Robert Louis Stevenson / Marc Gruppe – Dr. Jekyll und Mr. Hyde (Gruselkabinett 10)

Das Monster von Whitechapel – ein Arzt?!

London 1888. Eine Bestie in Menschengestalt, die sich Edward Hyde nennt, verbreitet im Elendsviertel Whitechapel Angst und Schrecken. Niemals hätte der angesehene Anwalt Gabriel J. Utterson daran zu glauben gewagt, dass einer seiner besten Freunde, der Mediziner Dr. Henry Jekyll, in irgendeiner Beziehung zu den von Hyde verübten Untaten steht. Als er einem diesbezüglichen Hinweis nachgeht, kommt er einer tragischen Geschichte auf die Spur …

Der Autor

Robert Louis Stevenson (1850-1894) wurde in Edinburgh/Schottland geboren. Schon seit frühester Kindheit litt er an einer Lungenkrankheit (Tuberkulose). Er studierte Jura, widmete sich aber zunehmend der Schriftstellerei. 1876 heiratete er die Amerikanerin Mrs. Osborne und folgte ihr in ihre Heimat. Durch die beschwerliche Reise verschlechterte sich sein Gesundheitszustand. Seine Erzählung „Die Schatzinsel“ wurde in Schottland begonnen und 1882 in dem Luftkurort Davos abgeschlossen. 1886 folgte „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ mit enormem Erfolg: In nur sechs Monaten wurden 40.000 Exemplare verkauft. Finanziell nun unabhängig, bereiste der Autor die USA und die Südsee. Auf der Insel Opolu baute er sogar ein Haus. Am 3.12.1894 starb er in Apia auf West-Samoa. (Verlagsinfo)


Die Sprecher/Die Inszenierung

Das Hörspiel wurde inszeniert mit dem bekannten Schauspieler Claus Wilcke („Percy Stuart“, „König Julius 111.“, dt. Stimme von Omar Sharif und Alain Delon), Joachim Tennstedt (John Malkovich; Mickey Rourke, James Belushi), Friedrich Schoenfelder (Alec Guinness, David Niven, Vincent Price, Peter Cushing), Hans-Werner Bussinger (Michael Caine, „Q“, Michael Ironside), Torsten Michaelis (Wesley Snipes, Sean Bean), Gisela Fritsch (Susan Sarandon, Dame Judy Dench, ), Herbert Schäfer, Charles Rettinghaus (Jean-Claude van Damme, Robert Downey jr., ), Evelyn Maron (Kim Basinger, Andie MacDowell) und Lucas Mertens.

Claus Wilcke spricht Utterson.

Bereits während seiner Schauspielausbildung spielte Claus Wilcke am Theater am Goetheplatz in Bremen. Es folgten Engagements an die Münchener Kammerspiele, das Renaissance-Theater Berlin, das Deutsche Theater in München u. v. a. Im 70er-Jahre-TV-Straßenfeger „Percy Stuart“ spielte Claus Wilcke mit ungeheurem Erfolg die Titelrolle. Bis heute folgten ca. 600 Auftritte in Fernsehfilmen und -Serien, zuletzt in Episodenhauptrollen in „Balko“ („Rosen pflasterten seinen Weg“) oder an der Seite von Ottfried Fischer in „Pfarrer Braun“ („Bruder Mord“) und in der Rosamunde-Pilcher-Verfilmung „Dem Himmel so nah“.

Aber auch im Synchronstudio ist Claus Wilcke „zu Hause“. Seine Stimme lieh er u. a. Warren Beatty, Elvis Presley, Sal Mineo, George Hamilton, Ron „Vincent“ Perlman (in „Die Schöne und das Biest“), Omar Sharif (in „Lawrence von Arabien“), Alain Delon und Michael Landon (in „Unsere kleine Farm“).

Hans-Werner Bussinger spricht Dr. Hastie Lanyon.

Neben seiner Tätigkeit bei Film, Funk und Fernsehen (u. a. in „Unser Charly“, „Tatort“, „Traumschiff“) führten Hans-Werner Bussinger seit 1962 Engagements an Theater in Hamburg, Frankfurt, Köln, Berlin und Dresden. Neben dem Theater und seiner regelmäßigen Arbeit für das Fernsehen, ist die Synchronisation seit Jahren ein weiterer Schwerpunkt seines schauspielerischen Wirkens. Hans-Werner Bussinger ist die deutsche Stimme von John Forsythe („Blake Carrington“ in „Der Denver Clan“), Lee Majors (in „Ein Colt für alle Fälle“), Jack Klugman (in „Quincy“), Michael Caine, Steve Martin, Tom Selleck, John Lithgow, Nick Nolte, „Q“ (John deLancie) in „Star Trek“ u. v. a.

Gisela Fritsch spricht Emma Nichols, eine Vermieterin und Puffmutter.

Nach der Schauspielausbildung an der Fritz-Kirchhoff Schule in Berlin folgten für Gisela Fritsch Theaterengagements in Berlin, Kassel und Hannover, sowie diverse Auftritte in Kino- und TV-Filmen. U. a. „König Drosselbart“ oder „Acht Mädels im Boot“.

Einen besonderen Schwerpunkt ihrer schauspielerischen Tätigkeit bildet die Arbeit im Synchronatelier. Gisela Fritsch lieh u. a. folgenden Kollegen ihre Stimme: Linda Evans (als „Krystle Carrington“ in „Der Denver Clan“), Karen Black (in Hitchcocks „Familiengrab“), Susan Sarandon (in „Lorenzos Öl“, „Betty und ihre Schwestern“), Dame Judi Dench („M“ in den James Bond-Filmen) sowie der Mausedame „Bianca“ in Walt Disney’s „Bernhard & Bianca“ und der bösen Königin in Disney’s „Schneewittchen und die sieben Zwerge“. In der Hörspielserie „Benjamin Blümchen“ spricht Gisela Fritsch seit Jahren mit großem Erfolg die Rolle der Reporterin „Karla Kolumna“.

Charles Rettinghaus spricht Inspektor Newcomen von Scotland Yard.

Alle Synchron-Rollen zu nennen, die Charles Rettinghaus in seiner Synchronkarriere gesprochen hat, würde den Rahmen dieser Seite bei weitem sprengen. Folgende Kollegen profitierten von Charles Rettinghaus’ charakteristischen stimmlichen Mitteln: Jean-Claude van Damme (in „Universal Soldier“), Robert Downey Jr. (in „Wonderboys“), Matt Dillon (in „Verrückt nach Mary”), Matt Le Blanc (in „3 Engel für Charlie“), Vin Diesel, Joaquin Phoenix, Levar Burton (als „Geordi LaForge“ in „Star Trek“), Peter Krause (als „Nate Fisher“ in „Six feet under“), Gary Dourdan (als „Warrick Brown“ in „CSI – Den Tätern auf der Spur“).

Evelyn Maron spricht die Prostituierte Emily.

Nur wenige Synchronschauspielerinnen erreichen eine derartige Intensität vor dem Mikrophon wie Evelyn Maron. Psychologisch vielschichtige Charaktere zählen dabei zu ihren liebsten Herausforderungen, wenn sie Kolleginnen ihre wandlungsfähige Stimme leiht, u. a. profitierten folgende Schauspielerinnen von Evelyn Marons Stimme: Kim Basinger (in „9 ½ Wochen“, „Blind Date“), Ornella Muti (im TV-Mehrteiler „Der Graf von Monte Christo“), Andie MacDowell (in „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“), Meryl Streep (in „Grüße aus Hollywood“), Barbara Hershey (in „Die letzte Versuchung Christi“), Geneviève Bujold (u. a. in „Die Unzertrennlichen“).

Weitere Sprecher:

Joachim Tennstedt (dt. Stimme von Malkovich): Dr. Jekyll / Mr. Hyde
Friedrich Schoenfelder (dt. Stimme von Alec Guiness): Jekylls Butler Poole
Torsten Michaelis (dt. Stimme von Wesley Snipes): Richard Enfield
Herbert Schäfer: Mr. Guest, Uttersons Sekretär

Handlung

Im PROLOG hören wir einen Mann aus einer Kneipe kommen und in den Regen von London treten. Eine Prostituierte fragt ihn, ob er nicht Lust hätte. Doch er bedroht Emily mit einem Messer und verrät sogar seinen Namen: Edward Hyde. Er will sie aber nicht töten, sondern bloß „seinen Spaß mit ihr haben“ …

Haupthandlung

Der Anwalt Gabriel J. Utterson, unser Gewährsmann vor Ort, berichtet von den merkwürdigen Ereignissen, die sich um seinen langjährigen Freund, den Arzt Dr. Henry Jekyll, einem Mitglied der Königlichen Akademie, zugetragen haben. Alles beginnt damit, dass Jekyll ihm eines Tages ein seltsames Testament zur Vollstreckung übergibt. Als Alleinerbe wird darin ein Mr. Edward Hyde eingesetzt, von dem Utterson noch nie gehört hat. Jekyll sagt, das sei ein Freund und er habe seinen letzten Willen aufgesetzt, um für den Fall, dass seine gefährlichen medizinischen Experimente ihn töten, vorgesorgt zu haben. Utterson ist geradezu erschüttert, beugt sich aber dem Wunsch seines Freundes.

Sein Cousin Richard Enfield ist erstaunt über Jekylls schlechtes Aussehen, doch Enfield sieht nicht viel besser aus. Am Abend zuvor hat er eine Auseinandersetzung mit einem gewissen Mr. Hyde gehabt. Dieser hatte ein kleines Mädchen angerempelt und obendrein auch noch in die Rippen getreten. Ist es zu fassen! Enfield und die Nachbarn forderten von Hyde 100 Pfund Entschädigung, die ihnen dieser in Form eines Schecks auch aushändigte. Dieser war zu ihrem Erstaunen sogar gedeckt – Jekyll hatte ihn ausgestellt. Uttersons Besorgnis steigt um einige Grade.

Er besucht Dr. Hastie Lanyon, der Jekyll ebenfalls schon lange kennt, aber dessen Experimente heftig kritisiert. Auch er kennt Hyde nicht. Zusammen beobachten Utterson und Enfield den Seiteneingang von Jekylls Laboratorium. Sie überraschen den flüchtigen Zeitgenossen Hyde und stellen ihn zur Rede. Utterson erkennt keinerlei Ähnlichkeit mit Jekyll, was ihn beruhigt, fühlt sich aber sofort beleidigt, als ihn der ungehobelte Kerl der Heuchelei und bürgerlichen Doppelmoral zeiht. Er selbst wohne in Whitechapel. Utterson wird übel: Hyde lebt im Hurenviertel, wo Mord und Totschlag an der Tagesordnung sind, und besucht den ehrenwerten Dr. Jekyll!

Sobald Hyde weg ist, äußert Enfield seine Vermutung, dass Hyde Dr. Jekyll erpresst. Utterson geht noch weiter: Er hält Hyde für fähig, Jekyll zu ermorden, sobald er den Inhalt des Testaments erfährt, das ihn zum Alleinerben macht. Doch Jekyll beruhigt seinen Freund und versichert, von Hyde drohe ihm keine Gefahr.

Dass dies ein Trugschluss sein könnte, beweist Hyde noch am gleichen Abend. Er prügelt Enfield mit seinem Stock derart heftig, dass der Stock zerbricht. Utterson erkennt den Griff: Dieses Unikat hat er selbst Dr. Jekyll geschenkt. Enfield stirbt an seinen schweren Verletzungen Zusammen mit der Polizei suchen sie den zugehörigen Rest des Stockes und finden ihn in einer schäbigen Wohnung in Whitechapel. Vom Mörder aber fehlt jede Spur. Ob Dr. Jekyll jetzt gewillt ist, mehr über dieses Monster in Menschengestalt zu sagen?

Noch weitere Menschen müssen sterben, bevor Utterson bereit ist, der grauenhaften Wahrheit ins Auge zu blicken …

_Mein Eindruck_

Als ich Edinburgh besuchte, erfuhr ich die bemerkenswerte Geschichte eines gewissen Deacon Brodie, der 1788 gehängt wurde und in einem Theaterstück („Deacon Brodie, or The Double Life“, 1880) weiterlebt. Er war nach außen hin ein Ehrenmann, doch hinterum beging er nächtliche Verbrechen. Auch James Hoggs Buch „Private memoirs and Confessions of a Justified Sinner“ aus dem Jahr 1824 können als Vorlage oder Inspiration zu Stevensons Buch betrachtet werden.

Einige psychologische Theorien, die in den 1880er Jahren in Mode waren, dürften ebenfalls als Einfluss zählen. An einer Stelle in Dr. Lanyons langem Brief nennt Jekyll seine Experimente „Transzendentale Medizin“. Schon Jahre, bevor die geschilderten Ereignis passieren, hat Jekyll begonnen, sein psychologisches Es (Freuds Id), das seine „egoistischen Triebe“ verkörpert, von seinem Ich, das den Forderungen des Über-Ich gehorcht, zu trennen.

Gleichzeitig gerät er in eine Drogenabhängigkeit, die fatale Folgen haben soll. Denn eines Tages kann er die Umwandlung in Hyde nicht mehr willkürlich umkehren, sondern die Verwandlung geschieht spontan. Das bedeutet, er hat das Id nicht mehr unter Kontrolle, sondern das Kräfteverhältnis kehrt sich um. Dadurch ist auch ein rettender Selbstmord nicht mehr durchführbar. Jekyll fürchtet, wie er an Lanyon schreibt, zu verschwinden, bis nur noch Hyde übrig bleibt, das personifizierte Böse.

Seine Bemühungen, die inzwischen ausgegangene Substanz, die die Verwandlung herbeiführt, wiederzubeschaffen, sind fruchtlos. Hydes Ausschweifungen mit Huren, die er zum Schreien bringt, werden immer zügelloser. Die Polizei und Utterson sind ihm auf den Fersen. Jekyll sieht keinen anderen Ausweg mehr als in der Gestalt von Hyde – vor Uttersons Augen also – Gift zu nehmen: Blausäure. Warum diesmal der Selbstmord möglich war, vorher aber nicht, wird nicht erklärt. Hier ist die Story etwas dünn.

Natürlich erinnert die Geschichte vom Wissenssucher, der einen teuflischen Pakt eingeht, an Doktor Faustus und Wildes „Bildnis von Dorian Gray“ (1891). Doch weitere Aspekte sind moderner. Multiple Persönlichkeit, Transformation (z. B. in Affenmenschen wie Tarzan) und Besessenheit sowie Drogenabhängigkeit – das ist alles schön und gut.

Doch Jean Renoir hat sich in seiner Verfilmung „Das Testament des Dr. Cordelier“ (1959) auf den sozialkritischen Aspekt konzentriert – genau wie das Hörspiel. Hyde wirft Utterson und allen „ehrenwerten“ Bürger ihre bürgerliche Doppelmoral vor und behauptet, diese sei lediglich Heuchelei.

Wie das Leben aussieht, wenn man den „egoistischen Trieben“ freien Lauf lässt, dürfte klar sein: Hyde verletzt jede Regel, die das Über-Ich, also die Gesellschaft, für sich aufgestellt hat. Er wird buchstäblich zum Outlaw. Als er dann als Jekyll Hilfe benötigt, ist keine da und er ist verloren.

Die grundlegende Frage ist also, in welchem Maß die Gesellschaft für die Sozialisierung eines ihrer Mitglieder verantwortlich gemacht werden kann oder ob es Kräfte gibt (Freud nennt sie das Id), die von Natur das menschliche Verhalten steuern. Stevenson behauptet, diese Kräfte, wenn freigelassen, seien die Inkarnation des Böses, da sie keine Achtung vor Leben (Enfield wird erschlagen) oder Menschenwürde (Hyde tritt ein Kind) haben.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Ebenso melodramatisch wie die Vorlage ist auch das Hörspiel. Jekyll muss unaussprechliche Qualen erdulden, um sich zu verwandeln – auch in Mr. Hyde, und erst recht, wenn er wieder Jekyll sein will. Joachim Tennstedt kostet diese Melodramatik bis zum Anschlag aus und jagt dem Zuhörer mit seinen qualvollen Schreien, seinem Röcheln und Stammeln durchaus kalte Schauder über den Rücken.

Dieser exzessive Auftritt am Schluss steht in krassem Gegensatz zu seinem höflichen Benehmen bei Utterson: Man hört ihn vornehm Tee schlürfen. Doch das ändert sich, sobald Utterson seine Drogensucht bekannt wird und er, wie Dr. Lanyons Brief berichtet, bei diesem Arzt dringend um „Stoff“ für seine Sucht bettelt. Genau so muss ein Junkie auf Entzug klingen und nicht anders. Dass sein Werdegang im Wahnsinn endet, entspricht den Genrekonventionen: Hyde bzw. Tennstedt schreit, lacht und krächzt in schnell wechselnder Folge, sobald er die Blausäure eingenommen hat.

Der Hörer fragt sich vielleicht, wie es ein und derselbe Sprecher fertig bringen kann, zwei derart unterschiedliche Charaktere wie den vornehmen Jekyll und den bestialischen Hyde zu spielen. Ich habe dafür auch keine Patentantwort parat, aber Hyde lässt sich leicht an seiner rauen Stimme erkennen, die viel besser zu einem Bewohner eines verkommenen Viertels wie Whitechapel passt. Dort hat bekanntlich [Jack the Ripper]http://www.jacktheripper.de 1888 seine zahlreichen Opfer gefunden und gemeuchelt.

|Musik und Geräusche|

Die Geräusche beginnen auch dort in Whitechapel: Regen, eine Kutsche, hallendes Hufgetrappel, eine laute Kneipe, deren Tür sich öffnet – und da ist er auch schon: der fiese Mr. Hyde. Sobald er das Messer zückt und Emily, der Hure, damit droht, klingt ihr Wimmern und Flehen äußerst glaubwürdig.

Diese Hintergrundgeräusche brauchen später nur ansatzweise zitiert zu werden und schon weiß der Hörer, wo die jeweilige Szene spielt. Gleiches gilt für die Räume von Utterson und Lanyon, wo stets ein Feuerchen im Kamin knistert. (Die Zentralheizung war noch nicht erfunden.) Als Hyde/Jekyll in der Agonie die Einrichtung seines Labors zerschlägt, hat der Tonmeister ganz schön zu tun, um dieses Klirren und Splittern einwandfrei klingen zu lassen. Die Szene erinnerte mich sehr an den Renoir-Film. Im Finale grollt der obligate Donner wie am Tag des Jüngsten Gerichts. Es geht doch nichts über ein paar erprobte Effekte.

_Unterm Strich_

„Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ war 1886 eine sehr erfolgreiche Veröffentlichung, die viele Schriftsteller beeinflusst hat und schon bald unzählige Verfilmungen fand. (Es handelt sich übrigens um die zweite Fassung – die erste wollte Stevenson verbrennen.) Motive wie Persönlichkeitsspaltung, Verwandlung, die Doppelmoral der bürgerlichen Klasse, das „Unbehagen in der Kultur“ (Freud), Drogensucht und vieles mehr haben bis heute ihre Faszination nicht verloren. Das erzählerische Geschick Stevensons arbeitet sie in eine bis zum Schluss fesselnde Erzählung ein. Lediglich Jekylls/Hydes Selbstmord wirkt auf mich nicht ganz plausibel und wie viktorianisches Melodrama.

Das Hörspiel ist auf heutige Erwartungen abgestellt. Filmerfolge wie „From Hell“ haben uns die viktorianische Epoche näher gebracht, und es fällt uns nicht schwer, uns im verrufenen Viertel Whitechapel zurechtzufinden. Die Geräusche versetzen uns quasi direkt hinein ins Geschehen. Allerdings geht es bei Stevenson weitaus prüder zu als später in „From Hell“, aber wer genau und mit Einsatz seiner Einbildungskraft zuhört, kann sich die Schreie der Prostituierten, die Hyde (nach Angaben der Vermieterin Nichols) aufs Zimmer nimmt, durchaus lebhaft vorstellen.

Hervorzuheben ist die beeindruckende darstellerische Leistung von Joachim Tennstedt, der unter vollem Körper- und Stimmeinsatz die zwei Rollen von Jekyll und Hyde in Personalunion bewältigte. Claus Wilcke ist zu jeder Zeit ein glaubwürdiger Utterson, und da wir den Fall aus dem Blickwinkel dieses Anwalts betrachten, ist dies eine Rolle von zentraler Bedeutung. Schade, dass die Damen (Fritsch und Maron) keine größeren Rollen haben, aber daran ist nur Stevenson schuld.

Fazit: ein Volltreffer.

Originaltitel: The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde, 1886
75 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3937273167

www.titania-medien.de

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