Stackpole, Michael – Kampf um die alte Welt, Der (Saga der neuen Welt 2)

Michael Stackpole setzt in „Der Kampf um die alte Welt“ nahtlos fort, was er in [Das verlorene Land 1036 begonnen hat.

Die Mitglieder der Familie Anturasi stehen erneut im Brennpunkt der Ereignisse: Der alte Patriarch Qiro Anturasi ist zum Mystiker der Kartografie geworden; was er auf einer Karte einzeichnet, wird Realität – so hat er im Süden aus dem Nichts einen neuen Kontinent, vermutlich das „verlorene Land“, auf das der Titel des ersten Bandes anspielt, mitsamt seinen monströsen Bewohnern erschaffen. Die Seele seiner ermordeten Tochter Nirati findet dort ebenfalls Zuflucht. Leider scheint er unter dem Einfluss des Vanyesh-Prinzen Nelesquin zu stehen, der seinen Feldzug gegen die verschollene Kaiserin Cyrsa, der vor Jahrhunderten den Kataklysmus auslöste, fortführen will.

Keles Anturasi wird auf Rache für die vermeintlich tote Tyressa sinnend in die Dienste des Prinzdynasten Pyrust gepresst, während sein Bruder Jorim nicht nur von den Tetcomchoa als Gott verehrt wird, sondern tatsächlich göttliche Fähigkeit gewinnt! Die Gruppe um die Schwertkämpfer Moraven Tolo und Ciras Dejote teilt sich auf; während Moraven die in Erumvirine einfallenden Monsterhorden vom Südkontinents Qiros bekämpft, findet Ciras auf seiner Suche nach Kaiserin Cyrsa eine Zufluchtsstätte ihrer Erzfeinde, der Vanyesh, und steigt in den Rang eines Mystikers des Schwertkampfes auf.

Währendessen spekuliert Dynast Pyrust darauf, dass ihm die Invasion Erumvirines die Gelegenheit gibt, Helosunde auszubluten und zugleich seinem Gegner Cyron den Todesstoß zu versetzen.

Stackpole überraschte mich mit diesem Roman. Der Schwerpunkt liegt völlig anders als erwartet. Wer einen Entdecker-Roman erwartet, wird enttäuscht werden. Stattdessen mutieren ein halbes Dutzend Hauptpersonen zu Mystikern, entpuppen sich als lebendige Figuren der Legende oder werden gleich gar zu Göttern! Wozu eigentlich? Plötzlich verschiebt sich die Handlung von einer Entdeckungsreise zu einem uralten Konflikt zwischen Kaiserin Cyrsa und den Turasynd oder vielmehr auf einmal den Vanyesh. Dieser Bruch in der Erzählung ist irritierend und wird durch permanent den Schauplatz wechselnde kurze Kapitel noch verstärkt.

Der fehlende Fokus sorgt auch dafür, dass kein Charakter wirklich hervorstechen kann. Alle wirken gleichermaßen bieder und sind sich sehr ähnlich, alle Dynasten sind wahrlich Herrscher machiavellistischer Prägung, die zu stark an Heerführer oder Bösewichter aus anderen Stackpole-Romanen erinnern, ohne je die Chance zur Eigenständigkeit zu erhalten.

Das setzt sich mit Nebencharakteren und allen Anturasis inklusive ihrer Liebschaften fort. Insbesondere die Beziehung von Keles zu Tyressa wirkt nutzlos und aufgesetzt, der perverse Folterer und Mörder Junel wird in diesem Roman ebenfalls sang- und klanglos entsorgt. Hier fehlt es an Stringenz, ein bunter Eintopf aus Ideen, zusammengeklaubt aus allen möglichen Werken Stackpoles.

Weltenentwurf war noch nie Michael Stackpoles Stärke, aber er hat in seinen „Düsterer Ruhm“-Romanen bewiesen, wie gut er die Ideen anderer Autoren in seine Welten einpassen und weiterentwickeln kann. Dass er Serien Impulse geben kann, hat er in „BattleTech“ mit den Clans bewiesen, ebenso in seinen Romanen im „Star Wars“-Universum. Ohne Regeln neigt er zum Ausufern; dieser Roman und leider vermutlich wohl die ganze Serie scheitern daran. So wird der Beginn der Invasion Erumvirines aus der Perspektive von Dunos geschildert, ein kurzes Kapitel, das isoliert zwischen an völlig verschiedenen Punkten der Welt handelnden Kapiteln steht. So kommt keine apokalyptische oder bedrohliche Stimmung auf; es verärgerte mich zudem, dass ich mich erst wieder durch die unheimlich ermüdend vorgetragenen strategischen Erwägungen von Pyrust durchkämpften musste, bevor es dann mit Jorim Anturasi weiterging.

Fragwürdig sind ebenso die übermäßig vielen abgeschmackten Konstruktionen; selten wurde der Deus Ex Machina so überstrapaziert wie in diesem Roman. Der Gott ist hier übrigens wörtlich zu nehmen! Mittlerweile hat sich bereits die Hälfte der Hauptpersonen in Götter verwandelt, andere sind zu Meistern und Mystikern aufgestiegen und andere erinnern sich schließlich, dass sie ja eine Person der Legende sind. So etwas kann nicht überzeugen. Hier droht die Handlung jegliche Bodenhaftung zu verlieren, zumal es an Identifikationsfiguren oder starken Charaktern an sich sowieso schon mangelt.

Der Konflikt zwischen den Vanyesh und Kaiserin Cyrsa (die ebenfalls überraschend wieder auftaucht) sowie den Resten ihres ehemaligen Imperiums wird die Handlung in Zukunft bestimmen. Wer einen Entdecker- oder Seefahrer-Roman im Fantasy-Genre sucht, sollte stattdessen Paul Kearney’s Trilogie „Die Königreiche Gottes“, erster Band „Hawkwoods Reise“, lesen. Stackpole legt derzeit eine schöpferische Pause ein, ein Folgeband ist noch nicht angekündigt. Hoffentlich steigt auch er in den Rang eines Mystikers der Schreibkunst auf, denn dieses verzettelte Chaos zu einem vernünftigen Ende zu bringen, wird nicht einfach sein.

Homepage des Autors:
http://www.stormwolf.com/

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