Stöcklein, Verena / Plischke, Thomas – Terra Incognita: Der Schwur des Sommerkönigs 2

Terra Incognita setzt die Geschichte der Invasion der britannischen Inseln durch die angelitische Kirche im Jahr 2656 fort und ist der abschließende Roman der Duologie „Der Schwur des Sommerkönigs“, die mit [Terra Nova 1533 vielversprechend begann.

Die Autoren Thomas Plischke und Verena Stöcklein schufen im ersten Band eine sehr intensive Atmosphäre, die von der Faszination des |Engel|-Rollenspieluniversums von |Feder & Schwert| genährt wurde. Der Krieg der gottesgläubigen Angeliten gegen die |Traumsaat| genannten Dämonen des Teufels, schön |Herr der Fliegen| genannt, und die Britonen, deren Glaube an heidnische Götzen der keltischen Sagenwelt Grund für den Kreuzzug des Riesenschiffes |Terra Nova| mitsamt seinen Templer- und Engelsscharen war, bietet eine willkommene Abwechslung zu an |AD&D| angelehnten Fantasyszenarien mit Elfen, Zwergen und Orks.

Die Handlung wird aus der Sicht zweier Gruppen erzählt, zum einen der kleinen Engelsschar um ihren Anführer Lumael, einem Michaeliten, und aus der Joels, einem Sarieliten, der zusammen mit dem Sterblichen George als Geheimagent im Dienste des Herrn in Britannien spioniert. Im ersten Band wurden die Unterschiede zwischen Angeliten und Britonen herausgearbeitet, wobei man sich bei Historie und Mythologie freizügig bediente. So werden die Engel in Roma Aeterna ausgebildet, kämpfen im Himmel über Nürnberg gegen die Dämonen der Hölle, während die Britonen dem Sommerkönig huldigen und altkeltische Rituale praktizieren, aber im Gegensatz zu den Angeliten moderner Technologie gegenüber aufgeschlossen sind und sie auch einsetzen: Sie können für den kranken George Insulin herstellen und besitzen Feuerwaffen, während die Angeliten in den seltensten Fällen lesen und schreiben können. Dafür haben sie die Engelsscharen des Herren; die Gabrieliten oder Todesengel mit ihren Flammenschwertern machen in |Terra Incognita| ihrem Namen alle Ehre. Die Landschaft Europas ist ebenso faszinierend verfremdet worden: Der Meeresspiegel hat sich gehoben und so entstanden die hier wörtlich zu nehmenden britannischen Inseln, andere Teile Britanniens versanken. London ist im |Engel|-Universum eine Insel, ebenso wie Dover. Die im Umschlag befindliche Karte zeigt das sehr schön, allerdings sollte man sich nicht daran stören, dass das höher gelegene Oxford eine Küstenstadt ist und London dennoch nicht versunken ist.

Der Rollenspielcharakter der Engelsschar wird weniger betont als im ersten Teil, allerdings ist dies nicht als Fortschritt zu sehen. An Stelle der Anführer-, Krieger-, Heiler- und Bogenschütze-Rollenbilder treten jetzt interne Konflikte mit dem neuen Mitglied der Schar, dem Todesengel Doriel. Diese sind zwar gut geschildert, schaffen aber nicht dieselbe Atmosphäre wie die Vorstellung des faszinierenden |Engel|-Universums im ersten Band. Joel und George brechen unverständlicherweise die Verfolgung des Sommerkönigs ab und schließen sich stattdessen Widerstandskämpfern um Robin von Locksley (bekannter als Robin Hood) an. Diese Passage ist jedoch recht kurz und es zeigt sich eine fatale Schwäche des abschließenden Bandes: Ein Buch mit vielen interessanten und für Rollenspieler sicher inspirierenden Versatzstücken, aber kein Roman mit einer geschlossenen Handlung.

Das ist sehr schade, denn an Atmosphäre, Ideen und Charakteren mit Potenzial mangelte es nicht. Das Autorenduo hätte sicher noch viel mehr schreiben können, aber dieser Band ist der letzte der Reihe, und er hinterlässt so einen schalen Nachgeschmack. Das Ende ist überhastet, es werden neue Figuren kurz vor Schluss eingeführt; ich gewann den Eindruck, es folge noch ein dritter Band. Stattdessen wird der gelungen mystisch und geheimnisvoll aufgebaute Sommerkönig lieblos abserviert, geradezu ein Hohn angesichts des Cliffhangers des ersten Bandes, der hier ein großes Geheimnis versprach. Mir kam es vor, als ob man einfach nicht den Platz hatte, die Geschichte des Sommerkönigs zu Ende zu erzählen.

|Terra Incognita| kann nicht wie sein Vorgänger auf den Bonus des Neuen, des atmosphärischen Engel-Universums setzen, sondern muss eine Geschichte in dem faszinierend eingeführten Szenario erzählen, um bestehen zu können, tut dies aber nicht. Das überhastete Ende lässt einige leckere Brocken zurück, die der Rollenspielfreund als Häppchen schlucken kann, eine abgerundete Geschichte erhält er jedoch nicht.

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