Tolkien, J. R. R. / Tolkien, Christopher / Howe, John / Sibley, Brian – Die Karte von Beleriand

Tolkiens Welt: Kartenterzett komplett!

Nach Karten von Wilderland (aus dem „Hobbit“) und Mittelerde (aus dem „Herr der Ringe“) wurde noch eine vom versunkenen Westen Mittelerdes veröffentlicht, von Beleriand – aus dem „Silmarillion“.

Beleriand ist jener versunkene Halbkontinent, in dem sich im Ersten Zeitalter von Mittelerde die wichtigsten Heldentaten und Schlachten abspielten, die Tolkien in seinen Werken erzählt. Die Ereignisse von „Der Herr der Ringe“ und [„Der kleine Hobbit“ 481 tragen sich wesentlich später zu, nämlich im Dritten Zeitalter. Während im First Age die Elben, Halbgötter (Maiar) und Götter (Valar) das Geschehen dominieren, verlassen die Elben am Ende des Third Age Mittelerde, um es den Menschen zu überlassen. (Nach den Ereignissen des „Herrn der Ringe“ bricht das Vierte Zeitalter an.)

Beleriand ist einer der Hauptschauplätze des [„Silmarillion“ 408 (1977), jenes Buches, das Tolkiens Sohn Christopher aus vielen verstreuten Manuskripten zusammengestellt hat. Der Mittelteil schildert die Kriege der Elben gegen Morgoth und Sauron um den Besitz der ihnen gestohlenen Silmaril-Edelsteine, in denen das Licht der zwei Bäume des Segensreiches Valinor eingefangen ist. Den letzten der Silmarils trägt Earendil über das Firmament, uns sichtbar als die hellstrahlende Venus, der Abendstern.

Die Karte

… stammt noch von Christopher Tolkien. Er stellte sie im Jahr 1977, als das „Silmarillion“ erschien, fertig. Mit Sicherheit hat er mehrere Jahre daran gearbeitet, denn die Erzählungen und Skizzen seines Vaters waren zuweilen widersprüchlich. Die Karte ist gut lesbar, aber ich habe die Städtenamen mit der Lupe suchen müssen: Menegroth, Nargothrond und Gondolin.

Die Karte selbst besticht durch ihre wichtigste Farbe: grün. Es ist das Grün von tiefen, ausgedehnten Wäldern und Prärien, die überall von Flüssen und Gebirgsketten begrenzt oder durchbrochen werden. Bei den einzigen Territorien, die nicht eingezeichnet sind, handelt es sich um die Lande östlich der Blauen Berge/Ered Lindon (die im „Herrn der Ringe“ das westlichste Gebirge sind), um Valinor und auch um Morgoths Angband mit den drei Vulkanen, Thangorodrim.

_Die Illustrationen_

… stammen von Tolkienspezialist John Howe. Er beriet ja auch den Regisseur Peter Jackson bei den Dreharbeiten zur Filmtrilogie. Persönlich gefällt mir von allen Tolkien-Illustratoren sein Stil am besten. Der Stil ist auf die dramatische Wirkung von Dynamik und den Effekt weniger Farben ausgerichtet.

So etwa ist seine Darstellung von Morgoths Festung (ganz oben) ganz in rötlich-schwarzen Schlackefarben gehalten, die Küstenszene jedoch in Blauweiß (Wasser), Weiß (Schwäne, Segel) und Schwarz (Felsen). Diese Szene begrenzt die Karte am unteren Rand.

Die linken und rechten Begrenzungsfelder enthalten zwei heroische Szenen. Rechts ist Turin Turambar in der Schlucht zu sehen, an deren oberem Ende der schwarze Kopf Glaurungs hervorragt. Links ist vermutlich Luthien Tinuviel ist zu sehen – die Gestalt trägt weder Rüstung noch Kopfbedeckung – wie sie eine tiefe Schlucht betritt, an deren oberem Ende ein weißer Kalkfelsen emporragt. Es könnte sich dabei um den Wachtturm Tol Sirion handeln. Allerdings fehlt auf dem Bild der Sirion selbst. Doch wenn es sich um den Zugang zu Gondolin handeln würde, würde ich Turin oder Húrin in Rüstung erwarten, bevor er den Trockenen Fluss entlangwandert.

Zu den schönsten Illustrationen gehören die sechs Embleme, die Tolkien selbst entworfen hat und die den wichtigsten Elben zugeordnet sind. Zwei erkenne ich wieder. Links in der Mitte ist das blumenförmige Emblem Luthien Tinuviels. Rechts unten ist das mit Feuersymbolen verbrämte Emblem Feanors, des Herstellers der Silmarils, zu sehen. Die restlichen vier Embleme gehören vermutlich zu Finwe, Elwe (Thingol), Earendil (Beren) usw. Ich finde es wundervoll, dass sie in die Karte aufgenommen wurden.

_Der Begleittext und das Glossar_

In seinem Begleittext „Westlich der Berge, östlich des Meeres: zur Karte von Beleriand“ fasst Brian Sibley den Hintergrund für dieses fiktive Territorium zusammen. Aufgrunddessen versteht auch derjenige Kartenleser, der das „Silmarillion“ und die damit zusammenhängenden Texte nicht gelesen hat, mit welchen wichtigen Episoden und Gestalten manche Landschaften und Landmarken verbunden sind.

Beispielsweise fällt dem Betrachter das Land Doriath auf. Es ist nicht nur von Flüssen umschlungen, sondern auch von tiefen Wäldern umgeben, doch in seinem Mittelpunkt befindet sich eine Stadt: Menegroth. Brian Sibley erzählt uns nun, wie es zur Gründung dieses Königreiches der Elben durch Thingol und Melian kam und was es mit Menegroth auf sich hat. Ähnlich verfährt er mit der schönen, aber verborgenen Stadt Gondolin.

Auch von den Landen, die auf der Karte nicht eingezeichnet sind, erzählt er, denn seine Synopse beginnt mit der Schöpfung und endet mit dem Untergang Beleriands am Ende des Ersten Zeitalters. Also kommen auch Valinor, Eressea und Morgoths Festung Angband vor, die man auf der Karte vergeblich sucht.

Das 17 Seiten starke Glossar beschränkt sich auf Orte und Landschaften, doch erzählen die Einträge auch von wichtigen Ereignissen wie etwa einer Schlacht. Einige Einträge wurden von John Howe illustriert, so etwa Turin Turambars Kampf gegen den Drachen Glaurung.

_Wem nützt dieses Werk?_

Sollte man sich also diese Karte zulegen? Sie ist vollständig und bringt keine neuen Daten im Vergleich zum Original von 1977.

Die Anschaffung lohnt sich, wenn man a) die Originalkarte aus dem „Silmarillion“ nicht hat (und nicht wesentlich mehr Geld für dieses Buch anlegen will), aber einen Einstieg sucht, und b) wenn man das Original hat, aber als Tolkien-Fan den oben aufgeführten Mehrwert, den die neue Karte bietet, besitzen möchte, und c) wer einen schönen Wandschmuck erwerben möchte – womöglich einen, der den Tolkien Calendar ergänzt.