrhunderten der Rezeption germanischer Geschichte gab es wohl keine Beurteilung, die man diesem riesigen Konglomerat von ursprünglich kultur- und glaubensverwandten Stämmen noch nicht hat angedeihen lassen. Von der Verklärung der Germanen im Nationalsozialismus und auch im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert bis hin zur weitgehenden Verachtung durch die griechische und römische Geschichtsschreibung der Antike haben die Germanen schon so manchen Ruf genossen oder erleiden müssen. In unserer Zeit ist man erfreulicherweise dazu übergegangen, die „germanische“ Geschichte nüchterner und differenzierter zu betrachten. Ein Beispiel hierfür liefert auch das Buch „Die Germanen“ (hrsg. v. Helfried Spitra und Uwe Kersken).

Bei dem vorliegenden Titel handelt es sich um das Begleitbuch zur vierteiligen |ARD/Arte|-Dokumentation „Die Germanen“. Wie es bei Begleitbüchern zu TV-Dokumentationen so oft der Fall ist, verfügt auch dieses Buch über eine Bebilderung, die sich oftmals aus dem Fundus der Fernsehvorlage bedient. Im Falle dieses Buches bedeutet das, dass verschiedene hochwertige und abwechslungsreiche Szenenbilder aus der TV-Dokumentation in das Buch integriert wurden. Man kann durchaus sagen, dass das Buch dadurch optisch sehr stark aufgewertet wird. Die gesamte Bebilderung und optische Aufmachung des Buches ist äußerst ansprechend gestaltet worden. Büsten, archäologische Fundstücke, Karten, Münzen und Filmszenen sind allesamt unter den Abbildungen vertreten und lassen diesbezüglich keine Wünsche offen. So weit zu den Vorteilen.

Ein etwas schwerer zu bewertender Aspekt ist die Frage nach dem Inhalt des Buches. Man kann zweifellos attestieren, dass die Themenauswahl für das gegebene Thema durchaus angemessen ist. Die Themen erstrecken sich von den ersten Kontakten der Germanen mit den Römern bis hin zur Völkerwanderung und frühen Christianisierung der Franken, bei zeitgleichem schrittweisem Rückgang der römischen Herrschaft über Europa. Zwischen Anfang und Endpunkt wird die Lebensweise der Germanen betrachtet, ebenso wie einzelne Etappen des vielgesichtigen Verhältnisses zwischen Germanen und Römern. Die Tatsache, dass dieser große Zeitraum auf etwa 200 reich bebilderten Seiten behandelt wird, weist jedoch schon auf die Beschaffenheit der enthaltenen Texte hin. Natürlich handelt es sich bei diesem Buch nicht um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung, sondern um eine einfache Präsentation germanischer Geschichte. Die Artikel sind zwar leicht verständlich und gut geschrieben, jedoch gehen sie zu keinem Zeitpunkt wirklich in die Tiefe der zu behandelnden Materie.

Damit wären wir auch schon beim Fazit, das allerdings stark von der Erwartung des Lesers abhängt. Wer sich für einen kurzen, ansprechenden und leicht verständlichen Gesamtüberblick zur germanischen Geschichte interessiert, der kann beim Kauf dieses Buches absolut nichts falsch machen. Wer sich jedoch vertiefend und ernsthaft mit der Geschichte und Kultur der Germanen befassen will, der sollte lieber zu anderen und „biedereren“ Büchern greifen.

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