Thomas, Alex – Lux Domini

Ohne Verrat keine Kreuzigung – Ohne Kreuzigung keine Auferstehung – Ohne Auferstehung keine Erlösung.

Es gibt unzählige Quellen und Schriften, die die Grundlage der Heiligen Schrift, der Bibel, sind. Doch sind uns nicht längst alle bekannt, und aus religionspolitischer Perspektive wurden einige Apokryphen gar nicht erst ins „Neue Testament“ aufgenommen. Ebenso verhält es sich höchstwahrscheinlich mit den Qumran-Funden, die in den 50er- und 60er- Jahren in einem Tal am Schwarzen Meer gefunden wurden und die zu den ältesten bekannten Handschriften der Bibel gehören.

Vieles von dem hat der Vatikan in seine Archive einsortiert, die natürlich mit zu den größten und wichtigsten der Welt gehören. In den kilometerlangen Regalreihen stehen unzählige Urkunden, Bücher, Dokumente und Protokolle aus mehreren Jahrhunderten. Ein wissenschaftlicher Schatz und das nicht nur für Bibelforscher, sondern auch für jeden anderen Historiker interessant und wohl das höchste Ziel, sich hier der Recherche widmen zu dürfen.

Der Vatikan, ein souveräner Staat in Rom, liegt direkt am Tiber. Der Vatikan ist der religiöse Dreh- und Angelpunkt der katholischen Kirche und Zentrum der Christenheit. Doch neben dem religiösen Gedanken gibt es auch innen- und außenpolitische Themen, die sehr weltlich diskutiert werden. Der Vatikan mit seiner Kurie, ist auch nichts anderes als eine zentrale Behörde. Und in dieser gibt es viele unterschiedliche Idealisten und politische Meinungen. Die Kirchenfürsten und Kardinäle sind nicht nur in Kongregationen organisiert, sondern auch in vielen unterschiedlichen Gruppierungen wie z. B. Opus Dei. Doch gibt es hier noch einige Unbekannte und Bekanntere, die sich aber nicht gerne in das Licht der Öffentlichkeit treiben lassen. Hier spielen neben den politischen Machtkämpfen viele wirtschaftliche Interessen eine übergeordnete Rolle und viele Mythen und Legenden gleich mit.

Das Autorenduo – Alex Thomas – hat in seinem Debütroman „Lux Domini“ die Thematik um die Bedeutung der zwölf Apostel verarbeitet und damit einen Vatikanthriller veröffentlicht, der durch intelligente Spannung überzeugt.

_Inhalt_

Catherine Bell ist medial begabt und sie ist nicht die Einzige. Das Besondere an der jungen Frau sind aber nicht nur ihre geistigen Kräfte, sondern auch ihr rebellischer Kopf unter ihrer Ordenstracht. Die Publikationen der jungen Schwester Catherine lassen den Kirchenstaat mitsamt seinen nicht immer toleranten Ideologien nicht gut dastehen. In einem Disziplinverfahren muss sich die junge Theologin nun verantworten und zu von ihr geäußerten Themen Stellung beziehen. Der oberste Glaubenswächter Marc Abott Kardinal Ciban, ein charismatischer Großinquisitor, der zwar keine Scheiterhaufen mehr brennen lässt, aber doch ketzerische Gedanken in seiner Funktion bekämpft. Catherine Bell reagiert angemessen, umsichtig, und auch wenn sie ihr Leben der Kirche seit der Kindheit gewidmet hat, so trägt sie sich immer mit den Gedanken, diesen Abschnitt endgültig zu beenden.

Einer ihrer Vertrauten ist seit diesen Kindheitstagen auch ihr etwa gleichaltriger Jugendfreund Ben, der ebenso dem klerikalen Weg folgt, wenn auch in einer ganz anderen Funktion. Ben ist ein Mitarbeiter des Nachrichtendienstes im Vatikan, ein Agent, der im Auftrage der Kirche Ermittlungen durchführt. Sein nächster Auftrag führt ihn nach Deutschland, dort soll der junge Monsignore und Agent den Tod von Catherines väterlichem Mentor, Pater Darius aufklären, der bei einem Unfall um Leben gekommen ist.

Ben entdeckt, dass dieser Unfall nur inszeniert wurde und es sich hierbei um einen kaltblütigen Mord handelt. In späteren Ermittlungen verfolgt der junge Geistliche weitere Spuren und stößt dabei zeitgleich auf mehrere mysteriöse Unfälle von Priestern und Nonnen.

Als sich bei einem Bankett der einflussreiche Kardinal Benelli das Leben nimmt, überträgt er seine mediale Energie an Catherine. Zuvor übergibt er der jungen Frau einen Tresorschlüssel und erklärt ihr, dass sie die einzige Person sei, die mit ihrer Gabe den amtierenden Papst Leo retten könne. Catherine, verwirrt und verängstigt angesichts ihrer immer intensiveren Visionen, muss sich Kardinal Ciban anvertrauen, der sie in den päpstlichen Privathaushalt des Stellvertreters Christis einschleust.

Ben findet in den Nachlässen der ermordeten Personen Bibeln mit identischen Markierungen in der Apostelgeschichte. Kardinal Ciban, an den er berichtet, scheint das nicht genug zu interessieren, sodass sich Ben dazu entschließt, sich Catherine anzuvertrauen, die inzwischen erkannt hat, dass sie mit ihrer geistigen Verbindung den schwächelnden Papst stärkt.

Nach und nach erkennen Catherine und Ben das Geheimnis um die markierten Bibelstellen und ein Geheimnis, dem die Kirche ihr 2000-jähriges Überleben verdankt. Der Schlüssel zu dem Geheimnis ist nicht Christus selbst, sondern die zwölf Apostel und deren schicksalshafte Aufgabe …

In der Sixtinischen Kapelle kommt es zur Konfrontation mit dem Mörder …

_Kritik_

Eine interessante Theorie, der sich das Autorenduo bedient, und gar keine abwegige. Im neuen Testament ist die Rollenverteilung eine ganz klare: Hauptprotagonist ist Jesus von Nazareth, und seine Jünger die zwölf Apostel spielen zwar tragende, wenn auch nicht wichtige Rollen. Allerdings von einigen Situationen mal abgesehen. Doch wer kennt diese Apostel mit ihrem Namen und ihre Funktion in diesem tragischen Zentrum? Wer war Judas wirklich und warum hat er Jesus verraten? Welche Rolle spielte Petrus, der später in Rom gekreuzigt wurde? Auf welchem Kontinent hielten sich die Jünger nach dem Tod ihres Meistern auf? Und welche historische Rolle spielte Maria von Magdala?

Auf all diese Fragen gehen die Autoren ein und das mit einer Intensität, die nicht nur spannend, sondern auch ungemein interessant ist. Die Bibelforschung ist mit Sicherheit eine Wissenschaft, die nicht einfach ist. Alleine schon die vielen Quellen sind schwer interpretierbar, und archäologische Beweise eher wenig überzeugend. Vieles könnte sicherlich der Vatikan selbst aufklären, aber will er das überhaupt?

Auch hier beschreibt das Autorenehepaar augenzwinkernd, dass im Vatikan eher sehr intrigiert wird und gerade die weltliche Macht die religiöse weitestgehend stützt. Immer mit einem Pro und Kontra beschreiben die Autoren die verschiedenen Einflüsse innerhalb und außerhalb des kleinen Kirchenstaates. Fiktion und Fakten werden hier interessant vermischt, sodass der Leser nicht nur am Ende des Romans selbst recherchieren wird. Vieles wirkt widersprüchlich, aber gerade das erklärt ja gerade die fast schon ehrfürchtige Mystik um den kleinen Staat am Tiber.

Die Autoren beschreiben uns, wie es vielleicht in der Organisation der Kurie zugeht, welche persönlichen Interessen die Kardinäle an einer Machterhaltung des Vatikans haben und warum manche lieber innerhalb der Mauern bleiben sollten. Auch werden hier Religion und Wissenschaft miteinander vermengt und nicht wie so oft, im Widerspruch beschrieben.

Mit einer sehr überzeugenden Atmosphäre ist dieser Vatikanthriller kein typischer. Sicherlich gibt es wie in so vielen anderen dieses Genre auch Verschwörungstheorien, doch interessanterweise spielt Jesus hier in der Rolle des Erlösers der Menschheit nicht die Paraderolle. Die Apostelgeschichte mit göttlicher Unterstützung bildet Gottes Plan. Und warum nicht, allerdings könnte es auch die gesamte katholische Kirche revolutionieren. Doch die Kirchenoberen würden dies nicht so amüsant empfinden.

Die Figuren in „Lux Domini“ sind realistisch entworfen. Catherine Bell, die quasi von der Kirche erzogen wird, rebelliert mit ihrem wachen Geist gegen die Traditionen und intoleranten Ideologien des Kirchenstaates. Ihr Glaube an Gott ist dabei unerschütterlich, doch versucht sie es mit ihren Publikationen, die Kirche zu modernisieren. Glaube und Wissenschaft sind für den Vatikan dadurch nicht immer einfach miteinander zu kombinieren. Der Glaube ist das Einzige, an dem sie sich festhalten können und das die Zukunft ihrer Kirche garantiert.

Ben, der seit Kindheitstagen sehr eng mit Catherine verbunden ist, geht einen ganz anderen Weg. Ebenso wie seine Jugendfreundin widmet er sein Leben der Kirche, aber sein(e) Beruf(ung) als Agent des Vatikans geht vielmehr in die weltliche Richtung. Ob in der Realität der Vatikan einen eigenen Geheimdienst hat, gehört sicherlich zu den größeren Vermutungen und Mythen, aber ausgeschlossen oder gar unwahrscheinlich ist diese These nicht.

Ein weiterer interessanter Charakter ist der des charismatischen Kardinals Ciban, der immer Herr der Lage zu sein scheint und seine Schachfiguren scheinbar beliebig flexibel aufstellen kann. Von seiner Person hätte ich gerne mehr gelesen. Alleine sein Wissen um die politischen Gruppierungen wie z. B. Opus Dei oder Lux Domini u. a. würden Volumen für viel mehr Romane parat legen.

Spannend ist „Lux Domini“ allemal, wenn auch manchmal einzelnen Passagen etwas die Intensität fehlt. Vieles wird kurz angerissen, aber später nicht mehr aufgegriffen und alleine schon die Wichtigkeit der Apostel und deren Entwicklung über die Jahrhunderte hinweg, bleibt mir ein wenig zu sehr im Schatten. Sehr aufschlussreich und erklärend hingegen waren die Visionen von Catherine, die sich in einer Zeitreise gleich im Neuen Testament bewegt. Sie begegnet Jesus, Petrus, Judas u. a., auch an Orten wie Golgatha und andere Wesenheiten wie ein Erzengel offenbaren sich ihr. Und entgegen allerhand Klischees bleibt und ist „Lux Domini“ ein überzeugender klerikaler Thriller.

_Fazit_

„Lux Domini“ ist der Debütroman eines Autorenehepaars mit dem Pseudonym Alex Thomas. Wer als Leser gerne zu spannenden Vatikanthrillern greift, wird hier überhaupt nicht enttäuscht sein und auch der Theologe mit einem Faible für spannende Thriller wird hier das Buch nicht zur Seite legen können.

Eine ungemein wasserdichte Atmosphäre in der Fakten und Fiktion grandios verarbeitet wurden, bildet das Grundgerüst dieses fabelhaften Romans. Die Spannung ist allgegenwärtig, und kleinere Ausflüge in die Welt von Jesus und seinen Aposteln bilden ein rundes Bild.

Für mich einer der bisher spannendsten und am besten durchdachten Thriller in den letzten Jahren. Absolut zu empfehlen und ich freue mich auf weitere Bücher und vielleicht ein Wiedersehen mit Kardinal Ciban.

|Broschiert: 448 Seiten
ISBN-13: 978-3764503697|
[www.randomhouse.de/blanvalet]http://www.randomhouse.de/blanvalet

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