Reiche Familien mit düsteren Geheimnissen sind beileibe keine Seltenheit in der Literatur. „Kein Zeichen von Gewalt“ von Jorun Thørring ist ein weiterer Roman, der diese Konstellation aufgreift. In ihm hat Orla Os, die norwegische Sonderermittlerin bei der Pariser Polizei, ihren zweiten Auftritt.
Adam Fabre, Besitzer einer Modelagentur und Ehemann der Tochter der angesehenen Pariser Familie Tesson, verschwindet eines Tages spurlos. Anfangs glauben Orla und ihre Kollegen noch, dass er mit einer seiner Geliebten abgehauen ist, doch wenig später finden sie seinen Wagen auf einem verlassenen Parkplatz. Von Fabre finden sie zwar immer noch nichts, dafür liegt eine ermordete junge Frau auf dem Rücksitz. Sie zeigt keine Anzeichen von Gewalteinwirkung, ihre Identität scheint niemand zu kennen.
Als Orla und ihre Kollegen Fabres Familienleben und Umfeld ausleuchten, kommen einige unschöne Geheimnisse ans Tageslicht. Die Modelagentur scheint keineswegs eine Modelagentur zu sein, Fabres Sekretärin benimmt sich wie eine High Society-Lady, obwohl sie bettelarm ist, und die Vergangenheit von Fabres Schwägerin Juliette ist auch nicht ganz sauber. Hinzu kommt seine Ehefrau, eine kalte und abweisende Person, und sein Vater, der sofort einen Anwalt einschaltet und sich reichlich zugeknöpft zeigt.
Wenig später findet man Adams Leiche im Hause seines Geschäftspartners Georges Lambert. Lambert ist hingegen verschwunden. Adam und das fremde Mädchen sollen nicht die einzigen Toten bleiben …
Nicht nur das Familienmotiv in „Kein Zeichen von Gewalt“ ist schon häufig benutzt worden. Auch der Aufbau der Geschichte erinnert an viele andere Bücher. Zeitgleich finden zwei Handlungsstränge statt. Der gegenwärtige in Paris und einer, der in den 60er Jahren in Algerien beginnt und mit dem gegenwärtigen Erzählstrang nach und nach zusammen fließt. Dieses Gegeneinanderlaufen verschiedener Zeiten und die Verwurzlung eines gegenwärtigen Mordfalls in der Vergangenheit ist nichts Neues. Thørring weiß zwar sicher mit diesem Aufbau umzugehen, aber richtig spannend ist die Geschichte trotzdem nicht. Obwohl die norwegische Autorin eine Vielzahl an Verdächtigen mit dubiosem Hintergrund einführt, fehlt es an überraschenden Wendungen. Die Dichte und Intensität an möglichen Mördern macht allerdings einiges wieder wett.
Orla Os ist, wie der Name schon sagt, ursprünglich Norwegerin, lebt aber schon seit geraumer Zeit in Paris. Sie hat dort studiert und geheiratet, ist aber mittlerweile Witwe. Dieses Zusammentreffen zweier Nationalitäten gibt dem Buch einen interessanten Anstrich. Thørring lässt häufig norwegische Kultur einfließen, übertreibt es damit jedoch nicht. Ihre Hauptfigur bleibt trotzdem etwas blass. Im Vordergrund steht die Kriminalgeschichte, nicht die Ermittlerin. Da die Handlung aber gut aufbereitet ist, schmerzt dies nicht sehr stark.
Was allerdings ein bisschen schade ist, ist die Darstellung der Familien Fabre und Tesson. Sie ist doch etwas plump. Die Geheimnisse, die dem Leser als solche verkauft werden, sind in dieser Form schon häufiger vorgekommen. Die Familienmitglieder selbst sind zwar gut ausgearbeitet, aber wenig originell. Dies vermindert die Spannung und führt dazu, dass „Kein Zeichen von Gewalt“, auch dank des einfachen, sachlichen Schreibstils, gut zu lesen ist, aber nicht wirklich im Gedächtnis bleibt.
An dem zweite Buch mit der Ermittlerin Orla Os gibt es handwerklich nichts auszusetzen. Es ist gut geschrieben, die Handlung ist zwar nicht immer spannend, aber gut gemacht und auch Orla ist recht sympathisch. Allerdings fehlt es dem Buch auf weiten Strecken an Originalität.
|Originaltitel: Tarantellen
Aus dem Norwegischen von Sigrid Engeler
378 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3423211666|
http://www.dtv.de