Stine, Megan & H. William; Lerangis, Peter; Lynds, Gayle (als Stone, G. H.) – Die drei ??? – Top Secret Edition

Alle amerikanischen „Die drei ???“-Bücher wären längst übersetzt, dachten viele. Dass dem nicht so ist, kann man seit April 2011 in der „Top Secret Edition“ lesen. Dort finden sich nämlich drei Titel, welche es in Zeiten des Umbruchs der „Three Investigators“ zu den „Crimebusters“ (Zwischen 1986 – 1991) in ihrem Ursprungsland nicht (mehr) zu uns bzw. in die deutsche Übersetzung schafften. Darunter sogar ein hierzulande recht unbekanntes „Find your Fate“-Konzept (kurz: FYF), bei dem der Leser eine entscheidende Rolle beim Fortgang der Geschichte übernimmt. Ähnlich dem eines Adventures auf dem Computer. Die drei Erstveröffentlichungen kommen wie üblich aus dem Hause |Kosmos| und im schicken, magnetisch verschlossenen Schmuckschuber daher.

_Band 1: |House of Horrors – Haus der Angst|_

„Find your Fate – Finde dein Schicksal“. Diese Mitmachgeschichte aus dem Jahr 1986 bindet den Leser mit in die Story ein. Dabei ist innerhalb des Buches zu springen, wann immer man entweder dazu aufgefordert wird bzw. die Auswahlmöglichkeit angeboten bekommt, dem einen oder dem anderen Handlungsstrang zu folgen. Diese führen aber nicht selten in Sackgassen oder es ist ein Umweg zur endgültigen Lösung dieses ungewohnt ablaufenden Falles. Geschrieben hat ihn das amerikanische Autorenpaar Megan und H. William Stine, die noch vier weitere „Drei ???“-Bücher in ihrer Bibliographie aufweisen könnnen. Darunter mit „Der weinende Sarg“ ein weiterer FYF, welcher allerdings seinerzeit von Übersetzerin Leonore Puschert für den deutschen Markt in einen „normalen“ Fall umgewandelt wurde.

Die Story ist an sich recht simpel gestrickt und mit wenigen Worten wiedergegeben: Der Leser ist nach seltsamen Vorkommnissen in der Geisterbahn „House of Horrors“, sozusagen Auftraggeber der Drei ??? und gleichzeitig Aspirant auf die (imaginäre) Stelle des „Vierten“ Detektivs. Während es die ersten Seiten für das Grundgerüst noch linear vonstattengeht, gibt es alsbald mehr oder weniger fröhlich kreuz und quer durchs Buch. Je nachdem für welche Fährte man sich eben entscheidet, gelangt man entweder einen Schritt weiter oder es droht nicht selten ein unrühmliches Ende. Darunter auch welche, die sehr endgültigen Charakter für das Alter-Ego des Lesers haben. Manche Nebenhandlung bekommt man vielleicht überhaupt nicht mit, sofern man sich immer „richtig“ entscheidet und somit den kürzesten Weg geht – was allerdings ziemlich unmöglich sein dürfte.

|Zwischenresümee No. 1|

Vierter Detektiv gleich fünftes Rad am Wagen? Nervöses Blättern statt entspanntes Lesen? Allen Vorbehalten des in Ehren (teil)ergrauten, rezensierenden Alt-Fans zum Trotz hat dieses FYF-Teil was. Einen schön schwarzen und teilweise – zumindest für ein Jugendbuch – recht morbiden Humor nämlich. Allein aus diesem Grund lohnt es sich nach (hoffentlich) erfolgreichem Abschluss des eigentlich ziemlich kurzen Falles den anderen Möglichkeiten nachzugehen und dabei allerlei Schräges zu entdecken. Und obendrauf einen nicht geringen Schuss Selbstironie, denn ganz so ernst nimmt sich „House of Horrors“ nicht und zieht so einige Serien- wie auch Achtzigerjahre-Klischees ordentlich und gekonnt durch den Kakao. Ein paar kleine Lektoratsfehler trüben das Bild nicht, zudem gibt es ein Wiedersehen mit Gönner & Mentor Afred Hitchcock – Pardon: Albert Hitfield.

_Band 2: |Brainwash – Gefangene Gedanken|_

Es erfolgt der Sprung ins Jahr 1989, zu einer Story von Peter Lerangis. Der hat insgesamt nur zwei Bücher zu den Drei ??? beigesteuert: Eben „Brainwash – Gefangene Gedanken“ und „Gefahr im Verzug“. Dies hier ist der lange verschollene und nie veröffentlichte zwölfte Fall für die „Crimebusters“, wie das Trio Ende der Achtziger in den USA nun plötzlich hieß. Justus, Peter und Bob sind inzwischen siebzehnjährige Teenager mit Führerschein/Auto und gar einer Kampfsportausbildung. Peter bekam Kelly Madigan als Freundin und Bob arbeitet nebenher bei „Rock Plus“, der Musikagentur Sax Sandlers. Allesamt Umstände, die speziell beim vorliegenden Fall eine nicht unwichtige Rolle spielen.

Bei „Gefangene Gedanken“ geht es um das Thema (New Age) Sekten und deren Manipulationen insbesondere von Jugendlichen. Die Drei ??? werden von den Rademachers zur Hilfe gerufen, denn ihr Sohn Ben hat ihnen in letzter Zeit nicht viel Freude bereitet – Nun ist er sogar abgehauen, mitsamt seinen Ersparnissen. Ähnliches trifft wenig später auch auf Slide zu, den Gitarristen einer jungen Newcomer-Rockband, welche Bob gerade für „Rock Plus“ betreut. Es scheint, dass im Ausstieg der beiden ein Zusammenhang besteht – obwohl die Motive sehr unterschiedlich sind. Das Verbindungsglied heißt „SynRea“, eine Vereinigung mit ganz offenkundigem Sektencharakter. Doch die sitzen in der Nähe von New York. Dennoch machen sich die drei Detektive auf, die beiden Ausreißer genau dort aufzustöbern. In der Höhle des Löwen warten allerdings viele Verlockungen – und noch mehr Gefahren.

|Zwischenresümee No. 2|

Ein straffer und taffer Einsatz für die Juniordetektei. Taff deswegen, weil er sehr erstens ein sehr ernstes Thema hat und zweitens, weil er eher actionlastig ausgelegt ist, wobei die Kampfsportausbildung der drei immer wieder betont wird. Das gibt der Geschichte einen sehr amerikanischen Touch und ist ziemlich weit von dem entfernt, was unter deutscher Ägide verfasst wurde und wird. So ganz plausibel ist das Ganze auch nicht, es erscheint vor allem doch sehr weit hergeholt, dass Justus bereits nach wenigen Tagen in die Führungsriege der Sekte aufsteigen kann. Noch dazu ohne vorherige gründliche Überprüfung seiner Person. So unvorsichtig (oder dämlich) können weder der Obermotz noch seine Schergen des engsten Kreises nicht sein. Trotzdem ist der Fall spannend und mitreißend aufgezogen – immerhin gehören die Gegenspieler nicht grade zu den Gänseblümchenpflückern.

_Band 3: |High Strung – Unter Hochspannung|_

Noch einmal drei Jahre weiter. Wir schreiben das Jahr 1991. Der ebenfalls nie veröffentlichte Band 13 der „Crimebusters“ stellte, so verrät das aufschlussreiche Vorwort, Übersetzerin (und ebenfalls ???-Autorin) Astrid Vollenbruch zunächst vor ein etwas größeres Problem. Der Fund des Falles „High Strung“ in einem amerikanischen Verlags-Archiv kam hierzulande nur unvollständig an: Der Schluss der Geschichte fehlte. Glücklicherweise tauchten die letzten, originalen Manuskriptseiten von Autorin Gayle Lynds doch noch rechtzeitig wieder auf, bevor vielleicht ein neues Ende ersonnen werden musste. Von Gayle Lynds stammen außerdem noch die drei Fälle: „Gefährliche Fässer“, „Musikpiraten“ und „Angriff der Computer-Viren“ – allesamt unter ihrem Pseudonym G. H. Stone. Ihr 2005 verstorbener Ehemann Dennis (alias William Arden) brachte es übrigens auf deren dreizehn und war schon zu den frühen Anfangszeiten als erfolgreicher Autor in der Serie vertreten.

„High Strung“ steht voll im Zeichen einer Schnitzeljagd – nicht, dass das bei den Drei ??? wirklich ungewöhnlich wäre, doch diese wird vom lokalen Radiosender KFUN veranstaltet. Auf Rätselhinweise hin müssen die Hörer drei Wochen lang bestimmte Gegenstände sammeln, um am Ende den Hauptpreis von 5000 Dollar und eine olle Gitarre zu ergattern. Die beiden Deejays „Stinky“ Rossiter und „Doktor Ax Me“ sind inzwischen schon so etwas wie Kultfiguren geworden und haben halb Rocky Beach ins Suchfieber versetzt. Auch Justus hegt den Traum vom Sieg (und somit – endlich – vom eigenen Auto). Er hat natürlich alle bisherigen Rätsel aus dem Handgelenk gelöst und die entsprechenden Gegenstände zusammen. Bis er seiner Sammlung beraubt wird. Und das bleibt, wie sich herausstellt, kein Einzelfall. Da gibt sich jemand redlich Mühe den Schnitzeljägern das Leben schwer zu machen und die Jagd nach den noch ausstehenden Trophäen massiv zu behindern. Just wäre nicht Just, wenn ihn das nicht erst recht motivieren würde …

|Zwischenresümee No. 3|

Dieser Fall tendiert schon deutlicher in die Richtung, wie wir die Drei ??? heute kennen. Allerdings bestehen doch einige Unterschiede. Peter fährt hier zum Beispiel keinen roten MG, sondern einen schwarzen Honda Accord und Bob ist ein kleiner Weiberheld, der nun keine Brille mehr trägt. Die beiden versuchen, den übergewichtigen Justus gelegentlich zu verkuppeln. Apropos „Übergewicht“: Es wird behauptet, dass Justus 84 Kilo bei 1,78 cm Körpergröße auf die Waage bringt, das sind grade mal 6 Kilo über dem Normalgewicht. Man dürfte ihm also seine überzähligen Pfunde kaum ansehen – jedenfalls nicht so sehr, um ihn als „Fettsack“ zu titulieren. Überhaupt wird merklich viel mehr Wert auf Äußerlichkeiten sowie auf Actionelemente, inklusive – zumindest in dieser Massierung – unnötigem Kampfsportgefasel, gelegt. Es dürfte eigentlich ziemlich egal sein ob der Gegner nun mit einem Sushi-Rundumschlag oder Shitake-Edelpilzcremetritt zu Boden geschickt wird. Die Geschichte ist an sich jedoch spannend erzählt und keineswegs langweilig.

_Gesamtfazit_

Schön, dass auch diese verschollenen Fälle nach Jahrzehnten der Dunkelheit in irgendeinem Archiv endlich doch das Licht der Öffentlichkeit erblicken durften. Ganz besonders das hierzulande beinahe unbekannte „Find your fate“-Konzept von „House of Horrors“ ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, hat aber was – vor allem einen frech-frischen Ton. Fast schon schade, dass die ursprünglichen FYFs „Das Volk der Winde“ und „Der weinende Sarg“ damals für den deutschen Markt umgemodelt wurden. Doch die kann man sich ja – bei nun gewecktem Interesse – immerhin noch als amerikanische Originale besorgen, so man der englischen Sprache denn mächtig ist und sie noch ergattern kann. Wer weiß? Vielleicht bringt der Verlag ja auch irgendwann mal die alternativen FYF-Fassungen dieser Storys auf Deutsch heraus. Zwei fähige Übersetzerinnen hat man mit Astrid Vollenbruch und Kari Erlhoff ja.

Während „House of Horrors“ mit seinen damals weiterhin 14-jährigen Protagonisten, sozusagen noch das „alteingesessene“ bzw. „-gelesene“ Klientel bedient, sollten „Brainwash“ und „High Strung“ offenbar bereits eine ganz andere Lesergeneration ansprechen, was nachweislich im Falle der kurzen „Crimebusters“-Ära allerdings seinerzeit grandios nach hinten losging. Deren bis dato unveröffentlichte Bände 12 und 13 geben heute noch beredt darüber Auskunft, dass die vermeintlich modernere Ausrichtung der Drei ??? mehr hin zu körperbetontem „Crime“, selbst auf dem amerikanischen Markt nicht geschätzt wurde. Zu oberflächlich und weit weg von ihren bis ins Detail durchdachten Glanzzeiten wirkten die Geschichten der drei Detektive nun. Was für die Serie letztendlich auch dem Todesstoß in den USA bedeutete. Glücklicherweise galt das nicht für Deutschland, wo sie seit 1993 unvermindert weitergeführt wird.

Die in ihrem Schmuckschuber elegant und wertig wirkende „Top Secret Edition“ ist insgesamt betrachtet eine 1a-Zeitkapsel, und in diesem Kontext muss man die durchweg spannenden Titel auch sehen. Hilfreich sind dabei sowohl die Vorworte zu jedem Band, als auch so manch eingeschobene Anmerkung, welche auf interessante Besonderheiten rund um Zeitgeschehen, Mode, Gepflogenheiten, die Serie an sich oder amerikanische Geschichte hinweisen. Da tut man nebenher (wie so oft bei den Drei ???) was für seine Allgemeinbildung, nur dass Dwight D. Eisenhower der VIERTE US-Präsident („High Strung“, Seite 19 – Fußnote) gewesen sein soll, vergessen wir mal ganz schnell wieder: Er war nämlich der 34. Abgesehen von solch kleineren, verstreuten Lektoratsfehlern gibt es aber an der Box nichts Substanzielles zu meckern. Pflichtkauf für Fans.

|3 Hardcover im Schmuck-Case: 390 Seiten
Nach Figuren von Robert Arthur
Übersetzung: Astrid Vollenbruch und Kari Erlhoff
ISBN: 978-3-440-12493-2|
[www.kosmos.de]http://www.kosmos.de

Über 80 weitere Rezensionen zu den |Drei ???| gibts in unserer [Datenbank]http://buchwurm.info/book zu entdecken.

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