Tedman, Ray (Hg.) – A Tribute to Led Zeppelin – Fotografien

_Neuer Led-Zep-Fotoband: Geldmacherei oder Perle?_

Nach dem Mega-Erfolg der fabelhaft gelungenen Live-DVD aus dem Jahr 2003 hat sich um die Hard-Rock- und Heavy-Metal-Band |Led Zeppelin| geradezu eine Medien-Industrie entwickelt, und das zusätzlich zu der bereits vorhandenen Literatur von Fans, Journalisten, „Managern“ und Musikologen. Angesichts der Flut von Veröffentlichungen muss der Musikinteressierte die Rip-offs von den Perlen unterscheiden lernen. Ob „A Tribute to Led Zeppelin“ die Geschichte der Band in Fotos von 1968 bis heute, eine Perle ist, die man sich für knapp 30 Euronen zulegen sollte, muss sich erst noch zeigen.

Hinweis: Diese Rezension liefert nicht die Geschichte dieser Band, sondern setzt sie als bekannt voraus. Wer alles über |Led Zeppelin| sucht, stößt im Internet auf reiche Jagdgründe. Es gibt kaum noch etwas, was über LZ nicht bekannt wäre. Auf |Buchwurm.info| erfährt man mehr über die Band in den folgenden Rezensionen:

[„Led Zeppelin – Talking“ 434
[„Whole lotta Led – Unsere Reise mit Led Zeppelin“ 2855

_Der Herausgeber_

Ray Tedman ist der Herausgeber dieses Bildbandes. Das bedeutet, dass er nicht für sich in Anspruch nimmt, hochgeistige Beiträge abzuliefern und tiefschürfende Untersuchungsergebnisse zum Besten zu geben. Obwohl er es nicht sagt, bestand seine Aufgabe darin, einfach nur die Begleittexte zu den Fotos schreiben.

Die Begleittexte immerhin basieren auf gesicherten Informationen vom zuverlässigsten Bandbegleiter namens Dave Lewis. Was Tedman also über die Laufbahn der Band und ihrer Mitglieder schreibt, ist also nah an der Wahrheit, wenn auch bei weitem nicht die ganze Wahrheit. Für den Rest gibt es andere Bücher.

Hauptsache also, die Fotos sind gut. Diese stammen von Rex Features, einer „unabhängigen britischen Presseagentur für Fotografie“ (www.rexfeatures.com). Sie beliefert seit 1954 über 30 Ländern mit Fotomaterial zu Medienereignissen. Ihr Bildarchiv ist dementsprechend umfassend, insbesondere zu allen Exponenten der Rockmusik.

Der Zeitraum, der von den in diesem Band präsentierten Fotos abgedeckt wird, reicht von 1964 bis November 2006, also 42 Jahre.

Die BAND |Led Zeppelin| (1968-1980):

Jimmy Page: Gitarren
Robert Plant: Gesang, Mundharmonika
John Bonham: Drums, Percussion
John Paul Jones: Keyboards, Bass

Im Dezember 2007 traten |Led Zeppelin| mit Jason Bonham, John Bonhams Sohn, als Drummer in London auf. Die Tickets kosteten hunderte von britischen Pfund, und nur 20.000 Glückliche konnten bei diesem Wohltätigkeitskonzert live dabei sein. Das spricht Bände für die anhaltende Attraktivität dieser Gruppe.

_Inhalte_

|A) Der Text|

Ray Tedmans Begleittexte zeichnen in zwölf Kapiteln die gesamte Geschichte |Led Zeppelins| nach, von der kuriosen Entstehung als |The New Yardbirds| (Herbst 1968) bis zu ihrem jähen Ende 1980, das durch den Tod des Drummers John Bonham herbeigeführt wurde. In einem Zusatzkapitel erfahren dann noch mehr über die Wege, welche die übrigen Mitglieder der Band gingen.

|B) Die Fotografien|

Die ca. 130 Farb- und Schwarzweißaufnahmen zeigen die „beste Rock-and-Roll-Band der Welt“, so das Fan-Credo, bevorzugt bei ihren Live-Auftritten, aber auch im Studio und backstage. Die meisten Fotos widmen sich den zahllosen Live-Auftritten, allerdings ohne dass jedes Fotos datiert wäre (immer eine Fitzelarbeit). Eine fast ebenso große Zahl von Aufnahmen zeigt die einzelnen Bandmitglieder bei ihren Offstage-Auftritten, so etwa im Los-Angeles-Hotel Chateau Marmont (wo sie kein Hausverbot bekamen) oder in ihren diversen Büros und Wohnungen.

Recht interessant ist die letzte Sektion der Aufnahmen im Kapitel „Nachwehen“. Hier finden sich die Aufnahmen neuesten Datums, die bis in den November 2006 reichen. Am 14. 12. 2005 erhielt Jimmy Page von der Queen einen MBE-Orden für seine Arbeit mit brasilianischen Straßenkindern, und 2006 wurde er in die |UK Hall of Fame| aufgenommen. Die Band selbst ist schon längst in die |US Rock ’n‘ Roll Hall of Fame| aufgenommen worden, aber so wie die britische Presse die Band in den 70ern ignorierte oder niedermachte, wundert es nicht, dass Page diese Ehrung erst so spät zuteil wurde.

Die Qualität der Fotos ist nicht durchweg optimal. Das ist angesichts der Entstehungsumstände durchaus verständlich. Eine Konzertbühne ist schließlich kein Studio. Da können die Aufnahmen schon mal grobkörnig sein. Mitunter werden sogar Abzüge einfach nebeneinander geklebt – wohl um die filmreife Dynamik eines Robert-Plant-Auftrittes zu simulieren.

_Mein Eindruck_

Der Herausgeber Ray Tedman bemüht sich um einen sachlichen Tonfall, der auf nachweisbaren Fakten basiert. Doch um unterhaltsam zu sein, muss er auch ein wenig Lobhudelei betreiben. Schließlich soll sein Buch die Fans ansprechen. Und wenn er über den Tod von John Henry Bonham schreibt, weiß er den Fan durchaus zu Tränen zu rühren. Tragische Vorfälle gibt es bei LZ genügend, so etwa den Tod von Robert Plants Sohn Carac und den Beinahetod Plants und seiner Frau auf einer griechischen Insel.

Aber es gibt auch eine humorvolle Seite, die leicht ins Bizarre umzuschlagen droht. Immer wieder muten dem heutigen Leser die Exzesse der Bandmitglieder wie Märchen aus einer anderen Welt an. Und das kann nicht bloß daran liegen, dass die Rocker in den Spätsechzigern und Siebziger ständig zugedröhnt gewesen sein müssen. Wenn also Humor auftaucht, so oft in Verbindung mit Bizarrerie, Groteske, ja, sogar brachialer Gewalt. Humor war schon damals eine Geschmacksfrage. Und was die Kolportageberichte der Herren Cole und Davis („Hammer of the Gods“) daraus machten, kann man sich leicht ausmalen.

Dankenswerterweise enthält sich der Herausgeber aller Kolportage, auch wenn er im Anhang ausdrücklich „Hammer of the Gods“ als Quelle erwähnt – nicht gerade ein Pluspunkt. Meist stützt sich Tedman auf die von Dave Lewis gesicherten Fakten. Darauf weisen zumindest die Danksagungen im Anhang hin. Die Begleittexte bestätigen diesen positiven Eindruck.

Tedman beschreitet einen schmalen Grat zwischen Begeisterung für das musikalische Phänomen der Band und der Kritik an dem soziokulturellen Phänomen des Kultes und des Big Business. Die Sachlichkeit kann aber auch stellenweise in Faktenhuberei umschlagen. Dann wird aus der Geschichte der Band lediglich eine Chronologie der Auftritte. Diese Entwicklung ist wohl angesichts des knapp bemessenen Platzes – nur je eine Seite pro Kapitel – verständlich.

|Die Fotografien|

Wenn 130 von 160 Seiten eines Buches auf Fotografien entfallen, dann ist klar, dass es sich um einen Bildband handelt. Diese Fotografien wussten mich wirklich zu begeistern. Bemerkenswert ist, dass es sich dabei zum größten Teil um Aufnahmen der Live-Auftritte aus LZs bester Zeit zwischen 1970 und 1975 handelt.

Immer wieder ist Jimmy Page als Gitarrengott zu sehen und Sänger Plant als narzisstischer Frontman (der überhaupt kein Narziss war – es ist alles nur Show). Angesichts dieses dynamischen Duos rücken der Keyboarder/Bassist Jones und der Drummer Bonham etwas in den Hintergrund. Das haben sie nicht verdient.

Immerhin lässt sich anhand der Bilder eine organische Entwicklung der Band und ihrer Mitglieder ablesen. Dadurch wird der Bildband zu einem Dokument jener Zeit, die uns heute schon wieder fremd – oder doch zumindest heroisch verklärt – anmutet. Der Dokumentationscharakter zeigt sich am stärksten im letzten Kapitel, in dem der weitere Werdegang der Bandmitglieder gezeigt wird.

Hier sehen Plant & Page auf der Bühne ebenfalls gut aus. Und sie sind es auch, die backstage am meisten auftauchen (was Mister Bonham, zugegeben, ziemlich schwerfallen würde). Wer’s noch nicht wusste: Herr Plant verfolgt seit fast 30 Jahren eine ziemlich erfolgreiche Solokarriere, und bezüglich seiner jüngsten Kooperation mit der Country-&-Western-Sängerin Alison Krauss überschlagen sich auch die Kritiker wieder vor Lob.

Wenn man sich die frühen Fotos der Band mal genauer anschaut, dann fällt schnell auf, dass es Plant ist, der quasi eine Aversion gegen die Kamera an den Tag legt. |Led Zep| wurden so oft von der Presse geschmäht und verleumdet (oder einfach nur naiv mit den |Beatles| verglichen, siehe oben erwähnte DVD), dass sich die Mitglieder fast nie gegenüber Journalisten äußerten, dafür aber umso bereitwilliger gegenüber ihren Fans. (Weshalb ihre Live-Aufnahmen wesentlich schöner sind als alle Studioaufnahmen.)

Wenn also Plant misstrauisch in die Kameralinse schaut oder sie gleich gänzlich ignoriert (im Chateau Marmont), so belegt dies nur seinen Widerwillen gegenüber einer Presse, die ihn und seine Mitstreiter überwiegend schlecht behandelte. Die Band schlug zum Beispiel mit unbetitelten Alben wie Nr. 4 zurück. Das belegte in den Augen der brüskierten Presse nur die arrogante Herablassung von sogenannten „Rockgiganten“ usw. usf. ad infinitum. Dass Nr. 4 das Rock-Album mit der vierthöchsten Auflage aller Zeiten ist (laut Nigel Williamson), dürfte die Presse nicht versöhnlicher gestimmt haben.

_Unterm Strich_

Es gibt einen Maßstab für Bildbände über |Led Zeppelin|. Das ist immer noch „Led Zeppelin: Heaven and Hell. An illustrated history by Charles Cross, Erik Flanagan with photographs by Neal Preston“. Hinsichtlich der Auswahl der Fotografien, deren Bandbreite und Qualität braucht sich Tedman/RexFeatures‘ Bildband keineswegs dahinter zu verstecken. Natürlich ist das Fotomaterial ein völlig anderes. Wo Neal Preston die US-Auftritte der Band in überreichem Maße ablichtete, spielen die USA bei Tedman nur eine Nebenrolle, und Auftritte in England stehen verhältnismäßig im Mittelpunkt.

Textmäßig könnte der Unterschied nicht größer sein. Cross & Flanagan erzählen sämtliche notorischen Anekdoten und decken zahllose Mythen, Lügen und Legenden auf, die sich um die Band ranken. Dabei liefern sie im Anhang aber auch detaillierte Konzert- und Tourinfos. Dazu gibt kaum etwas Besseres, höchstens von Dave Lewis. Einziges Manko: So etwas wie kritische Distanz zur Band fällt den Autoren etwas schwer.

Im Hinblick auf kritische Distanz hebt sich Tedman von seinen amerikanischen Vorgängern wohltuend ab. Er stützt sich auf gesicherte Fakten und Zitate, die er mit Dave Lewis auf Glaubwürdigkeit abklopfte. Natürlich fehlen dann so saftige Anekdoten wie die Hai-Episode vom Mai 1969 in Seattle (nach anderen Versionen handelte es sich um einen Tintenfisch). Stellenweise verliert er sich in Tourdaten, aber die meiste Zeit konzentriert er sich auf den verhängnisvollen Werdegang der Götter des Rockpantheons, die 1980 eine historische Bruchlandung hinlegten. Nur um dann 25 Jahre später größer als je zuvor wieder in den Medien herumzugeistern.

Rip-off oder Perle – das ist hier die Frage. Wer einen Bildband mit dokumentarischem Charakter sucht, wird mit diesem qualitätsvoll gestalteten und fehlerlos übersetzten Buch optimal bedient – eine Perle also. Wer mehr über die Band an sich erfahren möchte, findet sicherlich andere Werke, die seine Wünsche besser und umfangreicher befriedigen können. Ganz sicher aber ist dieses Buch keine Geldmacherei, sondern bietet reellen Gegenwert.

|Originaltitel: A Tribute to Led Zeppelin, 2008
160 Seiten
Aus dem US-Englischen von Madeleine Lampe
ISBN 978-3-89602-822-8|
http://www.schwarzkopf-schwarzkopf.de