Dugald A. Steer (Hg.) / Volker Präkelt – Das geheime Buch der Magie. Die Zauberkunst Merlins (Hörspiel)

Mit dem Fliegenden Teppich: auf Merlins Spuren

Zwei ungleiche Gefährten, der schrullige Buchhändler und das ungestüme Mädchen Kitty, sind auf der Suche nach Merlins geheimem Buch der Magie. Doch hartnäckige Widersacher stellen sich ihnen in den Weg. Eine zauberhafte und zugleich atemlose Reise beginnt, die sie nach Stonehenge und in die Bretagne führt, denn dort wartet der weise Magier bereits auf sie.

Die Inszenierung

Die deutsche Hörspielbearbeitung und die Rahmenhandlung stammen von Volker Präkelt, der auch Regie führte und mit Frank Tschöke an der Musikproduktion beteiligt war. Die Saiteninstrumente bediente hingegen Volker Schmidt. Für die Qualität des Sounds war Svenno Nakielski zuständig.

Die Sprecher

Merlin; Wolfsklinge: Holger Löwenberg
Roger Warwick, Buchhändler: Robert Missler
Kitty, Zauberlehrling: Dorina Maltschewa
Ambrosius; Ian Tisel: Stefan Kaminski
Bänkelsänger: Volker Schmidt
Bänkelsängerin: Leyla Wichmann
Kräuterbursche: Phillip Baltus

Stefan Kaminski (Mönch Ambrosius, Ian Tisel) wurde 1974 in Dresden geboren. Sein Schauspielstudium absolvierte er an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin. Seit 1996 ist er beim SFB/ORB als freier Schauspieler, Sprecher und Autor tätig. Am Deutschen Theater in Berlin spielte er zunächst als Gast, seit Januar 2003 gehört er fest zum Ensemble. Im Hörverlag ist er vor allem als Stimme von „Marvi Hämmer“ bekannt. Auch der Merlin-Sprecher Holger Löwenberg taucht in dieser Hörspielreihe auf.

Hörspielbearbeiter, Regisseur und Macher ist Volker Präkelt, von dem auch die Rahmenhandlung stammt. Er produziert die mehrfach ausgezeichnete TV-Reihe „Marvi Hämmer präsentiert National Geographic World“. Zudem ist er Regisseur und Autor der Marvi Hämmer-Reihe des Hörverlags.

Dorina Maltschewa (Kitty) studierte Gesang, Tanz und Schauspiel an der Stage School of Music, Dance and Drama in Hamburg. Danach folgten Musical-Engagements in München, Bremen, Berlin etc. Sie war in zahlreichen TV-Produktionen zu sehen.

Robert Missler (Roger Warwick) arbeitete nach einer privaten Schauspielausbildung als Musiker, Kabarettist und Schauspieler. Seit 1987 ist er auch als Moderator sowie Radio- und Synchronsprecher tätig. Ebenso wirkte er in zahlreichen Hörspielen mit. Seine bekannteste Rolle ist die des „Grobi“ aus der „Sesamstraße“.

Handlung

Merlin, der größte Zauberer Britanniens, ist von seiner Geliebten Vivienne vor tausend Jahren in eine große Eiche verwandelt worden, die nun in einem Zauberwald der Bretagne steht. Wir schreiben das 19. Jahrhundert, und Merlin wartet noch immer auf einen richtig guten Zauberlehrling, der seine Kunst fortführt. Er hat ein Buch hinterlassen, das den Unwissenden die Magie lehren soll …

In London ist es derweil schön warm, denn es ist Frühling geworden und alles blüht. Sehr zum Leidwesen des Buchhändlers Roger Warwick, der von Heuschnupfen geplagt wird. Er will gerade seinen Laden schließen, als die Glocke ertönt und ein großer Vogel hereinflattert: eine Eule. Dem Vogel folgt ein Mädchen mit feuerroten Haaren. Sie ist 13 bis 14 Jahre alt und stellt sich als Kitty vor. Sie ruft die Eule „Harpyie!“ Warwick fällt auf, dass dies der Name von Merlins Eule ist. Das weiß Kitty sehr wohl, sie ist ja nicht von gestern, und zeigt ihm ein paar Seiten aus einem Zauberbuch. Sie will nämlich Zauberin werden. So, so, wundert sich Roger Warwick.

Sie beweist ihm ihre bereits beachtlichen Fähigkeiten. Als sie einen Findezauber wirkt, um Warwicks Schlüssel herbeizuschaffen, benutzt sie einen richtigen Zauberstab. Eindrucksvoll, findet der Buchhändler. Kitty hat eine Idee. Da Warwick ja sowieso eine Auszeit nehmen will, um seinen Heuschnupfen auszukurieren, könnte er ja mit ihr das „Geheime Buch der Magie“ Merlins suchen gehen. Weil Kitty seinen Heuschnupfen auf magische Weise kuriert, lässt er sich überreden.

Als Erstes begibt er sich in eine Zauberwerkstatt, während Kitty ihren Vogel in Pflege gibt. In der Werkstatt führt ein Mann namens Ian Tisel die Aufsicht, doch die Werkstatt gehörte vor 300 Jahren dem bekannten Hexenmeister Dr. John Dee. Seine Bibliothek ist nicht nur einzigartig, sondern auch riesig. Als Warwick ein paar Stapel Bücher zum Einsturz bringt, fällt ihm per Zufall das „Geheime Buch der Magie“ in den Schoß. Allerdings ist es auf magische Weise verschlossen worden. Unter den wachsamen und neugierigen Blicken eines Mönches namens Ambrosius verlässt Warwicks die Werkstatt wieder, das Buch in seinem Hemd versteckt.

Doch er kommt damit nicht weit. Auf dem Gauklermarkt lauscht er gebannt einer Moritat über den berühmten Zauberer Taliesin, doch als er sich wieder besinnt, ist das Buch weg. Er findet Kitty vor einem Verkaufstand für Tierhelfer wie Harpyie und klagt ihr seinen Verlust. Da hilft nur eines: ein Findezauber. Die Spur führt nach Stonehenge …

In seinem Zauberwald verfolgt der allwissende Merlin diese Vorgänge in Britannien gespannt und neugierig. Wieder einmal erzählt er seinen einzigen Freunden, den Waldtieren, von seinem Leben, das um das Jahr 500 in Wales begann. Doch als der Wolf gähnt, hört er lieber auf und schaut, was Warwick und Kitty alles so treiben. Ihr Weg wird sie, sofern sie alle Gefahren überstehen, direkt zu ihm führen. Doch wer hat überhaupt das Buch geklaut?

Mein Eindruck

Diese recht einfache Handlung ist natürlich ganz auf Kinder zugeschnitten, und darunter dürften nicht wenige sein, die schon mal was von Zauberlehrlingen wie einem gewissen Harry Schotter gehört oder gelesen haben. Kitty ist 13 oder 14 Jahre alt und will unbedingt Zauberer werden – ach, herrje, sagt sich die Zaubererzunft: ein Mädchen!

Der Buchhändler Warwick sagt sich das auch. Ihn kennen wir bereits aus dem Abenteuer [„Expedition in die geheime Welt der Drachen“, 3045 das von den gleichen Machern stammt und mit der gleichen aufwändigen Ausstattung angeboten wird. Warwick ist ein typischer Jedermann: relativ ängstlich, auf dem Boden der Tatsachen und gegen alles mit Bedenken gewappnet. Dass ausgerechnet er Merlins Zauberbuch findet, muss also ein großer Zufall sein. Und natürlich muss er es sofort vor Vertretern der Kirche wie dem neugierigen Mönch Ambrosius verbergen, schließlich haben Zauberer relativ wenig mit dem Weißen Christus am Hut, sondern mehr mit Pentagrammen.

Ganz anders als Warwick zeigt sich uns Kitty. Sie kennt sich nicht nur mit Zaubersprüchen aus, sondern auch mit den richtigen Gerätschaften eines Zauberers, als da wären: der Zauberstab und das Zauberermesser, das Athame. Und man muss einen Spruch aufsagen, wenn man einen Zauberstab anfertigt. Zu guter Letzt taucht sie in Begleitung eines Tierhelfers auf: die Eule Merlins höchstpersönlich. Tierhelfer sind sehr nützlich, um den Weg auszukundschaften oder allerlei Botengänge zu verrichten (wie es die weiße Eule in „Harry Potter“ immer wieder tut).

Aber welchem Vorbild soll Kitty nacheifern? Merlin kennt sie wie jedes Kind in Britannien, doch es gibt ja auch Schwarze Magie. Und dann hören wir auch noch vom Zauberer Taliesin, einem Meister der Verwandlung, dessen Mutter Cerridwen eine echte Göttin war – oder zumindest eine Hexe (Ceridwens Kessel dient der Wiedererweckung). Der schlaue Zuhörer zählt zwei und zwei zusammen und erhält nicht vier, sondern den Namen desjenigen, der Warwick Merlins Zauberbuch geklaut hat. Und dreimal darf man raten, was er von Merlin haben will. Das führt zu einem recht netten Showdown, aber ich verrate nicht, wer den Kürzeren zieht.

Schwächen

Vielleicht habe ich nicht richtig aufgepasst, aber zwei Ungereimtheiten haben mich grübeln lassen. Wenn doch Kitty Seiten aus einem Zauberbuch kopiert hat, das ihr Vater irgendwo gestohlen hat, warum will sie dann noch unbedingt Merlins „Geheimes Buch der Magie“? Reicht ihr nicht, was sie bereits hat? Offenbar nicht.

Merlins Warnung vor falsch angewandter Magie steht auch auf den Seiten, die Kitty kopiert hat. Er hat seine Sätze, die auch im Booklet, wiedergegeben sind, mit dem Jahr 1511 datiert. Wie kann er ein Buch geschrieben haben, wenn er doch nach eigenen Angaben schon 1000 Jahre in eine Eiche verwandelt ist? Und warum kann er sich nicht zurückverwandeln? Und könnte ihm nicht Taliesin bei dieser Angelegenheit helfen? Eine Menge offener Fragen – keine einzige davon wird auch nur angeschnitten.

Die Inszenierung

Die Sprecher, die Geräusche und die Musik machen dem jungen Hörer die oben genannte Zeitreise wirklich leicht.

Sprecher

Die vier Hauptsprecher entledigen sich ihrer Aufgabe hervorragend. Da haben wir den weisen Merlin, der nur leider mitunter etwas zu lange erzählt. Dann tritt Roger Warwick auf, sehr sympathisch und mit zahlreichen Schrullen gespielt von Robert Missler. Sodann tritt die eifrige und kluge, äh, Zauberlehrlingin mit dem höchst magischen Namen, ähem, Kitty auf. Ein wenig Selbstironie wäre von ihr wohl zu viel verlangt, von Selbstzweifeln oder Bescheidenheit ganz zu schweigen. Deshalb erscheint sie mir unglaubhaft. Auch Taliesin ist ein zweifelhafter Bursche: Man weiß nicht genau, ob sein hämisches Gelächter nun besonders dämlich oder überaus durchtrieben klingt. Jedenfalls ist er unsympathisch, obwohl ihn zuvor die Ballade noch besungen hat. Was ihm widerfährt, hat er auf jeden Fall verdient.

Geräusche

Die Geräusche könnten aus einem Harry-Potter- oder Fantasy-Film stammen und wirken durchgehend realistisch, so etwa die Glocke in Warwicks Laden oder die Waldgeräusche sowie das Rauschen von Wind und Wellen bei der Überquerung des Ärmelkanals per Fliegendem Teppich. Die Tierlaute haben mir immer am besten gefallen, seien sie nun von einer Eule, einem Esel, einem Wolf oder anderen Vertretern der Fauna.

Witzig fand ich den Einfall, auch einen Flaschengeist auftreten zu lassen. Er quengelt zum Steinerweichen, weil er aus seiner Flasche befreit werden will. (Das kennen wir aber schon von Strouds Ptolemäus, und mit dem Freilassen warten wir noch lieber.)

Sehr gut gefiel mir die Gauklermarktszene mit all den Ausrufern von Magiehändlern. Einer der Jungen, die hier zu hören sind, tritt später wieder bei Stonehenge auf, zusammen mit der Wahrsagerin Abramelina, die ein krächzendes Keckern hören lässt, das ich höchst lustig fand, auch wenn ich dadurch an ihrem Verstand zweifelte. (Ein Insider-Gag, denn schon in „Welt der Drachen“ trat ein Zauberer namens Abramelin auf.)

Musik

Die Musik ist modern instrumentiert, mit Gitarren und allerlei unidentifizierbaren elektronischen Klangerzeugern, klingt aber keineswegs unangenehm oder deplaziert. Außerdem ist die Musik nicht so wichtig, denn sie hat heftige Konkurrenz von den Geräuschen und den Dialogen.

Das gilt natürlich nicht für den Höhepunkt des 2. Akts: „Die Ballade von Taliesin“. Ein Paar Bänkelsänger tritt auf und singt die Ballade im Duett. Nicht genug damit, fällt auch noch das Publikum ein, um den letzten Vers einer Strophe sowie vielleicht einen Refrain mitzusingen. Bei der Sängerin fiel mir auf, dass ihr eine ordentliche Gesangsausbildung fehlt, wohingegen der Bänkelsänger Volker Schmidt mit einer sehr schönen Stimme zu überzeugen weiß.

Das Booklet

Was heißt hier „Booklet“? Allein schon das Äußere des stabilen Booklets mit Ringbuchheftung ist beeindruckend: In den dunkelblauen Kartoneinband sind silberne Zeichnungen „eingraviert“ – oben eine Eule, unten ein Löwe. In der Mitte sind in der Vignette drei Fabelwesen zu sehen: ein Phönix, ein Einhorn und ein Drache. Ganz unten ist noch eine Seeschlange zu erkennen, wie sie in der Handlung vorkommt.

Die CD steckt in einer Hülle, die mit Merlins Warnung an angehende Zauberer bedruckt ist. Dann folgt ein mehrseitiges Büchlein, das mit Ringheftung gebunden ist. Es klärt über „Meister Merlin“ und die „Werkzeuge des Zauberers“ (Zauberstäbe aus verschiedenen Holzarten, Athame) auf. Es folgen Auskünfte über Zauberformeln für: Belebenden Zauber; Verwandlungszauber; Heilzauber und Veränderungszauber. Achtung: Die Zauberformeln gibt es nur im Hörspiel selbst!

Der „Apotheke des Zauberers“ fehlt leider das „Tigergekröse“, und in den Auskünften zu den „treuen Tierhelfern des Zauberers“ finden sich keine Tipps zur artgerechten Eulenhaltung. Bevor die Informationen zu den Sprechern das Büchlein beschließen, kommen wir noch in den Genuss der kompletten „Ballade von Taliesin“. Sie bildet einen der frühen Höhepunkte des Hörspiels.

Alle Seiten sind mit einem Rahmen versehen, in dem sich allerlei fabulöses Getier tummelt, von Phönixen über Einhörner bis hin zu Drachen. Insgesamt bildet das Büchlein einen interessanten Begleiter zum Hörspiel, doch leider hält sich seine Nützlichkeit sehr in Grenzen. Zu den bereits angedeuteten Informationslücken kommen noch die fehlenden Flugregeln für Fliegende Teppiche sowie die Warnung Merlins vor Schwarzer Magie hinzu.

Interessant fand ich die Erklärung zu Merlin. Ein Merlin ist nicht nur ein Titel für den höchsten britischen Druiden („myrddin“), sondern auch für eine kleine, in Britannien verbreitete Falkenart. Wie hieß also Merlin mit richtigem Namen? Das wird leider im Büchlein nicht verraten, wie so vieles andere.

Der Klappentext des Booklets raunt etwas von einem Fluch, der Warwick und Kitty behindert, doch davon konnte ich in der Endfassung nichts feststellen. Also nicht irreführen lassen!

Unterm Strich

Wer sich für eine gute Stunde mal ins Phantasiereich der Jungzauberer entführen lassen möchte, erhält mit diesem Hörspiel das ideale Zeitreisevehikel. Das Kino für die Ohren dürfte alle Fans von Harry Schotter ansprechen. Sie erfahren hier allerdings einiges über viel ältere und berühmtere Zauberer als Oberlehrer Snape und Konsorten. Aber der unvermeidliche Showdown zwischen Magiern kommt auch hier vor.

Die Produktion ist stilecht und dürfte Kindern ab zehn Jahren Spaß machen, und über einen Mangel an Handlung kann man hier, im Gegensatz zum Drachenhörspiel, wirklich nicht klagen. Das Booklet spricht ebenfalls mehr Kinder an, beeindruckt aber durch seine schöne Ausstattung. Kurzum: ein ideales Weihnachtsgeschenk – aber nicht mehr für 14-Jährige. Die brauchen anderes Futter für die Phantasie.

1 CD im Booklet, 76 Minuten
Wizardology, 2005, bei Templar Publishing
Aus dem Englischen übersetzt von Cornelia Panzacchi
ISBN-13: 978-3899409949

https://www.penguinrandomhouse.de/Verlag/der-Hoerverlag/70000.rhd

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

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