Stecher, Rainer – Flamme von Atragon, Die (Atragon I)

Vierzig Jahre ist es her, dass die Feen, die Hüter des Gleichgewichts zwischen Gut und Böse, unerwartet von den Horden des grausamen Sartos überrollt und die Flamme des Lebens gelöscht wurden. Seither herrschen in Atragon Agonie und kleinliche Intrigen, während die Welt immer mehr in Chaos und Elend versinkt.

Die Priostine Adinofis ist entschlossen, dem ein Ende zu machen. Doch die Hohepriostine Dalia ist nicht geneigt, sich gegen Sartos zu wenden. Und so hat Adinofis zu Maßnahmen gegriffen, die eigentlich gegen das Gesetz der Feen verstoßen.

Sartos ist derweil nicht untätig geblieben. Im Herzen seiner unterirdischen Festung Trong zieht er eine neue Generation Krieger heran. Krieger mit einer undurchdringlichen, unverwundbaren Haut. Mit ihnen will er nicht nur Tauron, die letzte existierende Stadt der Menschen, erobern, sondern auch die Feen vernichten …

_“Die Flamme von Atragon“ zählt nur hunderfünfunddreißig Seiten._ Entsprechend knapp ist die Charakterzeichnung ausgefallen. Adinofis ist eine sehr entschlossene und mutige Frau, gleichzeitig aber auch verletzlich und einsam. Ihr kleiner Gehilfe Gill dagegen scheint ein munterer Geselle zu sein, mit einem vorlauten Mundwerk und gelegentlich übermütig, aber treu und klug.

Als Waldfaune ist Thyra ein Geschöpf der Natur, außerdem ist sie eine Kriegerin und dementsprechend zäh und mutig. Die ungewöhnlichste Person ist die Hebamme Sidonis, die dem Thronfolger von Tauron auf die Welt geholfen hat, denn sie besitzt einen außergewöhnlichen Sinn für das Übernatürliche. Sartos dagegen ist lediglich ein hässliches, machthungriges, grausames Ungetüm, dessen einziges Ziel es ist, alles Leben zu zerstören.

Das ist bis dahin nicht gerade ergiebig, zumal der Leser nicht erfährt, wie und warum Sartos, der ebenso seit dem Beginn der Zeit existiert wie die Feen, auf einmal aus den Tiefen der Erde ausbricht, oder warum Sidonis so empfänglich für alles ist, was mit den Feen zu tun hat. Seine Figuren haben so gut wie keine Vergangenheit, keine Vorlieben, Zukunftsträume oder Aversionen gegen andere. Gefühle sind auf Teilbereiche reduziert wie Selinas Liebe zu Krygon und Adinofis Trauer um ihren Vater.

_Auch im Hinblick auf die Handlung verschwendet der Autor keine Zeit._ In weniger als einer Woche wirft Adinofis die Feen in eine Schlacht gegen Sartos. Trotz diverser Ortswechsel beschränkt Rainer Stecher sich auf das Wesentliche, in knappen, eher kargen Worten. So etwas wie Ausschmückung fehlt völlig, das betrifft nicht nur die Charaktere und den Handlungsverlauf, sondern auch den Hintergrund, den er dafür entworfen hat. Weder auf die magischen Fähigkeiten der Feen oder ihrer Gegner noch auf geographische oder historische Gegebenheiten seiner Welt geht er genauer ein. Nichts findet Platz, das nicht dem Fortführen der Handlung dient – mit einer einzigen Ausnahme, und das ist die Episode mit Adinofis Vater. Möglicherweise hat dieser kurze Handlungsfaden in den späteren Bänden noch irgendwelche Auswirkungen, aber bisher steht er völlig außerhalb des Kontexts.

_Der Gesamteindruck_, der am Ende des Buches zurückbleibt, ist fast schon der einer Kurzgeschichte – einer spannenden Kurzgeschichte. Der Leser hat einige rasante, atemlose Augenblicke eines dramatischen Geschehens miterlebt. Tatsächlich ist Spannung das Hauptelement, das die Geschichte trägt. Schon die Zuspitzung des Konflikts zwischen Adinofis und Dalia dreht die Schraube ein gutes Stück an, um dann vorübergehend etwas nachzulassen und gegen Ende erneut anzuziehen. Das Ende ist dann eher unerwartet – und vor allem unbefriedigend. Selbst jemand, der die Geschichte nicht wirklich toll fand, kann am Ende des Buches unmöglich aufhören zu lesen.

So richtig begeistern konnte mich das Buch aber auch nicht. Der knappe, strenge Erzählstil und der extrem straffe Handlungsverlauf verhinderten, dass man den Protagonisten nahe genug kam, um sich in sie hineinzuversetzen, mit ihnen mitzufühlen. Man bleibt die ganze Zeit über draußen vor der Tür, kein Teilnehmer, sondern nur ein Beobachter. Das Fehlen jeglicher Vorgeschichte, sowohl bezüglich der einzelnen Personen als auch der Welt als ganzer, bewirkt, dass dem Leser sämtliche Motive dafür fehlen, warum all das überhaupt passiert, was für eine weitere Distanzierung sorgt. Dazu kommt, dass das, was letztlich übrig bleibt – der Kampf zwischen einem Bösewicht, der die Welt beherrschen und alles Leben vernichten will, und den Guten, die ihn daran hindern wollen -, das Motiv der Fantasy schlechthin ist und deshalb nicht gerade neu. Folglich ist die Spannung, die der Autor so geschickt zu erzeugen wusste, das Einzige, was dem Leser geboten wird. Und das fand ich dann doch etwas wenig.

Wenn in den beiden Folgebänden nicht noch etwas passiert, das im Leser stärkere Emotionen weckt als nur Nervosität und Anspannung, dann wird der Zyklus unterm Strich nicht mehr sein als eine wilde Sturmböe: einmal kräftig durchgerüttelt und zerzaust und dann verweht, ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

_Rainer Stecher_ ist gebürtiger Thüringer, lebt aber jetzt in Berlin. Mit dem Schreiben begann er auf Bitten seiner Kinder, zur Veröffentlichung des Manuskriptes überredete ihn sein Vater. Seither hat er nicht nur die |Atragon|-Trilogie geschrieben, sondern auch ein Kinderbuch mit dem Titel „Spindelfink – Wie ein Spatz fliegen lernte“ sowie Gedichte und eine Kurzgeschichte, die er zusammen mit anderen Autoren veröffentlicht hat.

http://www.atragon-online.de.vu
http://www.asaro-verlag.de

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