Stromiedel, Markus – Feuertaufe

Biometrische Reisepässe, Vorratsdatenspeicherung, der gläserne Kunde – einige Begriffe, die durch die Medienlandschaft geistern, lassen den Eindruck entstehen, dass sich unser Zusammenleben immer weiter vom demokratischen Grundgedanken entfernt. Der Autor Markus Stromiedel spinnt diesen Gedanken in seinem Polit-Thriller „Feuertaufe“ einen Schritt weiter.

In Berlin gibt es einen Brandanschlag auf ein Haus mit ausschließlich ausländischen Einwohnern. Nur ein neunjähriger Junge überlebt, doch er ist verstummt und keine große Hilfe bei der Suche nach den Tätern, die in der rechten Szene vermutet werden.

Kommissar Paul Selig wird dazu abberufen, den Fall zu leiten – jedenfalls in der Öffentlichkeit. Tatsächlich möchte man ihn nur als vertrauenswürdige Publikumsfigur, während andere im Hintergrund die Ermittlungen durchführen. Das lässt Selig selbstverständlich nicht auf sich sitzen und beginnt mit seinem Team zu recherchieren. Schnell findet er unerwartet eine erste Spur. Ein Mann mit einer auffälligen Tätowierung an der Hand wollte sich mit ihm anonym treffen, um ihm Informationen zu kommen zu lassen. Als das Treffen misslingt, versucht Selig zu recherchieren, wer der Mann war. Zuerst scheint es, als ob er Erfolg habe, doch dann verschwinden nicht nur die Spuren wie von Geisterhand – Melderegistereinträge werden gelöscht, Wohnungen geleert -, sondern auch unliebsame Zeugen werden eliminiert. Als Selig dem Jungen, der den Anschlag überlebt hat, die Tätowierung zufällig zeigt, bekommt dieser einen Anfall. Anscheinend gibt es einen Zusammenhang zwischen dem mysteriösen Unbekannten und dem Anschlag.

Selig und sein Team ermitteln weiter. Sie müssen sich dafür immer tiefer mit Formationen in der Bundesrepublik auseinandersetzen, die dem Staat nicht wohlgesonnen sind – sowohl von rechts als auch von links. Das ist nicht ungefährlich, doch Selig hat noch einen weiteren Feind, von dem er nichts ahnt. Er wird aus den eigenen Reihen sabotiert …

Markus Stromiedel hat nicht nur als Journalist gearbeitet, sondern schreibt auch Drehbücher. Beides merkt man seinem Roman an. Die Handlung ist, genau wie ein guter Film, sauber konstruiert und unglaublich spannend. Diverse Erzählperspektiven sorgen dafür, dass man die Situation aus allen Blickwinkeln betrachten kann. Das ist sinnvoll, da sehr viele Intrigen und Verwicklungen in der Geschichte vor kommen, doch Stromiedel schafft es, den Leser sicher durch die komplexe Handlung zu führen. Die vielen losen Enden laden dazu ein, selbst auf Tätersuche zu gehen, doch ähnlich wie Selig steht man vor einem Rätsel. Erst gegen Ende löst sich alles allmählich auf. Neben der Spannung vergisst Stromiedel das Zwischenmenschliche nicht. Die zerbrochene Liebe zwischen zwei Mitarbeitern Seligs, die Beziehung zwischen dem Kommissar und seinem Sohn – sie werden sauber ausgearbeitet und bringen Leben in die Geschichte, ohne diese ausufern zu lassen.

Seligs Ermittlungen sind ähnlich wie der Kommissar selbst. Nicht immer zielgerichtet, aber letztendlich führen sie zu einem Ergebnis. Paul Selig ist also kein Superheld, sondern ein ruhiger, fast schon etwas melancholischer Charakter, der streckenweise an gewisse skandinavische Polizisten erinnert. Er ist allerdings nicht ganz so schwermütig. Sein Privatleben spielt zwar immer wieder eine Rolle, auch in Form der Ereignisse, die im ersten Band der Reihe passiert sind, doch es nimmt nie überhand. Oder besser gesagt: Es spielt eine bedeutende Rolle für die Handlung und stört deshalb nicht.

Die übrigen Charaktere – und von denen gibt es viele! – sind ebenfalls gut ausgearbeitet. Der Autor bündelt diese Vielzahl an Personen, Eindrücken und Schauplätzen mit Hilfe des sauberen Schreibstils. Dabei geht er durchaus detailliert vor. Man kann sich alles sehr gut vorstellen. Doch das liegt nicht etwa an seitenlangen Beschreibungen, sondern daran, dass Stromiedel ein ungewöhnlich gutes Händchen dafür hat, mit wenigen, passenden Begriffen etwas zu beschreiben. Seine Korrektheit wirkt zuerst etwas befremdlich, aber schnell wird klar, dass eine so komplexe Geschichte anders gar nicht geschrieben werden sollte.

„Feuertaufe“ ist packend, fesselnd und gleichzeitig lebendig. Gerade letzteres ist nicht unbedingt das, was man von einem Polit-Thriller erwartet, aber der Markus Stromiedel bringt sehr viel Menschliches in die dramatische Handlung ein. Dadurch entsteht ein wirklich großartiges Buch, das zudem sehr gut geschrieben ist.

|491 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-426-50114-6|
http://www.knaur.de

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